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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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verwandte und welche meistens auch die Zinsen von solchen Fonds repräsen-
. tirer, die in früherer Zeit einmal der betreffenden Provinz gehörten und erst
später in den allgemeinen Staatsfonds übergegangen sind.

Dennoch bleiben wir dabei, daß die Maßregel schief angefangen ist. Es
hätte sollen den Provinzen durch die Grund- und Gebäudesteuer eine leben¬
dige, d. h. eine nach den Aufgaben bewegliche Einnahmequelle eröffnet werden.
Unbegreiflich ist der Einwurf des Finanz-Ministers gegen diesen Gedanken,
daß der Ertrag der Grundsteuer in den Provinzen ein zu verschiedener sei.
Das ist allerdings der Fall bei der contingentirten Staatsgrundsteuer. Aber
es wäre auch nichts verkehrter, als den Provinzen bloß das jetzige Contingent
der Slaatsgrundsteuer zu überweisen. Es handelt sich darum, die Provinzial-
corporation auf dem Grundbesitz aufzubauen und ihr dann das unbeschränkte
Selbstbcsteuerungsrecht zu geben. Wer will es denn dem verhältnißmäßig
ärmeren Grundbesitzverband verwehren, für gemeinschaftliche Zwecke zehnmal
größere Opfer zu bringen, als der reichere Verband? Allerdings würde eine
Ungerechtigkeit entstehen, wenn man allen Provinzen gleiche Leistungen auf
dem Wege des Zwanges ohne Berücksichtigung der wirthschaftlichen Verhält¬
nisse auflegen wollte.

Hier wäre es nun am Platze gewesen, einen allgemeinen Staatsfonds
zur Ausgleichung der provinziellen Lasten zu errichten und die durch Ungunst
der Verhältnisse nachtheiliger gestellten Provinzen durch periodisch gewährte
Unterstützungen wenigstens von der Ueberlast einzelner, ihre Kraft überstei¬
gender Aufgaben, namentlich bei einmaligen kostspieligen und unvermeidlichen
Anlagen zu befreien. -- Jetzt überweist man den Provinzen Renten, die zur
Bestreitung der ihnen gleichzeitig übertragenen Aufgaben nicht lange aus¬
reichen werden. Man wird also doch noch zur Ueberweisung'beweglicher Ein¬
nahmen d. h. also einer bestimmten Steuer, welche nur die Grundsteuer sein
kann, gelangen. Mit der Zuweisung perennirender Renten hat man aber
ohne alle Noth eine unversiegliche Quelle des Zankes zwischen Staatscentrum
und Provinzen geschaffen. Die Provinzen werden immer wieder sagen: wir
wirthschaften mit unserer Rente sparsam und wollen den Ueberschuß dazu und
dazu anwenden. Die Centralverwaltung wird immer wieder sagen: Ihr ver¬
sorgt die Zwecke nicht gehörig, für die euch die Rente überwiesen ist. -- Das
macht sich ganz anders bei der Selbstverwaltung einer Einnahme, die aus
selbstaufgebrachten Steuern fließt und nicht aus Capital. Da finden sich
keine launenhaften Einfälle, da wird unter den Augen der Steuerzahler nur
auf das Nothwendige oder auf dasjenige Bedacht genommen, was allgemeine
Zustimmung findet. Besondere Fonds sind immer die Väter des administra¬
tiven Particularismus. In dem Entwurf der Provinzialordnung haben uns
die unglücklichen Provinzialfvnds bereits den höchst gemeinschädlichem Landes-


verwandte und welche meistens auch die Zinsen von solchen Fonds repräsen-
. tirer, die in früherer Zeit einmal der betreffenden Provinz gehörten und erst
später in den allgemeinen Staatsfonds übergegangen sind.

Dennoch bleiben wir dabei, daß die Maßregel schief angefangen ist. Es
hätte sollen den Provinzen durch die Grund- und Gebäudesteuer eine leben¬
dige, d. h. eine nach den Aufgaben bewegliche Einnahmequelle eröffnet werden.
Unbegreiflich ist der Einwurf des Finanz-Ministers gegen diesen Gedanken,
daß der Ertrag der Grundsteuer in den Provinzen ein zu verschiedener sei.
Das ist allerdings der Fall bei der contingentirten Staatsgrundsteuer. Aber
es wäre auch nichts verkehrter, als den Provinzen bloß das jetzige Contingent
der Slaatsgrundsteuer zu überweisen. Es handelt sich darum, die Provinzial-
corporation auf dem Grundbesitz aufzubauen und ihr dann das unbeschränkte
Selbstbcsteuerungsrecht zu geben. Wer will es denn dem verhältnißmäßig
ärmeren Grundbesitzverband verwehren, für gemeinschaftliche Zwecke zehnmal
größere Opfer zu bringen, als der reichere Verband? Allerdings würde eine
Ungerechtigkeit entstehen, wenn man allen Provinzen gleiche Leistungen auf
dem Wege des Zwanges ohne Berücksichtigung der wirthschaftlichen Verhält¬
nisse auflegen wollte.

Hier wäre es nun am Platze gewesen, einen allgemeinen Staatsfonds
zur Ausgleichung der provinziellen Lasten zu errichten und die durch Ungunst
der Verhältnisse nachtheiliger gestellten Provinzen durch periodisch gewährte
Unterstützungen wenigstens von der Ueberlast einzelner, ihre Kraft überstei¬
gender Aufgaben, namentlich bei einmaligen kostspieligen und unvermeidlichen
Anlagen zu befreien. — Jetzt überweist man den Provinzen Renten, die zur
Bestreitung der ihnen gleichzeitig übertragenen Aufgaben nicht lange aus¬
reichen werden. Man wird also doch noch zur Ueberweisung'beweglicher Ein¬
nahmen d. h. also einer bestimmten Steuer, welche nur die Grundsteuer sein
kann, gelangen. Mit der Zuweisung perennirender Renten hat man aber
ohne alle Noth eine unversiegliche Quelle des Zankes zwischen Staatscentrum
und Provinzen geschaffen. Die Provinzen werden immer wieder sagen: wir
wirthschaften mit unserer Rente sparsam und wollen den Ueberschuß dazu und
dazu anwenden. Die Centralverwaltung wird immer wieder sagen: Ihr ver¬
sorgt die Zwecke nicht gehörig, für die euch die Rente überwiesen ist. — Das
macht sich ganz anders bei der Selbstverwaltung einer Einnahme, die aus
selbstaufgebrachten Steuern fließt und nicht aus Capital. Da finden sich
keine launenhaften Einfälle, da wird unter den Augen der Steuerzahler nur
auf das Nothwendige oder auf dasjenige Bedacht genommen, was allgemeine
Zustimmung findet. Besondere Fonds sind immer die Väter des administra¬
tiven Particularismus. In dem Entwurf der Provinzialordnung haben uns
die unglücklichen Provinzialfvnds bereits den höchst gemeinschädlichem Landes-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/360>, abgerufen am 23.07.2024.