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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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diese Blätter, neben der Zusammenfassung der politischen Ereignisse des Jn-
und Auslandes, bald dieses bald jenes Gebiet der Wissenschaften. So z. B.
sind seit Januar d, I. in der "Weeckly Tribune" schon 3 Mal spaltenlange
Aufsätze über den Venus-Durchgang erschienen, in welchen derselbe ausführlich
wissenschaftlich, mit Zeichnungen illustrirt. beschrieben ist. Die Zeitungs-Re¬
daction würde solchen trockenen, wissenschaftlichen Abhandlungen sicherlich
nicht soviel ihres kostbaren Raumes widmen, wenn sie nicht einem allgemeinen
Bedürfniß der Leser damit entgegen zu kommen glaubte. Die meisten Leser
der wöchentlichen Tribune sind aber, wie oben erwähnt, Farmer, Bauern! --
Daß die Bevölkerungsklasfe der Bauern aber hier auch für Höheres sich in-
teressirt, verdankt das amerikanische Volk wesentlich mit der besseren Presse,
die Alles aufbietet, um das Interesse ihrer Leser für Hohes und Großes zu er¬
wecken und heranzubilden. Wie die Tribune, behandeln auch die Wochen-
Ausgaben der übrigen großen Blätter mehr oder weniger ausführlich dieselben
oder verwandte Gebiete. Die Wochen-Ausgaben der deutschen hiesigen
Blätter bieten ihren Lesern ebenfalls vorzugsweise Aufsätze wissenschaftlichen,
socialpolitischen, geschichtlichen Inhaltes, und so kommt es, daß der Leserkreis
dieser Zeitungen ein ganz anderer und meist viel gebildeterer ist, als der der
Tagesausgaben derselben Zeitungen.

Von der Million Menschen, die hier in New-York leben, theilt sich das
zeitungslesende Publikum in die 8 großen täglich erscheinenden Blätter. Die
meisten Exemplare setzen Herald, Sun, Tribune, Times und Staatszeitung
ab. Die ersteren beiden haben eine tägliche Auflage von über 100000,
während die Staatszeitung eine solche von etwa 20000 hat. Die Blätter
andrer Städte haben eine der Bevölkerungszahl der Städte angemessene
Verbreitung. Hier lesen die Frauen, besonders die Amerikanerinnen fast mit
demselben Eifer Zeitungen, wie die Männer, und nicht selten hält sich die
Frau das der politischen Ansicht des Mannes entgegengesetzte Blatt. Allge¬
mein ist das Bedürfniß, so früh des Morgens wie nur möglich die Zeitung'
zu lesen. Die Morgenzeitung ist eine ebenso unumgängliche Zuthat des
amerikanischen Frühstücks, wie Kaffee oder Brod.

Die Zeitungen kommen im Sommer um 5 Uhr, im Winter um K Uhr
"auf die Straße", und werden nicht nur in alle Häuser der Leser durch
flinke Jungen gebracht, sondern auf jedem Frühzug, der die Stadt verläßt,
fliegen Massen der Morgenblätter in die Landbezirke hinaus, so daß nach
wenigen Stunden hier der Bauer und Bürger kleiner Städte, der 60 bis
100 engl. Meilen von der größeren Stadt entfernt wohnt, die Zeitung der
Hauptstadt lesen kann. Der Vertrieb in den Städten ist ein dem hiesigen
Land ganz angemessener, er wird, glaube ich, nur hier so betrieben. Nur
wenige Kunden, wohl nur die der deutschen Blätter, werden durch regelmäßig


diese Blätter, neben der Zusammenfassung der politischen Ereignisse des Jn-
und Auslandes, bald dieses bald jenes Gebiet der Wissenschaften. So z. B.
sind seit Januar d, I. in der „Weeckly Tribune" schon 3 Mal spaltenlange
Aufsätze über den Venus-Durchgang erschienen, in welchen derselbe ausführlich
wissenschaftlich, mit Zeichnungen illustrirt. beschrieben ist. Die Zeitungs-Re¬
daction würde solchen trockenen, wissenschaftlichen Abhandlungen sicherlich
nicht soviel ihres kostbaren Raumes widmen, wenn sie nicht einem allgemeinen
Bedürfniß der Leser damit entgegen zu kommen glaubte. Die meisten Leser
der wöchentlichen Tribune sind aber, wie oben erwähnt, Farmer, Bauern! —
Daß die Bevölkerungsklasfe der Bauern aber hier auch für Höheres sich in-
teressirt, verdankt das amerikanische Volk wesentlich mit der besseren Presse,
die Alles aufbietet, um das Interesse ihrer Leser für Hohes und Großes zu er¬
wecken und heranzubilden. Wie die Tribune, behandeln auch die Wochen-
Ausgaben der übrigen großen Blätter mehr oder weniger ausführlich dieselben
oder verwandte Gebiete. Die Wochen-Ausgaben der deutschen hiesigen
Blätter bieten ihren Lesern ebenfalls vorzugsweise Aufsätze wissenschaftlichen,
socialpolitischen, geschichtlichen Inhaltes, und so kommt es, daß der Leserkreis
dieser Zeitungen ein ganz anderer und meist viel gebildeterer ist, als der der
Tagesausgaben derselben Zeitungen.

Von der Million Menschen, die hier in New-York leben, theilt sich das
zeitungslesende Publikum in die 8 großen täglich erscheinenden Blätter. Die
meisten Exemplare setzen Herald, Sun, Tribune, Times und Staatszeitung
ab. Die ersteren beiden haben eine tägliche Auflage von über 100000,
während die Staatszeitung eine solche von etwa 20000 hat. Die Blätter
andrer Städte haben eine der Bevölkerungszahl der Städte angemessene
Verbreitung. Hier lesen die Frauen, besonders die Amerikanerinnen fast mit
demselben Eifer Zeitungen, wie die Männer, und nicht selten hält sich die
Frau das der politischen Ansicht des Mannes entgegengesetzte Blatt. Allge¬
mein ist das Bedürfniß, so früh des Morgens wie nur möglich die Zeitung'
zu lesen. Die Morgenzeitung ist eine ebenso unumgängliche Zuthat des
amerikanischen Frühstücks, wie Kaffee oder Brod.

Die Zeitungen kommen im Sommer um 5 Uhr, im Winter um K Uhr
„auf die Straße", und werden nicht nur in alle Häuser der Leser durch
flinke Jungen gebracht, sondern auf jedem Frühzug, der die Stadt verläßt,
fliegen Massen der Morgenblätter in die Landbezirke hinaus, so daß nach
wenigen Stunden hier der Bauer und Bürger kleiner Städte, der 60 bis
100 engl. Meilen von der größeren Stadt entfernt wohnt, die Zeitung der
Hauptstadt lesen kann. Der Vertrieb in den Städten ist ein dem hiesigen
Land ganz angemessener, er wird, glaube ich, nur hier so betrieben. Nur
wenige Kunden, wohl nur die der deutschen Blätter, werden durch regelmäßig


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[0318] diese Blätter, neben der Zusammenfassung der politischen Ereignisse des Jn- und Auslandes, bald dieses bald jenes Gebiet der Wissenschaften. So z. B. sind seit Januar d, I. in der „Weeckly Tribune" schon 3 Mal spaltenlange Aufsätze über den Venus-Durchgang erschienen, in welchen derselbe ausführlich wissenschaftlich, mit Zeichnungen illustrirt. beschrieben ist. Die Zeitungs-Re¬ daction würde solchen trockenen, wissenschaftlichen Abhandlungen sicherlich nicht soviel ihres kostbaren Raumes widmen, wenn sie nicht einem allgemeinen Bedürfniß der Leser damit entgegen zu kommen glaubte. Die meisten Leser der wöchentlichen Tribune sind aber, wie oben erwähnt, Farmer, Bauern! — Daß die Bevölkerungsklasfe der Bauern aber hier auch für Höheres sich in- teressirt, verdankt das amerikanische Volk wesentlich mit der besseren Presse, die Alles aufbietet, um das Interesse ihrer Leser für Hohes und Großes zu er¬ wecken und heranzubilden. Wie die Tribune, behandeln auch die Wochen- Ausgaben der übrigen großen Blätter mehr oder weniger ausführlich dieselben oder verwandte Gebiete. Die Wochen-Ausgaben der deutschen hiesigen Blätter bieten ihren Lesern ebenfalls vorzugsweise Aufsätze wissenschaftlichen, socialpolitischen, geschichtlichen Inhaltes, und so kommt es, daß der Leserkreis dieser Zeitungen ein ganz anderer und meist viel gebildeterer ist, als der der Tagesausgaben derselben Zeitungen. Von der Million Menschen, die hier in New-York leben, theilt sich das zeitungslesende Publikum in die 8 großen täglich erscheinenden Blätter. Die meisten Exemplare setzen Herald, Sun, Tribune, Times und Staatszeitung ab. Die ersteren beiden haben eine tägliche Auflage von über 100000, während die Staatszeitung eine solche von etwa 20000 hat. Die Blätter andrer Städte haben eine der Bevölkerungszahl der Städte angemessene Verbreitung. Hier lesen die Frauen, besonders die Amerikanerinnen fast mit demselben Eifer Zeitungen, wie die Männer, und nicht selten hält sich die Frau das der politischen Ansicht des Mannes entgegengesetzte Blatt. Allge¬ mein ist das Bedürfniß, so früh des Morgens wie nur möglich die Zeitung' zu lesen. Die Morgenzeitung ist eine ebenso unumgängliche Zuthat des amerikanischen Frühstücks, wie Kaffee oder Brod. Die Zeitungen kommen im Sommer um 5 Uhr, im Winter um K Uhr „auf die Straße", und werden nicht nur in alle Häuser der Leser durch flinke Jungen gebracht, sondern auf jedem Frühzug, der die Stadt verläßt, fliegen Massen der Morgenblätter in die Landbezirke hinaus, so daß nach wenigen Stunden hier der Bauer und Bürger kleiner Städte, der 60 bis 100 engl. Meilen von der größeren Stadt entfernt wohnt, die Zeitung der Hauptstadt lesen kann. Der Vertrieb in den Städten ist ein dem hiesigen Land ganz angemessener, er wird, glaube ich, nur hier so betrieben. Nur wenige Kunden, wohl nur die der deutschen Blätter, werden durch regelmäßig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/318>, abgerufen am 06.02.2025.