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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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ließ sich schon eher ein unternehmender Gönner, d. h. Verleger finden.
Man darf auch nicht außer Acht lassen, daß wie heut zu Tage, so auch da¬
mals, manche am lebendigen Wort größeren Geschmack fanden als an dem
Lesen, welches überdieß zu jener Zeit nicht so leicht und glatt von Statten
ging als bei unserem heutigen Druck.

Denn war auch das Manuscript, das heißt waren die Copien correct und
leserlich, was nicht immer der Fall war, so verursachte doch der vollständige
Mangel jeder Jnterpunction, verursachten ferner die tachygraphischen (steno¬
graphischen) Abkürzungen, welche seit Cicero's Zeiten behufs rascheren Zustande¬
kommens der Arbeit Aufnahme gefunden hatten, jedem nicht ganz geübten
Auge einige Mühe. Wir kennen nun freilich Ovid's buchhändlerische Comme-
5lonen und Usancen nicht, wissen nicht, ob und welches Honorar er bezogen
-~ es findet sich nirgends eine Erzählung bei ihm, daß er aus seiner Feder
eine Quelle des Gelderwerbs gemacht habe --, aber wenn uns das Beispiel
seines älteren Zeitgenossen Horaz zu einem Schluß berechtigen darf, wenn wir
^fahren, daß der Dichter Varius, Horazens intimer Freund, für ein einziges
Trauerspiel von dem freigebigen Augustus einen "Ehrensold" von einer Million
Sesterzen (d. h. beinahe 160,000 Mark) erhielt, wenn ferner, nach der
Sage, Vergil ein Vermögen von einigen Millionen solcher Sesterzen hinter¬
ließ, so enthält die Annahme, daß auch Ovid neben den Musen den Mercur
^icht außer Augen werde gelassen haben, wenigstens keinen Widerspruch.
*

Zwischen der freigebigen Laune eines fürstlichen Gönners und einem
Vuchhä'ndlerhonorar ist freilich ein großer Unterschied, auch wird sich Augustus
"icht beeilt haben, einen Dichter, den er in keinem Fall so vertrauten per¬
sönlichen Umganges gewürdigt hat, wie den Horaz oder wie der erste Mi-
nister Mäcenas das Doppelgestirn Horaz und Vergil für die gleichen Gedichte
on belohnen, um derentwillen er ihn nachträglich mit der furchtbaren Strafe
der Verbannung belegte, aber wenn anderen der Goldregen aus zwei
Quellen zuströmte, so wird Ovid wohl gegen die eine nicht allzuspröde
gewesen sein. --

Wir würden von ihm auch ohne seine Versicherung voraussetzen, daß er
seiner Lust und Leichtigkeit zu fabuliren fröhlich nachgegeben und viel zusam¬
mengeschrieben habe; um so mehr müssen wir es an ihm schätzen, daß er trotz
teuer Eigenschaften und trotz der gefährlichsten unter ihnen, seiner Jugend,
dennoch Kritik an sich selber übte und daß der Dichter Ovid, was dem stren¬
gen Auge des Kritikers Ovid nicht gefiel, den Flammen preisgab. Dieser
Umstand hängt jedenfalls mit der Wahrnehmung zusammen, daß die antiken
Dichter strenger gegen sich selber und ihre Produkte waren und eine größere,
^"n möchte sagen keuschere Scheu vor der Heiligkeit der Poesie zu ihrem
dichterischen Schaffen mitbrachten, als, bei sonst gleicher Begabung, die


ließ sich schon eher ein unternehmender Gönner, d. h. Verleger finden.
Man darf auch nicht außer Acht lassen, daß wie heut zu Tage, so auch da¬
mals, manche am lebendigen Wort größeren Geschmack fanden als an dem
Lesen, welches überdieß zu jener Zeit nicht so leicht und glatt von Statten
ging als bei unserem heutigen Druck.

Denn war auch das Manuscript, das heißt waren die Copien correct und
leserlich, was nicht immer der Fall war, so verursachte doch der vollständige
Mangel jeder Jnterpunction, verursachten ferner die tachygraphischen (steno¬
graphischen) Abkürzungen, welche seit Cicero's Zeiten behufs rascheren Zustande¬
kommens der Arbeit Aufnahme gefunden hatten, jedem nicht ganz geübten
Auge einige Mühe. Wir kennen nun freilich Ovid's buchhändlerische Comme-
5lonen und Usancen nicht, wissen nicht, ob und welches Honorar er bezogen
-~ es findet sich nirgends eine Erzählung bei ihm, daß er aus seiner Feder
eine Quelle des Gelderwerbs gemacht habe —, aber wenn uns das Beispiel
seines älteren Zeitgenossen Horaz zu einem Schluß berechtigen darf, wenn wir
^fahren, daß der Dichter Varius, Horazens intimer Freund, für ein einziges
Trauerspiel von dem freigebigen Augustus einen „Ehrensold" von einer Million
Sesterzen (d. h. beinahe 160,000 Mark) erhielt, wenn ferner, nach der
Sage, Vergil ein Vermögen von einigen Millionen solcher Sesterzen hinter¬
ließ, so enthält die Annahme, daß auch Ovid neben den Musen den Mercur
^icht außer Augen werde gelassen haben, wenigstens keinen Widerspruch.
*

Zwischen der freigebigen Laune eines fürstlichen Gönners und einem
Vuchhä'ndlerhonorar ist freilich ein großer Unterschied, auch wird sich Augustus
"icht beeilt haben, einen Dichter, den er in keinem Fall so vertrauten per¬
sönlichen Umganges gewürdigt hat, wie den Horaz oder wie der erste Mi-
nister Mäcenas das Doppelgestirn Horaz und Vergil für die gleichen Gedichte
on belohnen, um derentwillen er ihn nachträglich mit der furchtbaren Strafe
der Verbannung belegte, aber wenn anderen der Goldregen aus zwei
Quellen zuströmte, so wird Ovid wohl gegen die eine nicht allzuspröde
gewesen sein. —

Wir würden von ihm auch ohne seine Versicherung voraussetzen, daß er
seiner Lust und Leichtigkeit zu fabuliren fröhlich nachgegeben und viel zusam¬
mengeschrieben habe; um so mehr müssen wir es an ihm schätzen, daß er trotz
teuer Eigenschaften und trotz der gefährlichsten unter ihnen, seiner Jugend,
dennoch Kritik an sich selber übte und daß der Dichter Ovid, was dem stren¬
gen Auge des Kritikers Ovid nicht gefiel, den Flammen preisgab. Dieser
Umstand hängt jedenfalls mit der Wahrnehmung zusammen, daß die antiken
Dichter strenger gegen sich selber und ihre Produkte waren und eine größere,
^"n möchte sagen keuschere Scheu vor der Heiligkeit der Poesie zu ihrem
dichterischen Schaffen mitbrachten, als, bei sonst gleicher Begabung, die


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[0291] ließ sich schon eher ein unternehmender Gönner, d. h. Verleger finden. Man darf auch nicht außer Acht lassen, daß wie heut zu Tage, so auch da¬ mals, manche am lebendigen Wort größeren Geschmack fanden als an dem Lesen, welches überdieß zu jener Zeit nicht so leicht und glatt von Statten ging als bei unserem heutigen Druck. Denn war auch das Manuscript, das heißt waren die Copien correct und leserlich, was nicht immer der Fall war, so verursachte doch der vollständige Mangel jeder Jnterpunction, verursachten ferner die tachygraphischen (steno¬ graphischen) Abkürzungen, welche seit Cicero's Zeiten behufs rascheren Zustande¬ kommens der Arbeit Aufnahme gefunden hatten, jedem nicht ganz geübten Auge einige Mühe. Wir kennen nun freilich Ovid's buchhändlerische Comme- 5lonen und Usancen nicht, wissen nicht, ob und welches Honorar er bezogen -~ es findet sich nirgends eine Erzählung bei ihm, daß er aus seiner Feder eine Quelle des Gelderwerbs gemacht habe —, aber wenn uns das Beispiel seines älteren Zeitgenossen Horaz zu einem Schluß berechtigen darf, wenn wir ^fahren, daß der Dichter Varius, Horazens intimer Freund, für ein einziges Trauerspiel von dem freigebigen Augustus einen „Ehrensold" von einer Million Sesterzen (d. h. beinahe 160,000 Mark) erhielt, wenn ferner, nach der Sage, Vergil ein Vermögen von einigen Millionen solcher Sesterzen hinter¬ ließ, so enthält die Annahme, daß auch Ovid neben den Musen den Mercur ^icht außer Augen werde gelassen haben, wenigstens keinen Widerspruch. * Zwischen der freigebigen Laune eines fürstlichen Gönners und einem Vuchhä'ndlerhonorar ist freilich ein großer Unterschied, auch wird sich Augustus "icht beeilt haben, einen Dichter, den er in keinem Fall so vertrauten per¬ sönlichen Umganges gewürdigt hat, wie den Horaz oder wie der erste Mi- nister Mäcenas das Doppelgestirn Horaz und Vergil für die gleichen Gedichte on belohnen, um derentwillen er ihn nachträglich mit der furchtbaren Strafe der Verbannung belegte, aber wenn anderen der Goldregen aus zwei Quellen zuströmte, so wird Ovid wohl gegen die eine nicht allzuspröde gewesen sein. — Wir würden von ihm auch ohne seine Versicherung voraussetzen, daß er seiner Lust und Leichtigkeit zu fabuliren fröhlich nachgegeben und viel zusam¬ mengeschrieben habe; um so mehr müssen wir es an ihm schätzen, daß er trotz teuer Eigenschaften und trotz der gefährlichsten unter ihnen, seiner Jugend, dennoch Kritik an sich selber übte und daß der Dichter Ovid, was dem stren¬ gen Auge des Kritikers Ovid nicht gefiel, den Flammen preisgab. Dieser Umstand hängt jedenfalls mit der Wahrnehmung zusammen, daß die antiken Dichter strenger gegen sich selber und ihre Produkte waren und eine größere, ^"n möchte sagen keuschere Scheu vor der Heiligkeit der Poesie zu ihrem dichterischen Schaffen mitbrachten, als, bei sonst gleicher Begabung, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/291>, abgerufen am 06.02.2025.