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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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der auf verschiedene Zeiten vertheilten Berathung einzelner Punkte
des Pharmacie-Gesetzes. Die Unzuträglichkeiten einer solchen Behandlung in
dem von so vielseitigen Lebensbeziehungen beherrschten Fache sind leider in der
August-Conserenz zahlreich und grell hervorgetreten. Es ist dringend wün¬
schenswert!), daß sie jetzt durch die Schöpfung eines vollständigen Gesetzes
dem Vergessen übergeben werden. Aber von den Reichsbehörden, nicht von
den Regierungen der Einzelstaaten, hat die medicinisch-pharmaceutische Welt eine
solche Schöpfung zu erbitten. Denn jene sind bei der Auswahl der Fachkundigen
weit weniger durch Nebenrücksichten gehindert; und unter der Aufsicht jener
wird die Arbeit der Fachmänner, freier von kleinstaatlichen Ueberlieferungen,
mehr dem Wesen der Zukunft-Pharmacie und dem weiten Gesichtskreise der
Behörde entsprechen. Auch wünschen ja Fachmänner und Laien, mehr Deutsche
Einheit zu gewinnen, und dieser Wunsch ist bereits als berechtigt anerkannt
worden durch die reichsdeutsche Bestimmung, daß der Gehülfe, um zur Appro¬
bationsprüfung zugelassen zu werden, nachweisen muß, daß er mindestens
Jahr in einer inländischen Apotheke "servirt" habe; diese Bestimmung
würde kaum noch erheblichen Werth haben, wenn man die jetzigen Verschie¬
denheiten zwischen den Pharmacien der Einzelstaaten fortbestehen ließe.

Am ersten würde man bei der Taxe versucht sein, die staatlichen Ver¬
schiedenheiten, wie sie jetzt existiren, zu lassen, weil es begreiflich leichter ist,
durch verschiedene Taxen den Verkehrsverhältnissen der verschiedenen Gebiete
gerecht zu werden. Indeß eine gemeinsame Taxe für das ganze Reich ist
wenigstens einem Theile der Apotheker und der Aerzte, namentlich den an
Grenzorten zwischen den Einzelstaaten wirkenden, sehr erwünscht; sie erleichtert
auch fast allen Apothekern in zahlreichen Einzelfällen den Verkehr mit dem
Publikum und verhütet manchen unangenehmen Eindruck und manches Mi߬
verständniß bei Laien und sogar bei Aerzten. Wenn man sich entschließt, die
von mir ("Lebensv. d. PH." 1873, S. 89--91) vorgeschlagene "pharmaceutische"
Steuer anstatt der allgemeinen Gewerbesteuer in den Apotheken einzuführen, so
wird darin die wirksamste und gerechteste Ausgleichung aller Nachtheile einer
reichsdeutschen Taxe liegen, während alle Vorzüge derselben gewahrt bleiben. --

Hoffen wir also, daß die hohen Reichsbehörden uns sobald als möglich
ein vollständiges Pharmaciegesetz an Stelle der bisherigen Anfänge geben.
Es wäre aber nicht bloß überflüssig, sondern sogar zum Theil positiv
nachtheilig, abermals eine Anzahl lebendiger Männer -- und wären sie
noch so vorzüglich ausgesucht -- zu mündlichen Berathungen in Berlin zu
versammeln. Denn in einem so vielseitigen, so schwer nach allen Richtungen
hin zu überschauenden Fache wie die Pharmacie kann auch der Intelligenteste
nur selten aus dem Stegreife alle Beziehungen jeder einzelnen Frage
überblicken und danach die Frage beantworten; vielmehr bedarf es zu ge-


Grenzboten l. 1875. 7

der auf verschiedene Zeiten vertheilten Berathung einzelner Punkte
des Pharmacie-Gesetzes. Die Unzuträglichkeiten einer solchen Behandlung in
dem von so vielseitigen Lebensbeziehungen beherrschten Fache sind leider in der
August-Conserenz zahlreich und grell hervorgetreten. Es ist dringend wün¬
schenswert!), daß sie jetzt durch die Schöpfung eines vollständigen Gesetzes
dem Vergessen übergeben werden. Aber von den Reichsbehörden, nicht von
den Regierungen der Einzelstaaten, hat die medicinisch-pharmaceutische Welt eine
solche Schöpfung zu erbitten. Denn jene sind bei der Auswahl der Fachkundigen
weit weniger durch Nebenrücksichten gehindert; und unter der Aufsicht jener
wird die Arbeit der Fachmänner, freier von kleinstaatlichen Ueberlieferungen,
mehr dem Wesen der Zukunft-Pharmacie und dem weiten Gesichtskreise der
Behörde entsprechen. Auch wünschen ja Fachmänner und Laien, mehr Deutsche
Einheit zu gewinnen, und dieser Wunsch ist bereits als berechtigt anerkannt
worden durch die reichsdeutsche Bestimmung, daß der Gehülfe, um zur Appro¬
bationsprüfung zugelassen zu werden, nachweisen muß, daß er mindestens
Jahr in einer inländischen Apotheke „servirt" habe; diese Bestimmung
würde kaum noch erheblichen Werth haben, wenn man die jetzigen Verschie¬
denheiten zwischen den Pharmacien der Einzelstaaten fortbestehen ließe.

Am ersten würde man bei der Taxe versucht sein, die staatlichen Ver¬
schiedenheiten, wie sie jetzt existiren, zu lassen, weil es begreiflich leichter ist,
durch verschiedene Taxen den Verkehrsverhältnissen der verschiedenen Gebiete
gerecht zu werden. Indeß eine gemeinsame Taxe für das ganze Reich ist
wenigstens einem Theile der Apotheker und der Aerzte, namentlich den an
Grenzorten zwischen den Einzelstaaten wirkenden, sehr erwünscht; sie erleichtert
auch fast allen Apothekern in zahlreichen Einzelfällen den Verkehr mit dem
Publikum und verhütet manchen unangenehmen Eindruck und manches Mi߬
verständniß bei Laien und sogar bei Aerzten. Wenn man sich entschließt, die
von mir („Lebensv. d. PH." 1873, S. 89—91) vorgeschlagene „pharmaceutische"
Steuer anstatt der allgemeinen Gewerbesteuer in den Apotheken einzuführen, so
wird darin die wirksamste und gerechteste Ausgleichung aller Nachtheile einer
reichsdeutschen Taxe liegen, während alle Vorzüge derselben gewahrt bleiben. —

Hoffen wir also, daß die hohen Reichsbehörden uns sobald als möglich
ein vollständiges Pharmaciegesetz an Stelle der bisherigen Anfänge geben.
Es wäre aber nicht bloß überflüssig, sondern sogar zum Theil positiv
nachtheilig, abermals eine Anzahl lebendiger Männer — und wären sie
noch so vorzüglich ausgesucht — zu mündlichen Berathungen in Berlin zu
versammeln. Denn in einem so vielseitigen, so schwer nach allen Richtungen
hin zu überschauenden Fache wie die Pharmacie kann auch der Intelligenteste
nur selten aus dem Stegreife alle Beziehungen jeder einzelnen Frage
überblicken und danach die Frage beantworten; vielmehr bedarf es zu ge-


Grenzboten l. 1875. 7
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[0057] der auf verschiedene Zeiten vertheilten Berathung einzelner Punkte des Pharmacie-Gesetzes. Die Unzuträglichkeiten einer solchen Behandlung in dem von so vielseitigen Lebensbeziehungen beherrschten Fache sind leider in der August-Conserenz zahlreich und grell hervorgetreten. Es ist dringend wün¬ schenswert!), daß sie jetzt durch die Schöpfung eines vollständigen Gesetzes dem Vergessen übergeben werden. Aber von den Reichsbehörden, nicht von den Regierungen der Einzelstaaten, hat die medicinisch-pharmaceutische Welt eine solche Schöpfung zu erbitten. Denn jene sind bei der Auswahl der Fachkundigen weit weniger durch Nebenrücksichten gehindert; und unter der Aufsicht jener wird die Arbeit der Fachmänner, freier von kleinstaatlichen Ueberlieferungen, mehr dem Wesen der Zukunft-Pharmacie und dem weiten Gesichtskreise der Behörde entsprechen. Auch wünschen ja Fachmänner und Laien, mehr Deutsche Einheit zu gewinnen, und dieser Wunsch ist bereits als berechtigt anerkannt worden durch die reichsdeutsche Bestimmung, daß der Gehülfe, um zur Appro¬ bationsprüfung zugelassen zu werden, nachweisen muß, daß er mindestens Jahr in einer inländischen Apotheke „servirt" habe; diese Bestimmung würde kaum noch erheblichen Werth haben, wenn man die jetzigen Verschie¬ denheiten zwischen den Pharmacien der Einzelstaaten fortbestehen ließe. Am ersten würde man bei der Taxe versucht sein, die staatlichen Ver¬ schiedenheiten, wie sie jetzt existiren, zu lassen, weil es begreiflich leichter ist, durch verschiedene Taxen den Verkehrsverhältnissen der verschiedenen Gebiete gerecht zu werden. Indeß eine gemeinsame Taxe für das ganze Reich ist wenigstens einem Theile der Apotheker und der Aerzte, namentlich den an Grenzorten zwischen den Einzelstaaten wirkenden, sehr erwünscht; sie erleichtert auch fast allen Apothekern in zahlreichen Einzelfällen den Verkehr mit dem Publikum und verhütet manchen unangenehmen Eindruck und manches Mi߬ verständniß bei Laien und sogar bei Aerzten. Wenn man sich entschließt, die von mir („Lebensv. d. PH." 1873, S. 89—91) vorgeschlagene „pharmaceutische" Steuer anstatt der allgemeinen Gewerbesteuer in den Apotheken einzuführen, so wird darin die wirksamste und gerechteste Ausgleichung aller Nachtheile einer reichsdeutschen Taxe liegen, während alle Vorzüge derselben gewahrt bleiben. — Hoffen wir also, daß die hohen Reichsbehörden uns sobald als möglich ein vollständiges Pharmaciegesetz an Stelle der bisherigen Anfänge geben. Es wäre aber nicht bloß überflüssig, sondern sogar zum Theil positiv nachtheilig, abermals eine Anzahl lebendiger Männer — und wären sie noch so vorzüglich ausgesucht — zu mündlichen Berathungen in Berlin zu versammeln. Denn in einem so vielseitigen, so schwer nach allen Richtungen hin zu überschauenden Fache wie die Pharmacie kann auch der Intelligenteste nur selten aus dem Stegreife alle Beziehungen jeder einzelnen Frage überblicken und danach die Frage beantworten; vielmehr bedarf es zu ge- Grenzboten l. 1875. 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/57>, abgerufen am 01.10.2024.