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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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ständigst sollten ausgeschlossen sein. Allein nach kurzer Zeit waren die
Kränzchen in Bacchanale ausgeartet. War der Kaffee nicht gut, so schüttete
man ihn auf die Dielen und commandirte andern. Dann erschien Bier in
großen Schleifkannen, "Aposteln", auf dem Tische, und man begann ein
Kartenspiel, wobei der Verlierende zur Strafe für sein Ungeschick ein oder
mehrere "Stübchen" *) Lichtenhainer oder Wöllnitzer ohne abzusetzen austrinken
mußte, während die Gesellschaft ihm mit einem Spottvers wie "Schneiderlein,
geh heim, Bock ist dein Vater. Zieg deine Mutter" aufwartete. Allmähl'g
wurden die Köpfe durch solche und ähnliche Leistungen heroisch, und man
fing an, zu singen, zu jubeln und auch wohl förmlich zu commersiren. Bei
üblem Wetter blieben die Burschen bis tief in die Nacht beisammen, sonst
brach man zeitiger auf und "stieg zu Dorfe", um in irgend einer Mühle oder
Schenke sich vollends "in den Glanz zu werfen", zu Deutsch: sich gründlich
zu benebeln.

Die Mosellaner waren jetzt eine geschlossene Gesellschaft. Früher hatte
jeder, der aus dem Reiche war und sich zu ihnen hielt, für einen Mosellaner
gegolten. Jetzt bedürfte es dazu einer förmlichen Reeeption, bei welcher der
Candidat über sich abstimmen ließ, nach Vorlesung der Verbindungsstatuten
dem Senior durch Handschlag Gehorsam gelobte, einen Laubthaler Aufnahme¬
gebühr entrichtete und schließlich die Tafelrunde mit Bier und Tabak z"
regaliren hatte. Auch hierbei blieb die Gelegenheit zu tiefen und lanaM
Trunken nicht unbenutzt. Bei einer Reception im Jahre 1783, welcher Laub
hart beiwohnte, wurden von 26 Personen nicht weniger als 270 Maß Ziege"'
hamer Bier "ausgezogen", sodaß auf den Mann mehr als 10 Maß oder
23 Stübchen kamen, und doch soll das nach meinem Gewährsmann für die
Leistungsfähigkeit dieser Saugpumpen noch Kleinigkeit gewesen sein.
zuletzt Aufgenommene hatte die Verpflichtung, die Anordnungen des Seniors
den ältern Mitgliedern zu melden, er war also gewissermaßen der Famulus
des Vorstandes der Landsmannschaft. Die Receptionsgelder sowie die sonstige"
Beiträge der Genossen des Vereins wurden in eine Kasse gelegt, zu welch^
der Senior und der Secretär jeder einen Schlüssel hatten, während sie sel^
beim Subsenior in Verwahrung war. Aus ihr wurde zunächst die Anschaffn^
und Erhaltung der Waffen -- man bediente sich damals in gewöhnlichen Fällen d^
ziemlich ungefährlichen Stoßdegen mit großem Stichblatt, bei ernster gemeinte"
Kämpfen wohl auch schon der dreischneidigen "Pariser", deren kleineres Stich'
blatt weniger Schutz gewährte -- sowie der Rappiere bestritten. Dann aber
unterstützte man aus ihr zureisende fremde Studenten, an denen es n
mangelte, arme Verbindungsglieder und vorzüglich die im Karner sitzende"'
welche täglich mit Kaffee, Bier und Tabak versehen wurden. Blieb am En



-) Ausgepichte hölzerne Deckelkannen mit Reisen.

ständigst sollten ausgeschlossen sein. Allein nach kurzer Zeit waren die
Kränzchen in Bacchanale ausgeartet. War der Kaffee nicht gut, so schüttete
man ihn auf die Dielen und commandirte andern. Dann erschien Bier in
großen Schleifkannen, „Aposteln", auf dem Tische, und man begann ein
Kartenspiel, wobei der Verlierende zur Strafe für sein Ungeschick ein oder
mehrere „Stübchen" *) Lichtenhainer oder Wöllnitzer ohne abzusetzen austrinken
mußte, während die Gesellschaft ihm mit einem Spottvers wie „Schneiderlein,
geh heim, Bock ist dein Vater. Zieg deine Mutter" aufwartete. Allmähl'g
wurden die Köpfe durch solche und ähnliche Leistungen heroisch, und man
fing an, zu singen, zu jubeln und auch wohl förmlich zu commersiren. Bei
üblem Wetter blieben die Burschen bis tief in die Nacht beisammen, sonst
brach man zeitiger auf und „stieg zu Dorfe", um in irgend einer Mühle oder
Schenke sich vollends „in den Glanz zu werfen", zu Deutsch: sich gründlich
zu benebeln.

Die Mosellaner waren jetzt eine geschlossene Gesellschaft. Früher hatte
jeder, der aus dem Reiche war und sich zu ihnen hielt, für einen Mosellaner
gegolten. Jetzt bedürfte es dazu einer förmlichen Reeeption, bei welcher der
Candidat über sich abstimmen ließ, nach Vorlesung der Verbindungsstatuten
dem Senior durch Handschlag Gehorsam gelobte, einen Laubthaler Aufnahme¬
gebühr entrichtete und schließlich die Tafelrunde mit Bier und Tabak z"
regaliren hatte. Auch hierbei blieb die Gelegenheit zu tiefen und lanaM
Trunken nicht unbenutzt. Bei einer Reception im Jahre 1783, welcher Laub
hart beiwohnte, wurden von 26 Personen nicht weniger als 270 Maß Ziege«'
hamer Bier „ausgezogen", sodaß auf den Mann mehr als 10 Maß oder
23 Stübchen kamen, und doch soll das nach meinem Gewährsmann für die
Leistungsfähigkeit dieser Saugpumpen noch Kleinigkeit gewesen sein.
zuletzt Aufgenommene hatte die Verpflichtung, die Anordnungen des Seniors
den ältern Mitgliedern zu melden, er war also gewissermaßen der Famulus
des Vorstandes der Landsmannschaft. Die Receptionsgelder sowie die sonstige"
Beiträge der Genossen des Vereins wurden in eine Kasse gelegt, zu welch^
der Senior und der Secretär jeder einen Schlüssel hatten, während sie sel^
beim Subsenior in Verwahrung war. Aus ihr wurde zunächst die Anschaffn^
und Erhaltung der Waffen — man bediente sich damals in gewöhnlichen Fällen d^
ziemlich ungefährlichen Stoßdegen mit großem Stichblatt, bei ernster gemeinte"
Kämpfen wohl auch schon der dreischneidigen „Pariser", deren kleineres Stich'
blatt weniger Schutz gewährte — sowie der Rappiere bestritten. Dann aber
unterstützte man aus ihr zureisende fremde Studenten, an denen es n
mangelte, arme Verbindungsglieder und vorzüglich die im Karner sitzende"'
welche täglich mit Kaffee, Bier und Tabak versehen wurden. Blieb am En



-) Ausgepichte hölzerne Deckelkannen mit Reisen.
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[0412] ständigst sollten ausgeschlossen sein. Allein nach kurzer Zeit waren die Kränzchen in Bacchanale ausgeartet. War der Kaffee nicht gut, so schüttete man ihn auf die Dielen und commandirte andern. Dann erschien Bier in großen Schleifkannen, „Aposteln", auf dem Tische, und man begann ein Kartenspiel, wobei der Verlierende zur Strafe für sein Ungeschick ein oder mehrere „Stübchen" *) Lichtenhainer oder Wöllnitzer ohne abzusetzen austrinken mußte, während die Gesellschaft ihm mit einem Spottvers wie „Schneiderlein, geh heim, Bock ist dein Vater. Zieg deine Mutter" aufwartete. Allmähl'g wurden die Köpfe durch solche und ähnliche Leistungen heroisch, und man fing an, zu singen, zu jubeln und auch wohl förmlich zu commersiren. Bei üblem Wetter blieben die Burschen bis tief in die Nacht beisammen, sonst brach man zeitiger auf und „stieg zu Dorfe", um in irgend einer Mühle oder Schenke sich vollends „in den Glanz zu werfen", zu Deutsch: sich gründlich zu benebeln. Die Mosellaner waren jetzt eine geschlossene Gesellschaft. Früher hatte jeder, der aus dem Reiche war und sich zu ihnen hielt, für einen Mosellaner gegolten. Jetzt bedürfte es dazu einer förmlichen Reeeption, bei welcher der Candidat über sich abstimmen ließ, nach Vorlesung der Verbindungsstatuten dem Senior durch Handschlag Gehorsam gelobte, einen Laubthaler Aufnahme¬ gebühr entrichtete und schließlich die Tafelrunde mit Bier und Tabak z" regaliren hatte. Auch hierbei blieb die Gelegenheit zu tiefen und lanaM Trunken nicht unbenutzt. Bei einer Reception im Jahre 1783, welcher Laub hart beiwohnte, wurden von 26 Personen nicht weniger als 270 Maß Ziege«' hamer Bier „ausgezogen", sodaß auf den Mann mehr als 10 Maß oder 23 Stübchen kamen, und doch soll das nach meinem Gewährsmann für die Leistungsfähigkeit dieser Saugpumpen noch Kleinigkeit gewesen sein. zuletzt Aufgenommene hatte die Verpflichtung, die Anordnungen des Seniors den ältern Mitgliedern zu melden, er war also gewissermaßen der Famulus des Vorstandes der Landsmannschaft. Die Receptionsgelder sowie die sonstige" Beiträge der Genossen des Vereins wurden in eine Kasse gelegt, zu welch^ der Senior und der Secretär jeder einen Schlüssel hatten, während sie sel^ beim Subsenior in Verwahrung war. Aus ihr wurde zunächst die Anschaffn^ und Erhaltung der Waffen — man bediente sich damals in gewöhnlichen Fällen d^ ziemlich ungefährlichen Stoßdegen mit großem Stichblatt, bei ernster gemeinte" Kämpfen wohl auch schon der dreischneidigen „Pariser", deren kleineres Stich' blatt weniger Schutz gewährte — sowie der Rappiere bestritten. Dann aber unterstützte man aus ihr zureisende fremde Studenten, an denen es n mangelte, arme Verbindungsglieder und vorzüglich die im Karner sitzende"' welche täglich mit Kaffee, Bier und Tabak versehen wurden. Blieb am En -) Ausgepichte hölzerne Deckelkannen mit Reisen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/412>, abgerufen am 06.02.2025.