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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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sagt: Brauchen nichts nicht -- schick ihn fort. Sag ich, indem ich "aus¬
sehe: hübsche Spitzen, Madamchen, Schmugglerwaare? -- Packe dich fort,
elender Kerl, sagt sie. Ich kannte die Stimme, Jungens. 'S war meine
Frau natürlich, klar wie Kloßbrühe -- da brauchte ich gar keinen Jnstinct
nicht dazu. 'S kann ja aber sein, sag ich, daß die jungen Damens was
brauchen. -- Hast du gehört, was ich gesagt habe, sagt sie, und damit
springt sie auf mich los, und ich mache, daß ich fortkomme. Es ist zehn
Jahre her, Jungens, seit ich die Alte nicht gesehen habe, aber ich weiß
nicht, wie, als sie den Sprung that, machte ich natürlich, daß ich fortkam. --

Nun denn, indem ich mich ein oder zwei Tage dort herumtrieb, kriegte
ich zuletzt heraus, daß die nächste Woche Melindchens Geburtstag gefeiert
werden, und daß sie große Gesellschaft bei sich haben sollte. Ich sag' Euch,
Jungens, es sollte nicht lumpig bei dem Empfang hergehen. Das ganze
Haus war eine einzige Blume, so war es bekränzt, und es flammte von
Lichtern, und es gab kein Ende von Dienstvolk und Silberzeug und Er¬
frischungen und Kinkerlitzchen --" "Onkel Ion!" -- "Nun." -- "Wo kriegten
Sie denn das Geld dazu her?" -- Plunkett warf dem, der ihn unterbrochen
einen strengen Blick zu. "Ich habe ja immer gesagt, daß ich, wie ich heim¬
reiste, eine Anweisung auf zehntausend Dollars vorausschickte. Ich habe das
immer gesagt, nicht wahr? Nun?" Seine gute Laune kehrte schnell zurück,
und mit einem leichten inwendigen Kichern fuhr er fort: "Ich ging in den
größten Juwelierladen der Stadt und kaufte ein Paar Diamantohrringe,
steckte sie in meine Tasche und ging nach dem Hause. "Ihr Name?" sagt
der Kerl, welcher mir die Thür aufmachte, und der wie ein Mittelding
zwischen einem Kellner und einem Pastor aussah. Skeesicks, sagte ich. Er
nimmt mich nun mit nein, und ziemlich bald kommt meine Frau in das
Empfangszimmer reingesegelt und sagt: Entschuldigen Sie, aber ich denke
nicht, daß ich den Namen kenne. Sie war schreckbar höflich; denn ich hatte
eine rothe Perücke auf und einen rothen Backenbart angemacht. -- Ein
Freund Ihres Herrn Gemahls aus Californien, mit einem Präsent für Ihre
Tochter, Fräulein -- und ich that, als ob ich den Namen vergessen hätte
Aber auf einmal sagte da 'ne Stimme: Na, das ist doch zu durchsichtig, und
herein kam Melindchen. Na, das heiß ich mir doch ziemlich schlecht Theater
spielen, Vater -- zu thun, als ob Du den Namen Deiner Tochter nicht
wüßtest -- ist's nicht wahr? Wie geht Dir's, Alter? Und damit reißt sie
mir die Perücke und den Backenbart herunter und fällt mir mit ausgebreiteten
Armen um den Hals -- Jnstinct, Jungens, reiner Jnstinct."

Nicht viele Leute glauben dem Ulysses von Monte Flat diese Geschichte-
Ja eigentlich hält sie nur sein Freund Henry Uork für wahr, der sich in
aller Form sogar in Melinda verliebt. Eben soll auf das Zeugniß eines


sagt: Brauchen nichts nicht — schick ihn fort. Sag ich, indem ich »aus¬
sehe: hübsche Spitzen, Madamchen, Schmugglerwaare? — Packe dich fort,
elender Kerl, sagt sie. Ich kannte die Stimme, Jungens. 'S war meine
Frau natürlich, klar wie Kloßbrühe — da brauchte ich gar keinen Jnstinct
nicht dazu. 'S kann ja aber sein, sag ich, daß die jungen Damens was
brauchen. — Hast du gehört, was ich gesagt habe, sagt sie, und damit
springt sie auf mich los, und ich mache, daß ich fortkomme. Es ist zehn
Jahre her, Jungens, seit ich die Alte nicht gesehen habe, aber ich weiß
nicht, wie, als sie den Sprung that, machte ich natürlich, daß ich fortkam. —

Nun denn, indem ich mich ein oder zwei Tage dort herumtrieb, kriegte
ich zuletzt heraus, daß die nächste Woche Melindchens Geburtstag gefeiert
werden, und daß sie große Gesellschaft bei sich haben sollte. Ich sag' Euch,
Jungens, es sollte nicht lumpig bei dem Empfang hergehen. Das ganze
Haus war eine einzige Blume, so war es bekränzt, und es flammte von
Lichtern, und es gab kein Ende von Dienstvolk und Silberzeug und Er¬
frischungen und Kinkerlitzchen —" „Onkel Ion!" — „Nun." — „Wo kriegten
Sie denn das Geld dazu her?" — Plunkett warf dem, der ihn unterbrochen
einen strengen Blick zu. „Ich habe ja immer gesagt, daß ich, wie ich heim¬
reiste, eine Anweisung auf zehntausend Dollars vorausschickte. Ich habe das
immer gesagt, nicht wahr? Nun?" Seine gute Laune kehrte schnell zurück,
und mit einem leichten inwendigen Kichern fuhr er fort: „Ich ging in den
größten Juwelierladen der Stadt und kaufte ein Paar Diamantohrringe,
steckte sie in meine Tasche und ging nach dem Hause. „Ihr Name?" sagt
der Kerl, welcher mir die Thür aufmachte, und der wie ein Mittelding
zwischen einem Kellner und einem Pastor aussah. Skeesicks, sagte ich. Er
nimmt mich nun mit nein, und ziemlich bald kommt meine Frau in das
Empfangszimmer reingesegelt und sagt: Entschuldigen Sie, aber ich denke
nicht, daß ich den Namen kenne. Sie war schreckbar höflich; denn ich hatte
eine rothe Perücke auf und einen rothen Backenbart angemacht. — Ein
Freund Ihres Herrn Gemahls aus Californien, mit einem Präsent für Ihre
Tochter, Fräulein — und ich that, als ob ich den Namen vergessen hätte
Aber auf einmal sagte da 'ne Stimme: Na, das ist doch zu durchsichtig, und
herein kam Melindchen. Na, das heiß ich mir doch ziemlich schlecht Theater
spielen, Vater — zu thun, als ob Du den Namen Deiner Tochter nicht
wüßtest — ist's nicht wahr? Wie geht Dir's, Alter? Und damit reißt sie
mir die Perücke und den Backenbart herunter und fällt mir mit ausgebreiteten
Armen um den Hals — Jnstinct, Jungens, reiner Jnstinct."

Nicht viele Leute glauben dem Ulysses von Monte Flat diese Geschichte-
Ja eigentlich hält sie nur sein Freund Henry Uork für wahr, der sich in
aller Form sogar in Melinda verliebt. Eben soll auf das Zeugniß eines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/352>, abgerufen am 06.02.2025.