Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.befähigt und berechtigt hätten. Er nahm noch eine Zeit lang Theil an dieser Meistens, und im Verlaufe der Zeit immer mehr, war allerdings da¬ Bei den damaligen Mitteln literarischer Verbreitung war übrigens dieses befähigt und berechtigt hätten. Er nahm noch eine Zeit lang Theil an dieser Meistens, und im Verlaufe der Zeit immer mehr, war allerdings da¬ Bei den damaligen Mitteln literarischer Verbreitung war übrigens dieses <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133578"/> <p xml:id="ID_916" prev="#ID_915"> befähigt und berechtigt hätten. Er nahm noch eine Zeit lang Theil an dieser<lb/> oder jener Commission, übte auch richterliche Befugnisse, aber es bis zum Se¬<lb/> nator zu bringen, fühlte er weder den Trieb, noch auch die nöthige Kraft in<lb/> sich und so entschied er selber mit richtiger Einsicht über seinen ausschließlichen<lb/> Beruf. Einen anderen Ehrgeiz als den des Dichters kannte er nicht. Seine<lb/> Bildung entbehrte noch der Volk- und Menschenkenntniß; diesem Mangel<lb/> abzuhelfen, wurde nach Sitte der vornehmen Römerjünglinge eine Reise un¬<lb/> ternommen, welche ihn in Begleitung eines Freundes und Collegen, des epischen<lb/> Dichters Macer nach der Metropole der antiken Bildung und Wissenschaft,<lb/> Athen, in die berühmteren Städte Kleinasiens und nach den classischen<lb/> Stellen Siciliens führte. Nach seiner Rückkehr fand er Aufnahme in die rö¬<lb/> mischen Dichterkreise und wie er hier den Gefeierten mit Verehrung lauschte,<lb/> wenn sie ihre neuen Schöpfungen vortrugen, so wurden auch jene bald auf<lb/> das strebende junge Talent aufmerksam und von den noch jüngern wurde er<lb/> bewundert. Aber nicht nur im engeren Kreise der Mitstrebenden, sondern<lb/> auch in größeren Versammlungen neugieriger Zuhörer wagte der jugendliche<lb/> Dichter mit seinen Gedichten aufzutreten und zwar, als noch kaum das Scher¬<lb/> messer seinen Flaum berührt hatte. Diese öffentlichen Borlesungen, gleichsam<lb/> einen obersten ästhetischen Gerichtshof über Sein oder Nichtsein des armen<lb/> Dichters, hatte die Sitte geschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_917"> Meistens, und im Verlaufe der Zeit immer mehr, war allerdings da¬<lb/> für gesorgt, daß das geladene oder auch nicht geladene Publicum sich nicht<lb/> allzu kühl oder gar schroff und abweisend gegen die ihm gebotenen Genüsse be¬<lb/> nahm; das Gemurmel oder wohl gar der laute Ruf des Beifalls begleitete<lb/> selbst die schwachen Productionen, und wenn es nicht Freunde und Verwandte<lb/> waren, die sich zu solchen Kundgebungen ihres Bewunderns hinreißen ließen,<lb/> so leistete eine gemiethete Claque diese Ausgabe in tadellosester Weise, wenigstens<lb/> denjenigen, welche sich ihres heiligen apollinischen Berufes doch nicht ganz<lb/> sicher fühlten.</p><lb/> <p xml:id="ID_918" next="#ID_919"> Bei den damaligen Mitteln literarischer Verbreitung war übrigens dieses<lb/> nicht bloß das einfachste, sondern auch das am schnellsten wirkende, und man¬<lb/> cher junge, noch unbekannte Schriftsteller, dem der Zeitgewinn — diuo is<lb/> molto?, — auch schon einleuchtete, mochte es mehr wählen um möglichst schnell<lb/> bekannt, als um augenblicklich beklatscht zu werden. Denn war auch die Ver-<lb/> vielfältigung durch die Schrift damals viel schwunghafter betrieben, als man<lb/> gewöhnlich annimmt, so war sie doch für den, dem nicht eine Schaar schreib'<lb/> fertiger Copisten — meist Sclaven — zu Gebote stand oder der nicht scho"<lb/> das Zutrauen oder die Gunst eines buchhändlerischen Speculanten sich erwor¬<lb/> ben hatte, eine kostspielige Sache. War dagegen durch das Institut jener<lb/> öffentlichen Vorlesungen der Name eines Schriftstellers bekannt geworden,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
befähigt und berechtigt hätten. Er nahm noch eine Zeit lang Theil an dieser
oder jener Commission, übte auch richterliche Befugnisse, aber es bis zum Se¬
nator zu bringen, fühlte er weder den Trieb, noch auch die nöthige Kraft in
sich und so entschied er selber mit richtiger Einsicht über seinen ausschließlichen
Beruf. Einen anderen Ehrgeiz als den des Dichters kannte er nicht. Seine
Bildung entbehrte noch der Volk- und Menschenkenntniß; diesem Mangel
abzuhelfen, wurde nach Sitte der vornehmen Römerjünglinge eine Reise un¬
ternommen, welche ihn in Begleitung eines Freundes und Collegen, des epischen
Dichters Macer nach der Metropole der antiken Bildung und Wissenschaft,
Athen, in die berühmteren Städte Kleinasiens und nach den classischen
Stellen Siciliens führte. Nach seiner Rückkehr fand er Aufnahme in die rö¬
mischen Dichterkreise und wie er hier den Gefeierten mit Verehrung lauschte,
wenn sie ihre neuen Schöpfungen vortrugen, so wurden auch jene bald auf
das strebende junge Talent aufmerksam und von den noch jüngern wurde er
bewundert. Aber nicht nur im engeren Kreise der Mitstrebenden, sondern
auch in größeren Versammlungen neugieriger Zuhörer wagte der jugendliche
Dichter mit seinen Gedichten aufzutreten und zwar, als noch kaum das Scher¬
messer seinen Flaum berührt hatte. Diese öffentlichen Borlesungen, gleichsam
einen obersten ästhetischen Gerichtshof über Sein oder Nichtsein des armen
Dichters, hatte die Sitte geschaffen.
Meistens, und im Verlaufe der Zeit immer mehr, war allerdings da¬
für gesorgt, daß das geladene oder auch nicht geladene Publicum sich nicht
allzu kühl oder gar schroff und abweisend gegen die ihm gebotenen Genüsse be¬
nahm; das Gemurmel oder wohl gar der laute Ruf des Beifalls begleitete
selbst die schwachen Productionen, und wenn es nicht Freunde und Verwandte
waren, die sich zu solchen Kundgebungen ihres Bewunderns hinreißen ließen,
so leistete eine gemiethete Claque diese Ausgabe in tadellosester Weise, wenigstens
denjenigen, welche sich ihres heiligen apollinischen Berufes doch nicht ganz
sicher fühlten.
Bei den damaligen Mitteln literarischer Verbreitung war übrigens dieses
nicht bloß das einfachste, sondern auch das am schnellsten wirkende, und man¬
cher junge, noch unbekannte Schriftsteller, dem der Zeitgewinn — diuo is
molto?, — auch schon einleuchtete, mochte es mehr wählen um möglichst schnell
bekannt, als um augenblicklich beklatscht zu werden. Denn war auch die Ver-
vielfältigung durch die Schrift damals viel schwunghafter betrieben, als man
gewöhnlich annimmt, so war sie doch für den, dem nicht eine Schaar schreib'
fertiger Copisten — meist Sclaven — zu Gebote stand oder der nicht scho"
das Zutrauen oder die Gunst eines buchhändlerischen Speculanten sich erwor¬
ben hatte, eine kostspielige Sache. War dagegen durch das Institut jener
öffentlichen Vorlesungen der Name eines Schriftstellers bekannt geworden,
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