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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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director, wenn auch erst als beunruhigendes Gespenst, gebracht. Wenn er
aber unglücklicher Weise Fleisch und Bein gewinnen sollte, würde er einen
Brennpunkt Partikularistischen Eigensinns im schlimmsten Maße bilden.

Das Resultat der ersten Berathung über die vier Gesetze zur Berwal-
tungsreform ist folgendes gewesen. Die Provinzialordnung soll vorberathen
werden durch eine Commission von 2l Mitgliedern; dieselbe Commission, je¬
doch durch 7 neue Mitglieder auf 28 gebracht, soll das Gesetz über die Ver¬
waltungsgerichte vorberathen; dieselbe Commission von ursprünglich 21 Mit¬
gliedern wiederum um 7 Mitglieder, jedoch um andere als die der Verwal¬
tungsgerichtscommission, verstärkt, soll die Einrichtung der Provinz Berlin
vorberathen,- endlich soll eine ganz neue Commission von 21 Mitgliedern das
Dotationsgesetz vorberathen. Die vier Commissionen haben jede eine harte
Nuß zu knacken, deren wahren Kern sie schwerlich in dieser Session finden.
Bor Ostern wird keine der Commissionen auch nur ihren Bericht vorgelegt
haben. Somit könnten unsere Briefe von der Verwaltungsreform einstweilen
Abschied nehmen.

Dies soll jedoch nicht -geschehen. Wenn die Redaktion der "Grenzboten"
nicht etwa ein Veto einlegt (was nicht geschieht. D. Red.), wollen wir fort¬
fahren, die Leser d. Bl. vorzugsweise über diese Frage zu orientiren. Denn
dieselbe ist von allerhöchster Wichtigkeit, ihre Lösung sowohl vorbildlich für
die übrigen um Preußen gelagerten Glieder des deutschen Reiches, als ent¬
scheidend für die Solidität und Lebenskraft des Neichskernes selbst. Ich be¬
ginne gleich heute mit einer erläuternden Bemerkung über eine Hauptfrage
der preußischen Verwaltungsreform. Diese Frage betrifft die Beibehaltung
oder Veränderung der jetzigen Provinzialeintheilung.

Die preußische Monarchie bis 186K war anfangs in 10, später nur in
8 sehr große Provinzen getheilt. Durch die Belassung de.s Königreichs Han¬
nover als neuer Provinz in den bisherigen Grenzen, durch Verschmelzung
von Kurhessen und Nassau zu Einer Provinz traten wiederum zwei große
Provinzen hinzu, gegen welche auch die elfte Provinz, Schleswig-Holstein,
wenigstens an Flächeninhalt nicht zu sehr zurückstand. Indeß haben die großen
Provinzen seit 1815 innerhalb der preußischen Verwaltung immerfort eine
Partei gegen sich gehabt und für viele Bedürfnisse der Verwaltung einen
Stein des Anstoßes gebildet. Es ist sehr der Mühe werth, diesen Kampf,
dessen Urkunden freilich in den Archiven verschlossen liegen, einmal zu beleuchten;
soweit es eben möglich ist, Motive und Verlauf zu erkennen.

Die großen Provinzen waren vom Standpunkt der Verwaltungstechnik
jederzeit sehr unbequem und gaben außerdem Anlaß zur Befürchtung partiku-
laristischer Tendenzen. Von diesem Standpunkt hatten sie lebhafte Gegner.
Gleichwohl haben sie allen Angriffen bisher siegreich widerstanden, und zwar
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director, wenn auch erst als beunruhigendes Gespenst, gebracht. Wenn er
aber unglücklicher Weise Fleisch und Bein gewinnen sollte, würde er einen
Brennpunkt Partikularistischen Eigensinns im schlimmsten Maße bilden.

Das Resultat der ersten Berathung über die vier Gesetze zur Berwal-
tungsreform ist folgendes gewesen. Die Provinzialordnung soll vorberathen
werden durch eine Commission von 2l Mitgliedern; dieselbe Commission, je¬
doch durch 7 neue Mitglieder auf 28 gebracht, soll das Gesetz über die Ver¬
waltungsgerichte vorberathen; dieselbe Commission von ursprünglich 21 Mit¬
gliedern wiederum um 7 Mitglieder, jedoch um andere als die der Verwal¬
tungsgerichtscommission, verstärkt, soll die Einrichtung der Provinz Berlin
vorberathen,- endlich soll eine ganz neue Commission von 21 Mitgliedern das
Dotationsgesetz vorberathen. Die vier Commissionen haben jede eine harte
Nuß zu knacken, deren wahren Kern sie schwerlich in dieser Session finden.
Bor Ostern wird keine der Commissionen auch nur ihren Bericht vorgelegt
haben. Somit könnten unsere Briefe von der Verwaltungsreform einstweilen
Abschied nehmen.

Dies soll jedoch nicht -geschehen. Wenn die Redaktion der „Grenzboten"
nicht etwa ein Veto einlegt (was nicht geschieht. D. Red.), wollen wir fort¬
fahren, die Leser d. Bl. vorzugsweise über diese Frage zu orientiren. Denn
dieselbe ist von allerhöchster Wichtigkeit, ihre Lösung sowohl vorbildlich für
die übrigen um Preußen gelagerten Glieder des deutschen Reiches, als ent¬
scheidend für die Solidität und Lebenskraft des Neichskernes selbst. Ich be¬
ginne gleich heute mit einer erläuternden Bemerkung über eine Hauptfrage
der preußischen Verwaltungsreform. Diese Frage betrifft die Beibehaltung
oder Veränderung der jetzigen Provinzialeintheilung.

Die preußische Monarchie bis 186K war anfangs in 10, später nur in
8 sehr große Provinzen getheilt. Durch die Belassung de.s Königreichs Han¬
nover als neuer Provinz in den bisherigen Grenzen, durch Verschmelzung
von Kurhessen und Nassau zu Einer Provinz traten wiederum zwei große
Provinzen hinzu, gegen welche auch die elfte Provinz, Schleswig-Holstein,
wenigstens an Flächeninhalt nicht zu sehr zurückstand. Indeß haben die großen
Provinzen seit 1815 innerhalb der preußischen Verwaltung immerfort eine
Partei gegen sich gehabt und für viele Bedürfnisse der Verwaltung einen
Stein des Anstoßes gebildet. Es ist sehr der Mühe werth, diesen Kampf,
dessen Urkunden freilich in den Archiven verschlossen liegen, einmal zu beleuchten;
soweit es eben möglich ist, Motive und Verlauf zu erkennen.

Die großen Provinzen waren vom Standpunkt der Verwaltungstechnik
jederzeit sehr unbequem und gaben außerdem Anlaß zur Befürchtung partiku-
laristischer Tendenzen. Von diesem Standpunkt hatten sie lebhafte Gegner.
Gleichwohl haben sie allen Angriffen bisher siegreich widerstanden, und zwar
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[0361] director, wenn auch erst als beunruhigendes Gespenst, gebracht. Wenn er aber unglücklicher Weise Fleisch und Bein gewinnen sollte, würde er einen Brennpunkt Partikularistischen Eigensinns im schlimmsten Maße bilden. Das Resultat der ersten Berathung über die vier Gesetze zur Berwal- tungsreform ist folgendes gewesen. Die Provinzialordnung soll vorberathen werden durch eine Commission von 2l Mitgliedern; dieselbe Commission, je¬ doch durch 7 neue Mitglieder auf 28 gebracht, soll das Gesetz über die Ver¬ waltungsgerichte vorberathen; dieselbe Commission von ursprünglich 21 Mit¬ gliedern wiederum um 7 Mitglieder, jedoch um andere als die der Verwal¬ tungsgerichtscommission, verstärkt, soll die Einrichtung der Provinz Berlin vorberathen,- endlich soll eine ganz neue Commission von 21 Mitgliedern das Dotationsgesetz vorberathen. Die vier Commissionen haben jede eine harte Nuß zu knacken, deren wahren Kern sie schwerlich in dieser Session finden. Bor Ostern wird keine der Commissionen auch nur ihren Bericht vorgelegt haben. Somit könnten unsere Briefe von der Verwaltungsreform einstweilen Abschied nehmen. Dies soll jedoch nicht -geschehen. Wenn die Redaktion der „Grenzboten" nicht etwa ein Veto einlegt (was nicht geschieht. D. Red.), wollen wir fort¬ fahren, die Leser d. Bl. vorzugsweise über diese Frage zu orientiren. Denn dieselbe ist von allerhöchster Wichtigkeit, ihre Lösung sowohl vorbildlich für die übrigen um Preußen gelagerten Glieder des deutschen Reiches, als ent¬ scheidend für die Solidität und Lebenskraft des Neichskernes selbst. Ich be¬ ginne gleich heute mit einer erläuternden Bemerkung über eine Hauptfrage der preußischen Verwaltungsreform. Diese Frage betrifft die Beibehaltung oder Veränderung der jetzigen Provinzialeintheilung. Die preußische Monarchie bis 186K war anfangs in 10, später nur in 8 sehr große Provinzen getheilt. Durch die Belassung de.s Königreichs Han¬ nover als neuer Provinz in den bisherigen Grenzen, durch Verschmelzung von Kurhessen und Nassau zu Einer Provinz traten wiederum zwei große Provinzen hinzu, gegen welche auch die elfte Provinz, Schleswig-Holstein, wenigstens an Flächeninhalt nicht zu sehr zurückstand. Indeß haben die großen Provinzen seit 1815 innerhalb der preußischen Verwaltung immerfort eine Partei gegen sich gehabt und für viele Bedürfnisse der Verwaltung einen Stein des Anstoßes gebildet. Es ist sehr der Mühe werth, diesen Kampf, dessen Urkunden freilich in den Archiven verschlossen liegen, einmal zu beleuchten; soweit es eben möglich ist, Motive und Verlauf zu erkennen. Die großen Provinzen waren vom Standpunkt der Verwaltungstechnik jederzeit sehr unbequem und gaben außerdem Anlaß zur Befürchtung partiku- laristischer Tendenzen. Von diesem Standpunkt hatten sie lebhafte Gegner. Gleichwohl haben sie allen Angriffen bisher siegreich widerstanden, und zwar ' G>onz!'ete.>n l. 1875. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/361>, abgerufen am 23.07.2024.