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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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geben mußten und auch auf diese Weise mit stetigen Schwierigkeiten zu käm¬
pfen hatten. An der Ems dagegen war der Häringsfang ein altgewohntes
Gewerbe, das dem einst berühmten Emshafen nur durch die Ungunst einer Kette
von politischen Ereignissen und wirthschaftlichen Unglücksfällen entzogen wor¬
den war. Namentlich die wichtige Frage der Beschaffung geeigneter Mann-
schaften war hier viel leichter zu lösen, als an der Weser und Elbe. Gerade
hierher, wo Sitten und Lebensweise vielfach Holland ähnlich, -- wie denn
beispielsweise in einzelnen Kirchen sogar auch noch holländisch gepredigt wird
-- konnte die Uebersiedlung und oas Heimischwerden holländischer Schiffsfüh¬
rer und ihrer Familien am Leichtesten vor sich gehen. Was sodann den
deutschen Theil der Mannschaften betraf, so war vollends nicht abzusehen,
weshalb diese Männer"') und Jungen aus dem östlichen Westphalen und den
Lippeschen Fürstenthümern sich nicht eben so gern und lieber in Emden an¬
werben lassen würden, als in Vlaardingen und Maasluis. Im Jahre 1872
wurde der Häringsfang der Gesellschaft mit 6 Loggern in der Nordsee betrie¬
ben und man erzielte einen Fang von 3785 Tonnen Häringen. Den Betrieb
leitete ein holländischer Fischunternehmer, welcher sich zugleich mit einem nam¬
haften Betrage an dem Actiencapital betheiligte. Im Jahre 1873 konnten
bereits 9 Fahrzeuge in Betrieb gestellt werden, welche einen Fang von bei¬
nahe 4 Millionen Häringen erzielten. Der Ertrag der Emdencr Härings-
auctionen betrug im Jahre 1873 77,660 Thaler brutto. Der Verdienst der
Mannschaften besteht in einem Antheil am Fange. Die Besatzung des am
wenigsten vom Glücke begünstigten Fahrzeugs erzielte 1873 noch immer einen
Verdienst, der demjenigen in der Handelsmarine gleichkommt, wogegen sich
derselbe auf den Fahrzeugen, welche einen reichen Fang hatten, als bis zu
SO"/" höher herausstellte. Das sogenannte Partsystem ist also auch in Emden
eingeführt. Es scheint, daß bei der Fischerei dies die einzig rationelle Me¬
thode der Entschädigung für die betheiligte Mannschaft ist. Man findet sie
eben in der ganzen Welt bei der Seefischerei eingeführt, und wo man etwa
davon abgewichen ist, kehrt man bald wieder zu ihr zurück. Bei der Fischerei
beruht eben außerordentlich viel auf dem Geschick, auf der unverdrossenen
Mühe, welche die Mannschaft verwendet, Mu einen Ertrag zu erzielen und
diese Selbstthätigkeit wird durch das Partsystem mächtig angespornt.

Das Ergebniß des Fischereibetriebs der Emdener Gesellschaft im vorigen
Jahre liegt noch nicht vor; es dürfte kaum ein besonders günstiges sein. Eins
ihrer Fahrzeuge ging mit Mann und Maus verloren, dennoch sind die Leiter
des Unternehmens der festen Ueberzeugung, daß wenn nur die nöthige Aus¬
dauer und Umsicht auch serner nicht fehlt, das Unternehmen sich jedenfalls



Diese Leute werden weder im Seedienst noch im Far^e, sondern zum Ausweiden,
Salzen und Verpacken verwendet.

geben mußten und auch auf diese Weise mit stetigen Schwierigkeiten zu käm¬
pfen hatten. An der Ems dagegen war der Häringsfang ein altgewohntes
Gewerbe, das dem einst berühmten Emshafen nur durch die Ungunst einer Kette
von politischen Ereignissen und wirthschaftlichen Unglücksfällen entzogen wor¬
den war. Namentlich die wichtige Frage der Beschaffung geeigneter Mann-
schaften war hier viel leichter zu lösen, als an der Weser und Elbe. Gerade
hierher, wo Sitten und Lebensweise vielfach Holland ähnlich, — wie denn
beispielsweise in einzelnen Kirchen sogar auch noch holländisch gepredigt wird
— konnte die Uebersiedlung und oas Heimischwerden holländischer Schiffsfüh¬
rer und ihrer Familien am Leichtesten vor sich gehen. Was sodann den
deutschen Theil der Mannschaften betraf, so war vollends nicht abzusehen,
weshalb diese Männer"') und Jungen aus dem östlichen Westphalen und den
Lippeschen Fürstenthümern sich nicht eben so gern und lieber in Emden an¬
werben lassen würden, als in Vlaardingen und Maasluis. Im Jahre 1872
wurde der Häringsfang der Gesellschaft mit 6 Loggern in der Nordsee betrie¬
ben und man erzielte einen Fang von 3785 Tonnen Häringen. Den Betrieb
leitete ein holländischer Fischunternehmer, welcher sich zugleich mit einem nam¬
haften Betrage an dem Actiencapital betheiligte. Im Jahre 1873 konnten
bereits 9 Fahrzeuge in Betrieb gestellt werden, welche einen Fang von bei¬
nahe 4 Millionen Häringen erzielten. Der Ertrag der Emdencr Härings-
auctionen betrug im Jahre 1873 77,660 Thaler brutto. Der Verdienst der
Mannschaften besteht in einem Antheil am Fange. Die Besatzung des am
wenigsten vom Glücke begünstigten Fahrzeugs erzielte 1873 noch immer einen
Verdienst, der demjenigen in der Handelsmarine gleichkommt, wogegen sich
derselbe auf den Fahrzeugen, welche einen reichen Fang hatten, als bis zu
SO"/« höher herausstellte. Das sogenannte Partsystem ist also auch in Emden
eingeführt. Es scheint, daß bei der Fischerei dies die einzig rationelle Me¬
thode der Entschädigung für die betheiligte Mannschaft ist. Man findet sie
eben in der ganzen Welt bei der Seefischerei eingeführt, und wo man etwa
davon abgewichen ist, kehrt man bald wieder zu ihr zurück. Bei der Fischerei
beruht eben außerordentlich viel auf dem Geschick, auf der unverdrossenen
Mühe, welche die Mannschaft verwendet, Mu einen Ertrag zu erzielen und
diese Selbstthätigkeit wird durch das Partsystem mächtig angespornt.

Das Ergebniß des Fischereibetriebs der Emdener Gesellschaft im vorigen
Jahre liegt noch nicht vor; es dürfte kaum ein besonders günstiges sein. Eins
ihrer Fahrzeuge ging mit Mann und Maus verloren, dennoch sind die Leiter
des Unternehmens der festen Ueberzeugung, daß wenn nur die nöthige Aus¬
dauer und Umsicht auch serner nicht fehlt, das Unternehmen sich jedenfalls



Diese Leute werden weder im Seedienst noch im Far^e, sondern zum Ausweiden,
Salzen und Verpacken verwendet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/499>, abgerufen am 23.07.2024.