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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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vom ersten Augenblick an mit solchem Glück und Erfolg, weil mit so seltener
Befähigung für alles, was dazu gehört, im öffentlichen Leben zurecht gefun¬
den haben. Wenn es nicht trivial lautete, könnte man sagen: Stauffenberg
sprang gleich mit beiden Füßen in die Kammer hinein. Alles war bei dem
Manne gleich aus Einem Guß: die Schärfe des Denkens, die Logik und der
Glanz der Rede und vor allem die eminente Arbeitskraft. Ganz Kavalier in
seiner äußern Erscheinung, ist er doch der Volksmann, wie er sein soll, freund¬
lich, zugänglich für jedermann, gefeiert und geliebt von seinen Parteifreunden,
geachtet auch von den erbittertsten politischen Gegnern. Was Stauffenberg
als Referent über die Reorganisation des bairischen Heerwesens und dadurch
implicite zu den Erfolgen der deutschen Armee im Kriege gegen Frankreich
beigetragen hat, wird ihm sein engeres und weiteres Vaterland nie vergessen.
So lange der dermalige Präsident der Kammer nur noch ein einfaches Mit¬
glied derselben war, war es interessant, ihn -- er hatte seinen Platz auch an
jenen oben genannten Mitteltischchen -- zu beobachten. Gewöhnlich war er
von einem Haufen von Büchern, Broschüren, Zeitungen u. dergl. umschanzt.
Sein Wissenstrieb, sein rastloses Streben, alles sich anzueignen, ließ ihm auch
mitten in den Verhandlungen keine Ruhe, er hatte nicht nur "parlamenta¬
risches" Druckwerk um sich, sondern auch historische, philosophische, selbst belle¬
tristische Bücher, französische, englische, deutsche, man glaubte ihn ganz in
die Lektüre versunken, an der vielleicht weniger anregend sich hinschleppenden
Debatte nicht Antheil nehmend, da auf einmal verlangte er das Wort, und
siehe, er hatte alles verfolgt, aus das Einzelnste Acht gehabt, keine Einrede,
kein Moment war ihm entgangen, er war wieder, wie immer, der erschö¬
pfendste aller Redner. Stauffenberg ist aber auch der schnellste aller
Redner, die Stenographen hatten immer einigen Schrecken vor ihm. Seitdem
er Präsident ist, hat er sich nur selten in die Debatte gemischt, dafür aber
hat er ihre Leitung in so fester sicherer Hand, daß es eine wahre Freude
ist, einer Sitzung anzuwohnen, während das unter dem ersten Präsidenten
der dermaligen Kammer, dem damaligen Ministerialrath Weiß, dem Schooß-
kind der klerikal-patriotischen Partei, manchmal ins Gegentheil umschlug.

Man erinnert sich vielleicht noch, wie, als der im Frühjahr 1869 gewählte
Landtag im September jenes Jahres zusammentrat, das Stimmenverhältniß
der beiden großen Parteien so gleich war, daß die Präsidentenwahl, die zwi¬
schen dem genannten Dr. Weiß und dem Würzburger Professor Edel streitig war,
trotz wiederholter Scrutinien nicht zu Stande kommen konnte, indem immer
77 gegen 77 standen. Die Kammer wurde darum aufgelöst und als sie im
Januar 1870 wieder zusammentrat, hatten die Ultramontanen die Majorität
und besetzten nun das ganze Bureau, die parlamentarischen Gewohnheiten
einer so starken Minorität gegenüber ganz mißachtend, ausschließlich mit Leuten


vom ersten Augenblick an mit solchem Glück und Erfolg, weil mit so seltener
Befähigung für alles, was dazu gehört, im öffentlichen Leben zurecht gefun¬
den haben. Wenn es nicht trivial lautete, könnte man sagen: Stauffenberg
sprang gleich mit beiden Füßen in die Kammer hinein. Alles war bei dem
Manne gleich aus Einem Guß: die Schärfe des Denkens, die Logik und der
Glanz der Rede und vor allem die eminente Arbeitskraft. Ganz Kavalier in
seiner äußern Erscheinung, ist er doch der Volksmann, wie er sein soll, freund¬
lich, zugänglich für jedermann, gefeiert und geliebt von seinen Parteifreunden,
geachtet auch von den erbittertsten politischen Gegnern. Was Stauffenberg
als Referent über die Reorganisation des bairischen Heerwesens und dadurch
implicite zu den Erfolgen der deutschen Armee im Kriege gegen Frankreich
beigetragen hat, wird ihm sein engeres und weiteres Vaterland nie vergessen.
So lange der dermalige Präsident der Kammer nur noch ein einfaches Mit¬
glied derselben war, war es interessant, ihn — er hatte seinen Platz auch an
jenen oben genannten Mitteltischchen — zu beobachten. Gewöhnlich war er
von einem Haufen von Büchern, Broschüren, Zeitungen u. dergl. umschanzt.
Sein Wissenstrieb, sein rastloses Streben, alles sich anzueignen, ließ ihm auch
mitten in den Verhandlungen keine Ruhe, er hatte nicht nur „parlamenta¬
risches" Druckwerk um sich, sondern auch historische, philosophische, selbst belle¬
tristische Bücher, französische, englische, deutsche, man glaubte ihn ganz in
die Lektüre versunken, an der vielleicht weniger anregend sich hinschleppenden
Debatte nicht Antheil nehmend, da auf einmal verlangte er das Wort, und
siehe, er hatte alles verfolgt, aus das Einzelnste Acht gehabt, keine Einrede,
kein Moment war ihm entgangen, er war wieder, wie immer, der erschö¬
pfendste aller Redner. Stauffenberg ist aber auch der schnellste aller
Redner, die Stenographen hatten immer einigen Schrecken vor ihm. Seitdem
er Präsident ist, hat er sich nur selten in die Debatte gemischt, dafür aber
hat er ihre Leitung in so fester sicherer Hand, daß es eine wahre Freude
ist, einer Sitzung anzuwohnen, während das unter dem ersten Präsidenten
der dermaligen Kammer, dem damaligen Ministerialrath Weiß, dem Schooß-
kind der klerikal-patriotischen Partei, manchmal ins Gegentheil umschlug.

Man erinnert sich vielleicht noch, wie, als der im Frühjahr 1869 gewählte
Landtag im September jenes Jahres zusammentrat, das Stimmenverhältniß
der beiden großen Parteien so gleich war, daß die Präsidentenwahl, die zwi¬
schen dem genannten Dr. Weiß und dem Würzburger Professor Edel streitig war,
trotz wiederholter Scrutinien nicht zu Stande kommen konnte, indem immer
77 gegen 77 standen. Die Kammer wurde darum aufgelöst und als sie im
Januar 1870 wieder zusammentrat, hatten die Ultramontanen die Majorität
und besetzten nun das ganze Bureau, die parlamentarischen Gewohnheiten
einer so starken Minorität gegenüber ganz mißachtend, ausschließlich mit Leuten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/482>, abgerufen am 03.07.2024.