Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.mentes, daß man, die volle Wahrheit und Treue bewundernd, ausruft: das Die lokal-poetischen Schilderungen athmen wie Alles, was Sommer
mentes, daß man, die volle Wahrheit und Treue bewundernd, ausruft: das Die lokal-poetischen Schilderungen athmen wie Alles, was Sommer
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133106"/> <p xml:id="ID_1230" prev="#ID_1229"> mentes, daß man, die volle Wahrheit und Treue bewundernd, ausruft: das<lb/> allein nur kann der Boden sein, aus dem dies Element herauswächst. —<lb/> Manche dieser lokalen Beziehungen sind allerdings nur für den Eingeweihteren<lb/> verständlich, und dürfen wir einige kritische Wünsche äußern, so wäre es an<lb/> der Zeit, daß der Dichter für die Rettung der äußern städtischen Physiognomie<lb/> an einige erläuternde Bemerkungen dächte, die das volle Verständniß der lokalen<lb/> Schilderungen in weitern Kreisen erzielen. Nicht alle, wie wir, kennen Rudol-<lb/> stadt so in- und auswendig. Gewiß lohnt sich auch die Beigabe eines kleinen<lb/> Glossars. So leicht, wie es aussieht, sind die einzelnen Ausdrücke nicht immer<lb/> zu verstehen. Wir erinnern daran, daß z. B. Karl Braun-Wiesbaden in dem<lb/> angezogenen Feuilletonartikel gewaltig vorbeischießt, wenn er wähnt, daß „be-<lb/> tippert" (in der Parodie des Handschuh) gleiche Bedeutung mit „betrunken"<lb/> habe. Dazu ist Sommer ein viel zu galanter Dichter, um einer behand¬<lb/> schuhten auf dem Balcon planirten Dame leidige Trunkenheit zu imputiren.<lb/> — Seit der Neubelebung des germanischen Studiums, mit der die Würdigung<lb/> der Dialecte allgemeiner und reger geworden ist, handelt es sich natürlich<lb/> neben der grammaticalischen Feststellung des Idioms auch um die Fixirung<lb/> der Wortbedeutung und sicherlich würde Niemand besser im Stande sein, diese<lb/> kleine wissenschaftliche Beigabe in einer über alle Zweifel erhabenen Form<lb/> darzubieten, als der Dichter selbst. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1231"> Die lokal-poetischen Schilderungen athmen wie Alles, was Sommer<lb/> schafft, eine wahre innige Liebe zur alten Vaterstadt. Es ist geradezu rührend,<lb/> mit welcher Wärme er der alten Wahrzeichen der heimathlichen Stätte gedenkt,<lb/> in der Vieles dem Drange nach Verschönerung Platz gemacht, oder aus Nütz-<lb/> lichkcitsgründen neuerdings in das Jenseits verwiesen worden ist. Dahin<lb/> rechnen wir das Gedicht „Erönnerun g", in dem das Verschwinden der<lb/> alten auf dem Markte stehenden Hauptwache in wenigen trefflichen Strophen<lb/> dargestellt ist, der er noch einmal mit ihren beiden Cameraden, des alten<lb/> Spritzenhauses und des „Laufborns" (III. No. 1) gedenkt, die gar wenig auf<lb/> das vortheilhafte Aeußere des Marktes einwirkten. Anderer Wahrzeichen ge¬<lb/> denkt er in dem Gedichte „Sehnsucht" (II. No. 17), wo er das entschwundene<lb/> Wasserrad erwähnt, das der halbwegs vorgeschrittene Bautechniker jetzt viel¬<lb/> leicht als den Uranfang der Wasserleitungen thüringischer Städte ansehen<lb/> würde. Es ist tief volksthümlich empfunden, wenn er das Aechzen des allein¬<lb/> stehenden Rades als Trauer für den verlorenen Cameraden auffaßt und eine<lb/> schöne Nutzanwendung für das eheliche Leben daran anschließt, indem er sagt:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_24" type="poem"> <l><cb type="start"/> Das os daß grüße Wassernd<lb/> Das grämt sich su und heilt sich satt<lb/> 's giht arm dorch Mark und Baue <cb/> Da gucke, sonsten war'n s'r zwei<lb/> Die thaten sich metnanner dreh<lb/> Elz selbes su ganz altare. <cb type="end"/> </l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
mentes, daß man, die volle Wahrheit und Treue bewundernd, ausruft: das
allein nur kann der Boden sein, aus dem dies Element herauswächst. —
Manche dieser lokalen Beziehungen sind allerdings nur für den Eingeweihteren
verständlich, und dürfen wir einige kritische Wünsche äußern, so wäre es an
der Zeit, daß der Dichter für die Rettung der äußern städtischen Physiognomie
an einige erläuternde Bemerkungen dächte, die das volle Verständniß der lokalen
Schilderungen in weitern Kreisen erzielen. Nicht alle, wie wir, kennen Rudol-
stadt so in- und auswendig. Gewiß lohnt sich auch die Beigabe eines kleinen
Glossars. So leicht, wie es aussieht, sind die einzelnen Ausdrücke nicht immer
zu verstehen. Wir erinnern daran, daß z. B. Karl Braun-Wiesbaden in dem
angezogenen Feuilletonartikel gewaltig vorbeischießt, wenn er wähnt, daß „be-
tippert" (in der Parodie des Handschuh) gleiche Bedeutung mit „betrunken"
habe. Dazu ist Sommer ein viel zu galanter Dichter, um einer behand¬
schuhten auf dem Balcon planirten Dame leidige Trunkenheit zu imputiren.
— Seit der Neubelebung des germanischen Studiums, mit der die Würdigung
der Dialecte allgemeiner und reger geworden ist, handelt es sich natürlich
neben der grammaticalischen Feststellung des Idioms auch um die Fixirung
der Wortbedeutung und sicherlich würde Niemand besser im Stande sein, diese
kleine wissenschaftliche Beigabe in einer über alle Zweifel erhabenen Form
darzubieten, als der Dichter selbst. —
Die lokal-poetischen Schilderungen athmen wie Alles, was Sommer
schafft, eine wahre innige Liebe zur alten Vaterstadt. Es ist geradezu rührend,
mit welcher Wärme er der alten Wahrzeichen der heimathlichen Stätte gedenkt,
in der Vieles dem Drange nach Verschönerung Platz gemacht, oder aus Nütz-
lichkcitsgründen neuerdings in das Jenseits verwiesen worden ist. Dahin
rechnen wir das Gedicht „Erönnerun g", in dem das Verschwinden der
alten auf dem Markte stehenden Hauptwache in wenigen trefflichen Strophen
dargestellt ist, der er noch einmal mit ihren beiden Cameraden, des alten
Spritzenhauses und des „Laufborns" (III. No. 1) gedenkt, die gar wenig auf
das vortheilhafte Aeußere des Marktes einwirkten. Anderer Wahrzeichen ge¬
denkt er in dem Gedichte „Sehnsucht" (II. No. 17), wo er das entschwundene
Wasserrad erwähnt, das der halbwegs vorgeschrittene Bautechniker jetzt viel¬
leicht als den Uranfang der Wasserleitungen thüringischer Städte ansehen
würde. Es ist tief volksthümlich empfunden, wenn er das Aechzen des allein¬
stehenden Rades als Trauer für den verlorenen Cameraden auffaßt und eine
schöne Nutzanwendung für das eheliche Leben daran anschließt, indem er sagt:
Das os daß grüße Wassernd
Das grämt sich su und heilt sich satt
's giht arm dorch Mark und Baue
Da gucke, sonsten war'n s'r zwei
Die thaten sich metnanner dreh
Elz selbes su ganz altare.
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