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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Festland nach der Insel führt, und im Hafen, der nun der schönste am ganzen
See geworden ist. Weithin wenn man auf blauen Wellen der Stadt ent¬
gegenfährt, sieht man die beiden Wahrzeichen derselben ragen, den prächtigen
Leuchtthurm mit seinem gezackten Gipfel und den alten Löwen der Mittels-
bacher. der auf thurmhohen Piedestal gebieterisch seine Umschau hält. Nicht
weit davon steht das Denkmal des Fürsten, welchem Lindau vor allem seine
Blüthe dankt, des edlen Max.

Am meisten von Allem aber hob sich der Seeverkehr, dem nunmehr
28 Dampfer zu Gebote stehen, darunter ein Trajektschiff, das ganze Bahnzüge
nach der Schweizerseite fährt. Das erste Dampfboot wurde, wie bekannt,
schon im Jahre 1824 erbaut und zwar von dem Amerikaner Church; es trug
den Namen des Königs Wilhelm von Würtemberg. der seine Erbauung ver¬
anlaßt hatte und blieb bis 1847 in Dienst.

Aber auch früher schon gab es Fahrzeuge auf dem Bodensee, die zur
Verbringung wahrhaft colossaler Lasten geeignet wären und häufig 2 --
3000 Centner luden, ein Riesensegel von 600 Ellen trug sie langsam hinüber
nach Constanz.

Wie für die Schifffahrt, so war auch für den Fischfang Lindau Jahr¬
hunderte lang der Mittelpunkt. Die Bürger der Stadt "übten den Zunft¬
zwang" und auf den Fischertagen, die sie alljährlich berufen, ward dann ver¬
einbart, wie und wann man dieses ergiebigen Rechtes pflegen solle. Denn
der See war reich an den kostbarsten Felchen und Lachsforellen, und jetzt
noch fängt man im Frühjahr zu tausend den sogenannten "Gangfisch," der
in Massen durch ganz Deutschland versendet wird. All' diese Privilegien hat
Lindau längst verloren, freilich im Eintausch von Vortheilen, die ihm unend¬
lich werthvoller sind; die Fischerei ist dermalen nahezu freigegeben und mit
rühmenswerther Liberalität gönnt man den Gästen des schönen Sees ihr
Vergnügen. Niemand erhebt eine Klage und die einzigen, die sich etwa dabei
beschweren könnten: die Fische, -- sind stumm.

So fühlen wir denn allerwärts den Wandel der neuen schaffenden Zeit,
aber dennoch ist auch aus jenen waldgrünen Tagen, da nur die Barke der
Allemannen vom Festland hinüberstieß, noch mancherlei Spur erhalten. Die
sogen. ..Heidenmauer" gilt als Bruchstück des riesigen Wachtthurms, den
Tiberius einst hier errichtet, die Peterskirche, die zur Stunde als Getreidelager
dient, ist ein Denkmal der Karolingerzeit und das Rathhaus zeigt uns den
schönen Stil der alten Reichsstadt. Noch heute ist das Wappen der Stadt
eine Linde im weißen Feld und der schönste Punkt in der Nachbarschaft, der
Lindenhof, wahrt schon in seinem Namen den grünenden Ursprung.

Die Nachbarstadt von Lindau ist Bregenz und ob auch der Grenzstein
zweier mächtiger Reiche sie trennt, so sind die beiden doch durch die Natur,


Festland nach der Insel führt, und im Hafen, der nun der schönste am ganzen
See geworden ist. Weithin wenn man auf blauen Wellen der Stadt ent¬
gegenfährt, sieht man die beiden Wahrzeichen derselben ragen, den prächtigen
Leuchtthurm mit seinem gezackten Gipfel und den alten Löwen der Mittels-
bacher. der auf thurmhohen Piedestal gebieterisch seine Umschau hält. Nicht
weit davon steht das Denkmal des Fürsten, welchem Lindau vor allem seine
Blüthe dankt, des edlen Max.

Am meisten von Allem aber hob sich der Seeverkehr, dem nunmehr
28 Dampfer zu Gebote stehen, darunter ein Trajektschiff, das ganze Bahnzüge
nach der Schweizerseite fährt. Das erste Dampfboot wurde, wie bekannt,
schon im Jahre 1824 erbaut und zwar von dem Amerikaner Church; es trug
den Namen des Königs Wilhelm von Würtemberg. der seine Erbauung ver¬
anlaßt hatte und blieb bis 1847 in Dienst.

Aber auch früher schon gab es Fahrzeuge auf dem Bodensee, die zur
Verbringung wahrhaft colossaler Lasten geeignet wären und häufig 2 —
3000 Centner luden, ein Riesensegel von 600 Ellen trug sie langsam hinüber
nach Constanz.

Wie für die Schifffahrt, so war auch für den Fischfang Lindau Jahr¬
hunderte lang der Mittelpunkt. Die Bürger der Stadt „übten den Zunft¬
zwang" und auf den Fischertagen, die sie alljährlich berufen, ward dann ver¬
einbart, wie und wann man dieses ergiebigen Rechtes pflegen solle. Denn
der See war reich an den kostbarsten Felchen und Lachsforellen, und jetzt
noch fängt man im Frühjahr zu tausend den sogenannten „Gangfisch," der
in Massen durch ganz Deutschland versendet wird. All' diese Privilegien hat
Lindau längst verloren, freilich im Eintausch von Vortheilen, die ihm unend¬
lich werthvoller sind; die Fischerei ist dermalen nahezu freigegeben und mit
rühmenswerther Liberalität gönnt man den Gästen des schönen Sees ihr
Vergnügen. Niemand erhebt eine Klage und die einzigen, die sich etwa dabei
beschweren könnten: die Fische, — sind stumm.

So fühlen wir denn allerwärts den Wandel der neuen schaffenden Zeit,
aber dennoch ist auch aus jenen waldgrünen Tagen, da nur die Barke der
Allemannen vom Festland hinüberstieß, noch mancherlei Spur erhalten. Die
sogen. ..Heidenmauer" gilt als Bruchstück des riesigen Wachtthurms, den
Tiberius einst hier errichtet, die Peterskirche, die zur Stunde als Getreidelager
dient, ist ein Denkmal der Karolingerzeit und das Rathhaus zeigt uns den
schönen Stil der alten Reichsstadt. Noch heute ist das Wappen der Stadt
eine Linde im weißen Feld und der schönste Punkt in der Nachbarschaft, der
Lindenhof, wahrt schon in seinem Namen den grünenden Ursprung.

Die Nachbarstadt von Lindau ist Bregenz und ob auch der Grenzstein
zweier mächtiger Reiche sie trennt, so sind die beiden doch durch die Natur,


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[0300] Festland nach der Insel führt, und im Hafen, der nun der schönste am ganzen See geworden ist. Weithin wenn man auf blauen Wellen der Stadt ent¬ gegenfährt, sieht man die beiden Wahrzeichen derselben ragen, den prächtigen Leuchtthurm mit seinem gezackten Gipfel und den alten Löwen der Mittels- bacher. der auf thurmhohen Piedestal gebieterisch seine Umschau hält. Nicht weit davon steht das Denkmal des Fürsten, welchem Lindau vor allem seine Blüthe dankt, des edlen Max. Am meisten von Allem aber hob sich der Seeverkehr, dem nunmehr 28 Dampfer zu Gebote stehen, darunter ein Trajektschiff, das ganze Bahnzüge nach der Schweizerseite fährt. Das erste Dampfboot wurde, wie bekannt, schon im Jahre 1824 erbaut und zwar von dem Amerikaner Church; es trug den Namen des Königs Wilhelm von Würtemberg. der seine Erbauung ver¬ anlaßt hatte und blieb bis 1847 in Dienst. Aber auch früher schon gab es Fahrzeuge auf dem Bodensee, die zur Verbringung wahrhaft colossaler Lasten geeignet wären und häufig 2 — 3000 Centner luden, ein Riesensegel von 600 Ellen trug sie langsam hinüber nach Constanz. Wie für die Schifffahrt, so war auch für den Fischfang Lindau Jahr¬ hunderte lang der Mittelpunkt. Die Bürger der Stadt „übten den Zunft¬ zwang" und auf den Fischertagen, die sie alljährlich berufen, ward dann ver¬ einbart, wie und wann man dieses ergiebigen Rechtes pflegen solle. Denn der See war reich an den kostbarsten Felchen und Lachsforellen, und jetzt noch fängt man im Frühjahr zu tausend den sogenannten „Gangfisch," der in Massen durch ganz Deutschland versendet wird. All' diese Privilegien hat Lindau längst verloren, freilich im Eintausch von Vortheilen, die ihm unend¬ lich werthvoller sind; die Fischerei ist dermalen nahezu freigegeben und mit rühmenswerther Liberalität gönnt man den Gästen des schönen Sees ihr Vergnügen. Niemand erhebt eine Klage und die einzigen, die sich etwa dabei beschweren könnten: die Fische, — sind stumm. So fühlen wir denn allerwärts den Wandel der neuen schaffenden Zeit, aber dennoch ist auch aus jenen waldgrünen Tagen, da nur die Barke der Allemannen vom Festland hinüberstieß, noch mancherlei Spur erhalten. Die sogen. ..Heidenmauer" gilt als Bruchstück des riesigen Wachtthurms, den Tiberius einst hier errichtet, die Peterskirche, die zur Stunde als Getreidelager dient, ist ein Denkmal der Karolingerzeit und das Rathhaus zeigt uns den schönen Stil der alten Reichsstadt. Noch heute ist das Wappen der Stadt eine Linde im weißen Feld und der schönste Punkt in der Nachbarschaft, der Lindenhof, wahrt schon in seinem Namen den grünenden Ursprung. Die Nachbarstadt von Lindau ist Bregenz und ob auch der Grenzstein zweier mächtiger Reiche sie trennt, so sind die beiden doch durch die Natur,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/300>, abgerufen am 23.07.2024.