Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht genügte, wurde den Landsmannschaften untersagt, in der Zahl von mehr
als acht Personen an öffentlichen Orten zusammen zu kommen.

Die Mosellaner suchten sich damit zu helfen, daß sie sich auf Privatstuben
trafen, und als es dort zu Lärm und anderm Unfug kam, beschloß man
besetze dagegen aufzustellen, die, mit dem übrigen Herkommen niedergeschrieben
und dem Senior zur Handhabung übergeben wurden.

Das Ansehen des Seniors war bei den Mosellanern, wie bei allen andern
Landsmannschaften, bisher gering gewesen. Er hatte ihnen ihre Trinkgelage
^gerichtet und dabei auf gehörige Beobachtung des Comments gesehen, aber
Uur Füchsen hatte er etwas zu sagen gehabt, einem alten Burschen "durfte
er nicht dumm kommen." Jetzt als Gesetzespfleger bestellt, zum Richter nach
geschriebenen Statuten geworden, gewann er bald größere Macht und Au¬
torität. Außer ihm wurde, wir wissen nicht bestimmt, zu welchem Zwecke,
vermuthlich aber als eine Art Kriegsminister oder Zeughausdirector, ein Sub-
senior gewählt und neben diesem ein dritter Beamter, der Secretär, für alle
Schreibereien der Verbindung, die Mitgliederlisten, die man jetzt für nöthig
hielt, die Chronik, welche nunmehr geführt wurde, und das kleine Archiv,
auf diese Weise entstand. .

Auffällig erscheint, daß der Coder der Gesellschaft, die mit diesen Ein¬
richtungen ganz die Gestalt der heutigen Corps annahm, in seinen 86 Para¬
graphen neben allerhand sehr profanen und zum Theil nicht löblichen Vor¬
schriften, Regeln über Tuschiren, Avantage, Coramiren u. tgi. auch einen
Satz enthielt, welcher "große Ehrfurcht und Reverenz für Gott den All¬
mächtigen und sein heiliges Wort" gebot und den Besuch der Kirche empfahl,
^und sonst glänzte das neue Recht von manchen guten Dingen: es schärfte
Mäßigung und Anstand im Betragen ein, untersagte das Kartenspiel um
^eit, das Fluchen, Foppen und Zotenreißer und wollte dem unbändigen
sinken steuern, das herkömmlich war und Manchen zu Grunde gerichtet
^ete. Ich weiß nicht, ob diese Glanzstellen der Statuten mehr für die Be¬
hörden, die Neigung haben konnten, die Gesetzgebung der jungen Herren
^"nen zu lernen, als für die letzteren bestimmt waren. Gewiß ist nur, daß
wenn überhaupt, nur kurze Zeit das Leben der Mosellaner verklärten.
Sehr bald gewann der wüste Ton. welcher die Universitäten von Alters her
"Ad namentlich seit dem dreißigjährigen Kriege beherrschte, die Oberhand über
^ in jenen Geboten niedergelegten edlen Vorsätze, und unsre Landsmann-
^fr galt für die wildeste und rohste in ganz Saalathen. Ihr Gesetzbuch
schrieb sonntägliche Kränzchen vor, die der Reihe nach von einem aus der
^sellschaft auf seiner Stube gegeben wurden. Der Betreffende hieß der
"Hospes" und hatte die übrigen Verbindungsbrüder bis Abends sechs Uhr
M't Tabak. Kaffee und Bier zu tractiren. Alles Uebermaß und alle Un.-^


nicht genügte, wurde den Landsmannschaften untersagt, in der Zahl von mehr
als acht Personen an öffentlichen Orten zusammen zu kommen.

Die Mosellaner suchten sich damit zu helfen, daß sie sich auf Privatstuben
trafen, und als es dort zu Lärm und anderm Unfug kam, beschloß man
besetze dagegen aufzustellen, die, mit dem übrigen Herkommen niedergeschrieben
und dem Senior zur Handhabung übergeben wurden.

Das Ansehen des Seniors war bei den Mosellanern, wie bei allen andern
Landsmannschaften, bisher gering gewesen. Er hatte ihnen ihre Trinkgelage
^gerichtet und dabei auf gehörige Beobachtung des Comments gesehen, aber
Uur Füchsen hatte er etwas zu sagen gehabt, einem alten Burschen „durfte
er nicht dumm kommen." Jetzt als Gesetzespfleger bestellt, zum Richter nach
geschriebenen Statuten geworden, gewann er bald größere Macht und Au¬
torität. Außer ihm wurde, wir wissen nicht bestimmt, zu welchem Zwecke,
vermuthlich aber als eine Art Kriegsminister oder Zeughausdirector, ein Sub-
senior gewählt und neben diesem ein dritter Beamter, der Secretär, für alle
Schreibereien der Verbindung, die Mitgliederlisten, die man jetzt für nöthig
hielt, die Chronik, welche nunmehr geführt wurde, und das kleine Archiv,
auf diese Weise entstand. .

Auffällig erscheint, daß der Coder der Gesellschaft, die mit diesen Ein¬
richtungen ganz die Gestalt der heutigen Corps annahm, in seinen 86 Para¬
graphen neben allerhand sehr profanen und zum Theil nicht löblichen Vor¬
schriften, Regeln über Tuschiren, Avantage, Coramiren u. tgi. auch einen
Satz enthielt, welcher „große Ehrfurcht und Reverenz für Gott den All¬
mächtigen und sein heiliges Wort" gebot und den Besuch der Kirche empfahl,
^und sonst glänzte das neue Recht von manchen guten Dingen: es schärfte
Mäßigung und Anstand im Betragen ein, untersagte das Kartenspiel um
^eit, das Fluchen, Foppen und Zotenreißer und wollte dem unbändigen
sinken steuern, das herkömmlich war und Manchen zu Grunde gerichtet
^ete. Ich weiß nicht, ob diese Glanzstellen der Statuten mehr für die Be¬
hörden, die Neigung haben konnten, die Gesetzgebung der jungen Herren
^"nen zu lernen, als für die letzteren bestimmt waren. Gewiß ist nur, daß
wenn überhaupt, nur kurze Zeit das Leben der Mosellaner verklärten.
Sehr bald gewann der wüste Ton. welcher die Universitäten von Alters her
"Ad namentlich seit dem dreißigjährigen Kriege beherrschte, die Oberhand über
^ in jenen Geboten niedergelegten edlen Vorsätze, und unsre Landsmann-
^fr galt für die wildeste und rohste in ganz Saalathen. Ihr Gesetzbuch
schrieb sonntägliche Kränzchen vor, die der Reihe nach von einem aus der
^sellschaft auf seiner Stube gegeben wurden. Der Betreffende hieß der
"Hospes" und hatte die übrigen Verbindungsbrüder bis Abends sechs Uhr
M't Tabak. Kaffee und Bier zu tractiren. Alles Uebermaß und alle Un.-^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133699"/>
          <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> nicht genügte, wurde den Landsmannschaften untersagt, in der Zahl von mehr<lb/>
als acht Personen an öffentlichen Orten zusammen zu kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1318"> Die Mosellaner suchten sich damit zu helfen, daß sie sich auf Privatstuben<lb/>
trafen, und als es dort zu Lärm und anderm Unfug kam, beschloß man<lb/>
besetze dagegen aufzustellen, die, mit dem übrigen Herkommen niedergeschrieben<lb/>
und dem Senior zur Handhabung übergeben wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1319"> Das Ansehen des Seniors war bei den Mosellanern, wie bei allen andern<lb/>
Landsmannschaften, bisher gering gewesen. Er hatte ihnen ihre Trinkgelage<lb/>
^gerichtet und dabei auf gehörige Beobachtung des Comments gesehen, aber<lb/>
Uur Füchsen hatte er etwas zu sagen gehabt, einem alten Burschen &#x201E;durfte<lb/>
er nicht dumm kommen." Jetzt als Gesetzespfleger bestellt, zum Richter nach<lb/>
geschriebenen Statuten geworden, gewann er bald größere Macht und Au¬<lb/>
torität. Außer ihm wurde, wir wissen nicht bestimmt, zu welchem Zwecke,<lb/>
vermuthlich aber als eine Art Kriegsminister oder Zeughausdirector, ein Sub-<lb/>
senior gewählt und neben diesem ein dritter Beamter, der Secretär, für alle<lb/>
Schreibereien der Verbindung, die Mitgliederlisten, die man jetzt für nöthig<lb/>
hielt, die Chronik, welche nunmehr geführt wurde, und das kleine Archiv,<lb/>
auf diese Weise entstand. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1320" next="#ID_1321"> Auffällig erscheint, daß der Coder der Gesellschaft, die mit diesen Ein¬<lb/>
richtungen ganz die Gestalt der heutigen Corps annahm, in seinen 86 Para¬<lb/>
graphen neben allerhand sehr profanen und zum Theil nicht löblichen Vor¬<lb/>
schriften, Regeln über Tuschiren, Avantage, Coramiren u. tgi. auch einen<lb/>
Satz enthielt, welcher &#x201E;große Ehrfurcht und Reverenz für Gott den All¬<lb/>
mächtigen und sein heiliges Wort" gebot und den Besuch der Kirche empfahl,<lb/>
^und sonst glänzte das neue Recht von manchen guten Dingen: es schärfte<lb/>
Mäßigung und Anstand im Betragen ein, untersagte das Kartenspiel um<lb/>
^eit, das Fluchen, Foppen und Zotenreißer und wollte dem unbändigen<lb/>
sinken steuern, das herkömmlich war und Manchen zu Grunde gerichtet<lb/>
^ete. Ich weiß nicht, ob diese Glanzstellen der Statuten mehr für die Be¬<lb/>
hörden, die Neigung haben konnten, die Gesetzgebung der jungen Herren<lb/>
^"nen zu lernen, als für die letzteren bestimmt waren.  Gewiß ist nur, daß<lb/>
wenn überhaupt, nur kurze Zeit das Leben der Mosellaner verklärten.<lb/>
Sehr bald gewann der wüste Ton. welcher die Universitäten von Alters her<lb/>
"Ad namentlich seit dem dreißigjährigen Kriege beherrschte, die Oberhand über<lb/>
^ in jenen Geboten niedergelegten edlen Vorsätze, und unsre Landsmann-<lb/>
^fr galt für die wildeste und rohste in ganz Saalathen. Ihr Gesetzbuch<lb/>
schrieb sonntägliche Kränzchen vor, die der Reihe nach von einem aus der<lb/>
^sellschaft auf seiner Stube gegeben wurden. Der Betreffende hieß der<lb/>
"Hospes" und hatte die übrigen Verbindungsbrüder bis Abends sechs Uhr<lb/>
M't Tabak. Kaffee und Bier zu tractiren. Alles Uebermaß und alle Un.-^</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0411] nicht genügte, wurde den Landsmannschaften untersagt, in der Zahl von mehr als acht Personen an öffentlichen Orten zusammen zu kommen. Die Mosellaner suchten sich damit zu helfen, daß sie sich auf Privatstuben trafen, und als es dort zu Lärm und anderm Unfug kam, beschloß man besetze dagegen aufzustellen, die, mit dem übrigen Herkommen niedergeschrieben und dem Senior zur Handhabung übergeben wurden. Das Ansehen des Seniors war bei den Mosellanern, wie bei allen andern Landsmannschaften, bisher gering gewesen. Er hatte ihnen ihre Trinkgelage ^gerichtet und dabei auf gehörige Beobachtung des Comments gesehen, aber Uur Füchsen hatte er etwas zu sagen gehabt, einem alten Burschen „durfte er nicht dumm kommen." Jetzt als Gesetzespfleger bestellt, zum Richter nach geschriebenen Statuten geworden, gewann er bald größere Macht und Au¬ torität. Außer ihm wurde, wir wissen nicht bestimmt, zu welchem Zwecke, vermuthlich aber als eine Art Kriegsminister oder Zeughausdirector, ein Sub- senior gewählt und neben diesem ein dritter Beamter, der Secretär, für alle Schreibereien der Verbindung, die Mitgliederlisten, die man jetzt für nöthig hielt, die Chronik, welche nunmehr geführt wurde, und das kleine Archiv, auf diese Weise entstand. . Auffällig erscheint, daß der Coder der Gesellschaft, die mit diesen Ein¬ richtungen ganz die Gestalt der heutigen Corps annahm, in seinen 86 Para¬ graphen neben allerhand sehr profanen und zum Theil nicht löblichen Vor¬ schriften, Regeln über Tuschiren, Avantage, Coramiren u. tgi. auch einen Satz enthielt, welcher „große Ehrfurcht und Reverenz für Gott den All¬ mächtigen und sein heiliges Wort" gebot und den Besuch der Kirche empfahl, ^und sonst glänzte das neue Recht von manchen guten Dingen: es schärfte Mäßigung und Anstand im Betragen ein, untersagte das Kartenspiel um ^eit, das Fluchen, Foppen und Zotenreißer und wollte dem unbändigen sinken steuern, das herkömmlich war und Manchen zu Grunde gerichtet ^ete. Ich weiß nicht, ob diese Glanzstellen der Statuten mehr für die Be¬ hörden, die Neigung haben konnten, die Gesetzgebung der jungen Herren ^"nen zu lernen, als für die letzteren bestimmt waren. Gewiß ist nur, daß wenn überhaupt, nur kurze Zeit das Leben der Mosellaner verklärten. Sehr bald gewann der wüste Ton. welcher die Universitäten von Alters her "Ad namentlich seit dem dreißigjährigen Kriege beherrschte, die Oberhand über ^ in jenen Geboten niedergelegten edlen Vorsätze, und unsre Landsmann- ^fr galt für die wildeste und rohste in ganz Saalathen. Ihr Gesetzbuch schrieb sonntägliche Kränzchen vor, die der Reihe nach von einem aus der ^sellschaft auf seiner Stube gegeben wurden. Der Betreffende hieß der "Hospes" und hatte die übrigen Verbindungsbrüder bis Abends sechs Uhr M't Tabak. Kaffee und Bier zu tractiren. Alles Uebermaß und alle Un.-^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/411
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/411>, abgerufen am 06.02.2025.