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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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engagirte Zeitungsträger mit der Morgenlectüre versorgt. Die in englischer
Sprache erscheinenden Blätter werden durch meistens ganz junge Knaben
verkauft. Lang vor 5 Uhr des Morgens sammeln sich diese in dichter Schaar
vor den palastähnlichen Zeitungsexpeditions-Gebäuden um ihren Waaren-
Vorrath gegen baare Bezahlung in Empfang zu nehmen. Diese Jungen
fangen mit einem kleinen Capital an, mit einem halben, einem ganzen Dollar,
auf eigene Rechnung Blätter zu kaufen, um mit dem Gewinn der verkauften
mehr und mehr Geld ins Geschäft stecken zu können. Sie erhalten die großen
Zeitungen, die meistens für S Ces. die Nummer verkauft werden, für 3 Ces.
geliefert, und arbeiten dann, wie die Bienen, bei Sonnenschein und Regen,
bei tropischer Hitze und arktischer Kälte, ihre Waare schnell anzubringen, um,
MFnn die Morgenstunden nicht schon zu weit vorgeschritten, sich auf's Neue
mit "Stock of träte" zu versehen. Schon in den frühesten Morgenstunden,
wenn der spät nach Hause Gekommene sich noch gerne ein Mal zu weiterem
Schlafe im Bette wenden möchte, wird er gestört durch die hellen, schrillen
Kinderstimmen, die mit lang gezogenem Ruf ihre "Morning Papers" anpreisen,
die unermüdlich von Straße zu Straße, von Haus zu Haus ihren Ruf von
Neuem erschallen lassen. Kein Pferdebahnwagen fährt ihnen zu rasch, sie
springen behende darauf, durchgehen denselben und verkaufen ihre News, wie
ein beliebter Bäcker seine frischesten Semmeln. Kaum aber ist der Eine behend
herabgehüpft, um den nächsten aufwärts fahrenden Car zu besteigen, so
klettert auch schon ein Zweiter kleiner Intelligenz-Verbreiter heran, der eben¬
falls von seiner Waare Etliches absetzt, denn er handelt in einem Artikel
ganz andrer politischer Farbe wie sein Vorgänger. Wie emsig diese kleinen
Knaben sind, erhellt daraus, daß fast ausschließlich durch sie, bis 10 Uhr
früh, die Hunderttausende der Leser der Morgenblätter versorgt sind.

Was am Morgen gelesen wurde, ist hier zu Mittag aber schon alt.
Am Nachmittag verlangt der Amerikaner wieder Neuigkeiten, über Politik,
Handel, Gewerbe, Börse :c. zu lesen und so giebt es in allen großen Städten
der Union mehrere erscheinende Abendzeitungen, die in 2--4- Ausgaben
Zwischen 1 bis 5 Uhr verkauft werden. In diesen wird dem heimkehrenden
Kaufmann und Gewerbtreibenden berichtet über die neuesten politischen Be¬
gebenheiten, über die Fluctuationen des Handels zu Hause und in der Ferne,
über die Ankunft und Abfahrt von Schiffen im Hafen der Heimath, und des
fernsten Erdtheils. Auch dieser Blätter bemächtigen sich die News Boys,
und je länger die Abendschatten werden, je mehr sich mit denselben die
Möglichkeit eröffnet, daß sie gar von den Blättern einige als todte Waare
behalten könnten, um so erfinderischer werden die Kleinen im Ausrufen der
schrecklichsten Begebenheiten, der kühnsten Combinationen in Politik und Handel.

Ueber den schnellen Witz, die Schlagfertigkett dieser Jungen habe ich


engagirte Zeitungsträger mit der Morgenlectüre versorgt. Die in englischer
Sprache erscheinenden Blätter werden durch meistens ganz junge Knaben
verkauft. Lang vor 5 Uhr des Morgens sammeln sich diese in dichter Schaar
vor den palastähnlichen Zeitungsexpeditions-Gebäuden um ihren Waaren-
Vorrath gegen baare Bezahlung in Empfang zu nehmen. Diese Jungen
fangen mit einem kleinen Capital an, mit einem halben, einem ganzen Dollar,
auf eigene Rechnung Blätter zu kaufen, um mit dem Gewinn der verkauften
mehr und mehr Geld ins Geschäft stecken zu können. Sie erhalten die großen
Zeitungen, die meistens für S Ces. die Nummer verkauft werden, für 3 Ces.
geliefert, und arbeiten dann, wie die Bienen, bei Sonnenschein und Regen,
bei tropischer Hitze und arktischer Kälte, ihre Waare schnell anzubringen, um,
MFnn die Morgenstunden nicht schon zu weit vorgeschritten, sich auf's Neue
mit „Stock of träte" zu versehen. Schon in den frühesten Morgenstunden,
wenn der spät nach Hause Gekommene sich noch gerne ein Mal zu weiterem
Schlafe im Bette wenden möchte, wird er gestört durch die hellen, schrillen
Kinderstimmen, die mit lang gezogenem Ruf ihre „Morning Papers" anpreisen,
die unermüdlich von Straße zu Straße, von Haus zu Haus ihren Ruf von
Neuem erschallen lassen. Kein Pferdebahnwagen fährt ihnen zu rasch, sie
springen behende darauf, durchgehen denselben und verkaufen ihre News, wie
ein beliebter Bäcker seine frischesten Semmeln. Kaum aber ist der Eine behend
herabgehüpft, um den nächsten aufwärts fahrenden Car zu besteigen, so
klettert auch schon ein Zweiter kleiner Intelligenz-Verbreiter heran, der eben¬
falls von seiner Waare Etliches absetzt, denn er handelt in einem Artikel
ganz andrer politischer Farbe wie sein Vorgänger. Wie emsig diese kleinen
Knaben sind, erhellt daraus, daß fast ausschließlich durch sie, bis 10 Uhr
früh, die Hunderttausende der Leser der Morgenblätter versorgt sind.

Was am Morgen gelesen wurde, ist hier zu Mittag aber schon alt.
Am Nachmittag verlangt der Amerikaner wieder Neuigkeiten, über Politik,
Handel, Gewerbe, Börse :c. zu lesen und so giebt es in allen großen Städten
der Union mehrere erscheinende Abendzeitungen, die in 2—4- Ausgaben
Zwischen 1 bis 5 Uhr verkauft werden. In diesen wird dem heimkehrenden
Kaufmann und Gewerbtreibenden berichtet über die neuesten politischen Be¬
gebenheiten, über die Fluctuationen des Handels zu Hause und in der Ferne,
über die Ankunft und Abfahrt von Schiffen im Hafen der Heimath, und des
fernsten Erdtheils. Auch dieser Blätter bemächtigen sich die News Boys,
und je länger die Abendschatten werden, je mehr sich mit denselben die
Möglichkeit eröffnet, daß sie gar von den Blättern einige als todte Waare
behalten könnten, um so erfinderischer werden die Kleinen im Ausrufen der
schrecklichsten Begebenheiten, der kühnsten Combinationen in Politik und Handel.

Ueber den schnellen Witz, die Schlagfertigkett dieser Jungen habe ich


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[0319] engagirte Zeitungsträger mit der Morgenlectüre versorgt. Die in englischer Sprache erscheinenden Blätter werden durch meistens ganz junge Knaben verkauft. Lang vor 5 Uhr des Morgens sammeln sich diese in dichter Schaar vor den palastähnlichen Zeitungsexpeditions-Gebäuden um ihren Waaren- Vorrath gegen baare Bezahlung in Empfang zu nehmen. Diese Jungen fangen mit einem kleinen Capital an, mit einem halben, einem ganzen Dollar, auf eigene Rechnung Blätter zu kaufen, um mit dem Gewinn der verkauften mehr und mehr Geld ins Geschäft stecken zu können. Sie erhalten die großen Zeitungen, die meistens für S Ces. die Nummer verkauft werden, für 3 Ces. geliefert, und arbeiten dann, wie die Bienen, bei Sonnenschein und Regen, bei tropischer Hitze und arktischer Kälte, ihre Waare schnell anzubringen, um, MFnn die Morgenstunden nicht schon zu weit vorgeschritten, sich auf's Neue mit „Stock of träte" zu versehen. Schon in den frühesten Morgenstunden, wenn der spät nach Hause Gekommene sich noch gerne ein Mal zu weiterem Schlafe im Bette wenden möchte, wird er gestört durch die hellen, schrillen Kinderstimmen, die mit lang gezogenem Ruf ihre „Morning Papers" anpreisen, die unermüdlich von Straße zu Straße, von Haus zu Haus ihren Ruf von Neuem erschallen lassen. Kein Pferdebahnwagen fährt ihnen zu rasch, sie springen behende darauf, durchgehen denselben und verkaufen ihre News, wie ein beliebter Bäcker seine frischesten Semmeln. Kaum aber ist der Eine behend herabgehüpft, um den nächsten aufwärts fahrenden Car zu besteigen, so klettert auch schon ein Zweiter kleiner Intelligenz-Verbreiter heran, der eben¬ falls von seiner Waare Etliches absetzt, denn er handelt in einem Artikel ganz andrer politischer Farbe wie sein Vorgänger. Wie emsig diese kleinen Knaben sind, erhellt daraus, daß fast ausschließlich durch sie, bis 10 Uhr früh, die Hunderttausende der Leser der Morgenblätter versorgt sind. Was am Morgen gelesen wurde, ist hier zu Mittag aber schon alt. Am Nachmittag verlangt der Amerikaner wieder Neuigkeiten, über Politik, Handel, Gewerbe, Börse :c. zu lesen und so giebt es in allen großen Städten der Union mehrere erscheinende Abendzeitungen, die in 2—4- Ausgaben Zwischen 1 bis 5 Uhr verkauft werden. In diesen wird dem heimkehrenden Kaufmann und Gewerbtreibenden berichtet über die neuesten politischen Be¬ gebenheiten, über die Fluctuationen des Handels zu Hause und in der Ferne, über die Ankunft und Abfahrt von Schiffen im Hafen der Heimath, und des fernsten Erdtheils. Auch dieser Blätter bemächtigen sich die News Boys, und je länger die Abendschatten werden, je mehr sich mit denselben die Möglichkeit eröffnet, daß sie gar von den Blättern einige als todte Waare behalten könnten, um so erfinderischer werden die Kleinen im Ausrufen der schrecklichsten Begebenheiten, der kühnsten Combinationen in Politik und Handel. Ueber den schnellen Witz, die Schlagfertigkett dieser Jungen habe ich

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/319>, abgerufen am 06.02.2025.