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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Mannes hin, der Plunkett jene ganzen drei Jahre in Sonors gesehen, die
Lügenhaftigkeit des alten Aufschneiders constatirt werden, als Uork für ihn
eintritt, indem er versichert, ihm in Neuyork begegnet zu sein. Plunkett ist
hiervon so überrascht, daß er sich selbst für wahnsinnig hält und mit einem
Hilden Schrei in Krämpfen zu Boden sinkt. Als er in York's Hütte wieder
zu sich kommt, gewinnt er die Ueberzeugung, daß auch dieser die Unwahrheit
gesagt, als er ihn in Neuyork gesehen zu haben erklärt, und nun macht er
schlechte Witze, ohne zu empfinden, daß er auch seinen Freund getäuscht hat,
dem die Photographie Melinda's, die in Wahrheit die einer Schauspielerin in
San Francisco ist, inzwischen zu einem Idol geworden. Die rechte Photo¬
graphie findet sich unter Papieren, die den halbbetrunkenen Plunkett aus der
Tasche fallen, dazu ein Brief des Mädchens, und beide zeigen das reine
Gegentheil von leiblicher und geistiger Schönheit. Dennoch läßt Uork's gutes
Herz nicht von dem alten Lügenvater. Ein reicher Goldfund setzt ihn in
den Stand, nach Neuyork zu reisen, und von dort bringt er die Familie Plun-
kett's mit, in der Hoffnung, denselben damit zu erfreuen, aber mit üblem
Erfolg. Als die Frauen auf den Alten zueilen, bricht er in hellen Wahn¬
sinn aus.

"'s ist Alles Schwindel und Lüge!" schrie er. "Die sind nicht mein
Fleisch und Blut, nicht Verwandte von mir. Es ist nicht meine Frau und
ist nicht mein Kind. Meine Tochter ist ein schönes Mädchen -- ein schönes
Mädchen -- hört Jhr's wohl? Sie ist in Neuyork bei ihrer Mutter, und
ich bin im Begriffe, sie hierher zu holen. Ich sagte, ich wollte heimgehen,
und ich bin daheim gewesen -- hört Jhr's wohl. -- Ich bin zu Hause ge¬
wesen! Es ist eine niederträchtige Posse, die ihr mit mir altem Manne treibt,
^äßt mich gehen -- hört Jhr's wohl? Haltet mir diese Frauenzimmer vom
Leibe! Laßt mich gehen. Ich gehe heim -- ich gehe heim." -- Er streckte
seine Arme krampfhaft in die Höhe und fiel auf den Boden hin. Sie hoben
ihn rasch auf, aber zu spät. Er war heimgegangen."-

"Sylvesters Kindchen", die nächste Erzählung, schildert in höchst
Ergötzlicher Weise die Geschichte eines jungen Bären, den der Verfasser sehr
lung in der Hütte eines Freundes im Gebirge kennen lernt, und mit dem er,
nachdem er ihn bei der Abreise jenes Freundes nach dem Osten als Pflege-
^ter zu sich ins Haus genommen, allerlei wunderliche und verdrießliche
Dinge erlebt.

"Wan Lee, der Heide" ist die Geschichte eines chinesischen Knaben,
der, unter den Zaubergesängen eines Taschenspielers auf geheimnißvolle Weise
^or den Augen des Verfassers entstanden, später dessen Lausbursche wird, als
solcher allerhand Unfug treibt, dann aber unter dem Einfluß eines kleinen
guten Mädchens sittlich zu gedeihen beginnt und jetzt ohne Zweifel ein respec-


Mannes hin, der Plunkett jene ganzen drei Jahre in Sonors gesehen, die
Lügenhaftigkeit des alten Aufschneiders constatirt werden, als Uork für ihn
eintritt, indem er versichert, ihm in Neuyork begegnet zu sein. Plunkett ist
hiervon so überrascht, daß er sich selbst für wahnsinnig hält und mit einem
Hilden Schrei in Krämpfen zu Boden sinkt. Als er in York's Hütte wieder
zu sich kommt, gewinnt er die Ueberzeugung, daß auch dieser die Unwahrheit
gesagt, als er ihn in Neuyork gesehen zu haben erklärt, und nun macht er
schlechte Witze, ohne zu empfinden, daß er auch seinen Freund getäuscht hat,
dem die Photographie Melinda's, die in Wahrheit die einer Schauspielerin in
San Francisco ist, inzwischen zu einem Idol geworden. Die rechte Photo¬
graphie findet sich unter Papieren, die den halbbetrunkenen Plunkett aus der
Tasche fallen, dazu ein Brief des Mädchens, und beide zeigen das reine
Gegentheil von leiblicher und geistiger Schönheit. Dennoch läßt Uork's gutes
Herz nicht von dem alten Lügenvater. Ein reicher Goldfund setzt ihn in
den Stand, nach Neuyork zu reisen, und von dort bringt er die Familie Plun-
kett's mit, in der Hoffnung, denselben damit zu erfreuen, aber mit üblem
Erfolg. Als die Frauen auf den Alten zueilen, bricht er in hellen Wahn¬
sinn aus.

„'s ist Alles Schwindel und Lüge!" schrie er. „Die sind nicht mein
Fleisch und Blut, nicht Verwandte von mir. Es ist nicht meine Frau und
ist nicht mein Kind. Meine Tochter ist ein schönes Mädchen — ein schönes
Mädchen — hört Jhr's wohl? Sie ist in Neuyork bei ihrer Mutter, und
ich bin im Begriffe, sie hierher zu holen. Ich sagte, ich wollte heimgehen,
und ich bin daheim gewesen — hört Jhr's wohl. — Ich bin zu Hause ge¬
wesen! Es ist eine niederträchtige Posse, die ihr mit mir altem Manne treibt,
^äßt mich gehen — hört Jhr's wohl? Haltet mir diese Frauenzimmer vom
Leibe! Laßt mich gehen. Ich gehe heim — ich gehe heim." — Er streckte
seine Arme krampfhaft in die Höhe und fiel auf den Boden hin. Sie hoben
ihn rasch auf, aber zu spät. Er war heimgegangen."-

„Sylvesters Kindchen", die nächste Erzählung, schildert in höchst
Ergötzlicher Weise die Geschichte eines jungen Bären, den der Verfasser sehr
lung in der Hütte eines Freundes im Gebirge kennen lernt, und mit dem er,
nachdem er ihn bei der Abreise jenes Freundes nach dem Osten als Pflege-
^ter zu sich ins Haus genommen, allerlei wunderliche und verdrießliche
Dinge erlebt.

„Wan Lee, der Heide" ist die Geschichte eines chinesischen Knaben,
der, unter den Zaubergesängen eines Taschenspielers auf geheimnißvolle Weise
^or den Augen des Verfassers entstanden, später dessen Lausbursche wird, als
solcher allerhand Unfug treibt, dann aber unter dem Einfluß eines kleinen
guten Mädchens sittlich zu gedeihen beginnt und jetzt ohne Zweifel ein respec-


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[0353] Mannes hin, der Plunkett jene ganzen drei Jahre in Sonors gesehen, die Lügenhaftigkeit des alten Aufschneiders constatirt werden, als Uork für ihn eintritt, indem er versichert, ihm in Neuyork begegnet zu sein. Plunkett ist hiervon so überrascht, daß er sich selbst für wahnsinnig hält und mit einem Hilden Schrei in Krämpfen zu Boden sinkt. Als er in York's Hütte wieder zu sich kommt, gewinnt er die Ueberzeugung, daß auch dieser die Unwahrheit gesagt, als er ihn in Neuyork gesehen zu haben erklärt, und nun macht er schlechte Witze, ohne zu empfinden, daß er auch seinen Freund getäuscht hat, dem die Photographie Melinda's, die in Wahrheit die einer Schauspielerin in San Francisco ist, inzwischen zu einem Idol geworden. Die rechte Photo¬ graphie findet sich unter Papieren, die den halbbetrunkenen Plunkett aus der Tasche fallen, dazu ein Brief des Mädchens, und beide zeigen das reine Gegentheil von leiblicher und geistiger Schönheit. Dennoch läßt Uork's gutes Herz nicht von dem alten Lügenvater. Ein reicher Goldfund setzt ihn in den Stand, nach Neuyork zu reisen, und von dort bringt er die Familie Plun- kett's mit, in der Hoffnung, denselben damit zu erfreuen, aber mit üblem Erfolg. Als die Frauen auf den Alten zueilen, bricht er in hellen Wahn¬ sinn aus. „'s ist Alles Schwindel und Lüge!" schrie er. „Die sind nicht mein Fleisch und Blut, nicht Verwandte von mir. Es ist nicht meine Frau und ist nicht mein Kind. Meine Tochter ist ein schönes Mädchen — ein schönes Mädchen — hört Jhr's wohl? Sie ist in Neuyork bei ihrer Mutter, und ich bin im Begriffe, sie hierher zu holen. Ich sagte, ich wollte heimgehen, und ich bin daheim gewesen — hört Jhr's wohl. — Ich bin zu Hause ge¬ wesen! Es ist eine niederträchtige Posse, die ihr mit mir altem Manne treibt, ^äßt mich gehen — hört Jhr's wohl? Haltet mir diese Frauenzimmer vom Leibe! Laßt mich gehen. Ich gehe heim — ich gehe heim." — Er streckte seine Arme krampfhaft in die Höhe und fiel auf den Boden hin. Sie hoben ihn rasch auf, aber zu spät. Er war heimgegangen."- „Sylvesters Kindchen", die nächste Erzählung, schildert in höchst Ergötzlicher Weise die Geschichte eines jungen Bären, den der Verfasser sehr lung in der Hütte eines Freundes im Gebirge kennen lernt, und mit dem er, nachdem er ihn bei der Abreise jenes Freundes nach dem Osten als Pflege- ^ter zu sich ins Haus genommen, allerlei wunderliche und verdrießliche Dinge erlebt. „Wan Lee, der Heide" ist die Geschichte eines chinesischen Knaben, der, unter den Zaubergesängen eines Taschenspielers auf geheimnißvolle Weise ^or den Augen des Verfassers entstanden, später dessen Lausbursche wird, als solcher allerhand Unfug treibt, dann aber unter dem Einfluß eines kleinen guten Mädchens sittlich zu gedeihen beginnt und jetzt ohne Zweifel ein respec-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/353>, abgerufen am 06.02.2025.