Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu einem Sitz in der Legislative berechtigt, sein sollten, und welche nicht. --
Welche Maßnahme, welches Gesetz befindet sich in den Landesgesetzen um solches
Einschreiten zu rechtfertigen? -- Zur Entschuldigung bringt man vor, daß
die Personen, welche durch Truppen aus der Kammer geworfen wurden, nicht
die gesetzlich gewählten Repräsentanten gewesen seien. Nehmen wir an, es sei
so, doch darum handelt es sich nicht. -- Die Frage ist: wo ist das constitu-
tionelle Prinzip, wo das Gesetz, welches Soldaten der vereinigten Staaten
erlaubt, mit den Waffen in der Hand zu entscheiden, wer ein rechtlich erwähl¬
tes Mitglied einer Staats - Legislative ist, und wer nicht? -- Man sagt, daß
die Art und Weise, wie sich die Kammer organisirte, nicht in Einklang ge¬
wesen sei mit den Gesetzen des Staates? Angenommen, das wäre der Fall
gewesen. Aber darum handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist die con-
stitutionelle und gesetzliche Rechtfertigung, welche den Bajonetten der Staats-
lruppen erlaubt, die Gesetze der Staaten auszulegen, und für und in den
Kammern Streitpunkte parlamentarischer Praxis zu entscheiden? -- Man
sagt, der Gouverneur habe die Hülfe der Bundessoldaten begehrt um die Kam¬
mer von unberechtigten Mitgliedern zu säubern! Das mag sein, aber darum
handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist das Gesetz, welches den Bundes¬
truppen gestattet auf Geheiß eines Gouverneurs unbedingt zu gehorchen, des
Gouverneurs, welcher entscheiden will, welches die rechtlichen Mitglieder der
Legislative sind, welche nach allen Vorschriften der Gesetze sich versammelt
und organisirt? -- Ferner wird gesagt, daß Unannehmlichkeiten und Streit
zu befürchten sei zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien! Nehmen
wir an, das wäre der Fall gewesen; aber auch darum handelt es sich nicht!
Es fragt sich wo ist das Gesetz, welches der Bundesregierung gestattet, im
Fall bevorstehender Unruhen, ihre bewaffnete Macht dazu zu benutzen, in
eine Kammer einzudringen und deren Mitglieder herauszuzerren, um andern
Personen zu ermöglichen, die leeren Sitze einzunehmen? -- Wo ist das Gesetz,
frage ich? Sie werden die Verfassung und Gesetzbücher umsonst darnach durch¬
suchen." --

Und später sagte Schurz: - "Es ist nicht der Erfolg Napoleonischen
Ehrgeizes, den ich befürchte, denn bestände er auch, so hätte derselbe gegen
ein amerikanisches, nicht gegen ein französisches Volk aufzutreten; aber wofür
ich Gründe habe zu fürchten, wenn wir auf der bisherigen Bahn weitergehen,
ist, daß dies Triebwerk der Administration mehr und mehr nur zum Werk¬
zeug von Cliquen werde, ein Werkzeug, Majoritäten zu schaffen und ein
Plünderungssystem zu organisiren!" Und dann, als Schurz die Senatoren
der herrschenden Partei warnt, sagte er: "Senatoren, Ihr wißt nicht, wohin
Ihr treibt, wenn Ihr nun nicht Halt macht. Ihr wolltet nur die Schwarzen
schützen in ihren Rechten, und um dies zu thun, Eure Freunde in der Macht


zu einem Sitz in der Legislative berechtigt, sein sollten, und welche nicht. —
Welche Maßnahme, welches Gesetz befindet sich in den Landesgesetzen um solches
Einschreiten zu rechtfertigen? — Zur Entschuldigung bringt man vor, daß
die Personen, welche durch Truppen aus der Kammer geworfen wurden, nicht
die gesetzlich gewählten Repräsentanten gewesen seien. Nehmen wir an, es sei
so, doch darum handelt es sich nicht. — Die Frage ist: wo ist das constitu-
tionelle Prinzip, wo das Gesetz, welches Soldaten der vereinigten Staaten
erlaubt, mit den Waffen in der Hand zu entscheiden, wer ein rechtlich erwähl¬
tes Mitglied einer Staats - Legislative ist, und wer nicht? — Man sagt, daß
die Art und Weise, wie sich die Kammer organisirte, nicht in Einklang ge¬
wesen sei mit den Gesetzen des Staates? Angenommen, das wäre der Fall
gewesen. Aber darum handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist die con-
stitutionelle und gesetzliche Rechtfertigung, welche den Bajonetten der Staats-
lruppen erlaubt, die Gesetze der Staaten auszulegen, und für und in den
Kammern Streitpunkte parlamentarischer Praxis zu entscheiden? — Man
sagt, der Gouverneur habe die Hülfe der Bundessoldaten begehrt um die Kam¬
mer von unberechtigten Mitgliedern zu säubern! Das mag sein, aber darum
handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist das Gesetz, welches den Bundes¬
truppen gestattet auf Geheiß eines Gouverneurs unbedingt zu gehorchen, des
Gouverneurs, welcher entscheiden will, welches die rechtlichen Mitglieder der
Legislative sind, welche nach allen Vorschriften der Gesetze sich versammelt
und organisirt? — Ferner wird gesagt, daß Unannehmlichkeiten und Streit
zu befürchten sei zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien! Nehmen
wir an, das wäre der Fall gewesen; aber auch darum handelt es sich nicht!
Es fragt sich wo ist das Gesetz, welches der Bundesregierung gestattet, im
Fall bevorstehender Unruhen, ihre bewaffnete Macht dazu zu benutzen, in
eine Kammer einzudringen und deren Mitglieder herauszuzerren, um andern
Personen zu ermöglichen, die leeren Sitze einzunehmen? — Wo ist das Gesetz,
frage ich? Sie werden die Verfassung und Gesetzbücher umsonst darnach durch¬
suchen." —

Und später sagte Schurz: - „Es ist nicht der Erfolg Napoleonischen
Ehrgeizes, den ich befürchte, denn bestände er auch, so hätte derselbe gegen
ein amerikanisches, nicht gegen ein französisches Volk aufzutreten; aber wofür
ich Gründe habe zu fürchten, wenn wir auf der bisherigen Bahn weitergehen,
ist, daß dies Triebwerk der Administration mehr und mehr nur zum Werk¬
zeug von Cliquen werde, ein Werkzeug, Majoritäten zu schaffen und ein
Plünderungssystem zu organisiren!" Und dann, als Schurz die Senatoren
der herrschenden Partei warnt, sagte er: „Senatoren, Ihr wißt nicht, wohin
Ihr treibt, wenn Ihr nun nicht Halt macht. Ihr wolltet nur die Schwarzen
schützen in ihren Rechten, und um dies zu thun, Eure Freunde in der Macht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133008"/>
          <p xml:id="ID_821" prev="#ID_820"> zu einem Sitz in der Legislative berechtigt, sein sollten, und welche nicht. &#x2014;<lb/>
Welche Maßnahme, welches Gesetz befindet sich in den Landesgesetzen um solches<lb/>
Einschreiten zu rechtfertigen? &#x2014; Zur Entschuldigung bringt man vor, daß<lb/>
die Personen, welche durch Truppen aus der Kammer geworfen wurden, nicht<lb/>
die gesetzlich gewählten Repräsentanten gewesen seien. Nehmen wir an, es sei<lb/>
so, doch darum handelt es sich nicht. &#x2014; Die Frage ist: wo ist das constitu-<lb/>
tionelle Prinzip, wo das Gesetz, welches Soldaten der vereinigten Staaten<lb/>
erlaubt, mit den Waffen in der Hand zu entscheiden, wer ein rechtlich erwähl¬<lb/>
tes Mitglied einer Staats - Legislative ist, und wer nicht? &#x2014; Man sagt, daß<lb/>
die Art und Weise, wie sich die Kammer organisirte, nicht in Einklang ge¬<lb/>
wesen sei mit den Gesetzen des Staates? Angenommen, das wäre der Fall<lb/>
gewesen. Aber darum handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist die con-<lb/>
stitutionelle und gesetzliche Rechtfertigung, welche den Bajonetten der Staats-<lb/>
lruppen erlaubt, die Gesetze der Staaten auszulegen, und für und in den<lb/>
Kammern Streitpunkte parlamentarischer Praxis zu entscheiden? &#x2014; Man<lb/>
sagt, der Gouverneur habe die Hülfe der Bundessoldaten begehrt um die Kam¬<lb/>
mer von unberechtigten Mitgliedern zu säubern! Das mag sein, aber darum<lb/>
handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist das Gesetz, welches den Bundes¬<lb/>
truppen gestattet auf Geheiß eines Gouverneurs unbedingt zu gehorchen, des<lb/>
Gouverneurs, welcher entscheiden will, welches die rechtlichen Mitglieder der<lb/>
Legislative sind, welche nach allen Vorschriften der Gesetze sich versammelt<lb/>
und organisirt? &#x2014; Ferner wird gesagt, daß Unannehmlichkeiten und Streit<lb/>
zu befürchten sei zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien! Nehmen<lb/>
wir an, das wäre der Fall gewesen; aber auch darum handelt es sich nicht!<lb/>
Es fragt sich wo ist das Gesetz, welches der Bundesregierung gestattet, im<lb/>
Fall bevorstehender Unruhen, ihre bewaffnete Macht dazu zu benutzen, in<lb/>
eine Kammer einzudringen und deren Mitglieder herauszuzerren, um andern<lb/>
Personen zu ermöglichen, die leeren Sitze einzunehmen? &#x2014; Wo ist das Gesetz,<lb/>
frage ich? Sie werden die Verfassung und Gesetzbücher umsonst darnach durch¬<lb/>
suchen." &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_822" next="#ID_823"> Und später sagte Schurz: - &#x201E;Es ist nicht der Erfolg Napoleonischen<lb/>
Ehrgeizes, den ich befürchte, denn bestände er auch, so hätte derselbe gegen<lb/>
ein amerikanisches, nicht gegen ein französisches Volk aufzutreten; aber wofür<lb/>
ich Gründe habe zu fürchten, wenn wir auf der bisherigen Bahn weitergehen,<lb/>
ist, daß dies Triebwerk der Administration mehr und mehr nur zum Werk¬<lb/>
zeug von Cliquen werde, ein Werkzeug, Majoritäten zu schaffen und ein<lb/>
Plünderungssystem zu organisiren!" Und dann, als Schurz die Senatoren<lb/>
der herrschenden Partei warnt, sagte er: &#x201E;Senatoren, Ihr wißt nicht, wohin<lb/>
Ihr treibt, wenn Ihr nun nicht Halt macht. Ihr wolltet nur die Schwarzen<lb/>
schützen in ihren Rechten, und um dies zu thun, Eure Freunde in der Macht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0246] zu einem Sitz in der Legislative berechtigt, sein sollten, und welche nicht. — Welche Maßnahme, welches Gesetz befindet sich in den Landesgesetzen um solches Einschreiten zu rechtfertigen? — Zur Entschuldigung bringt man vor, daß die Personen, welche durch Truppen aus der Kammer geworfen wurden, nicht die gesetzlich gewählten Repräsentanten gewesen seien. Nehmen wir an, es sei so, doch darum handelt es sich nicht. — Die Frage ist: wo ist das constitu- tionelle Prinzip, wo das Gesetz, welches Soldaten der vereinigten Staaten erlaubt, mit den Waffen in der Hand zu entscheiden, wer ein rechtlich erwähl¬ tes Mitglied einer Staats - Legislative ist, und wer nicht? — Man sagt, daß die Art und Weise, wie sich die Kammer organisirte, nicht in Einklang ge¬ wesen sei mit den Gesetzen des Staates? Angenommen, das wäre der Fall gewesen. Aber darum handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist die con- stitutionelle und gesetzliche Rechtfertigung, welche den Bajonetten der Staats- lruppen erlaubt, die Gesetze der Staaten auszulegen, und für und in den Kammern Streitpunkte parlamentarischer Praxis zu entscheiden? — Man sagt, der Gouverneur habe die Hülfe der Bundessoldaten begehrt um die Kam¬ mer von unberechtigten Mitgliedern zu säubern! Das mag sein, aber darum handelt es sich nicht! Die Frage ist, wo ist das Gesetz, welches den Bundes¬ truppen gestattet auf Geheiß eines Gouverneurs unbedingt zu gehorchen, des Gouverneurs, welcher entscheiden will, welches die rechtlichen Mitglieder der Legislative sind, welche nach allen Vorschriften der Gesetze sich versammelt und organisirt? — Ferner wird gesagt, daß Unannehmlichkeiten und Streit zu befürchten sei zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien! Nehmen wir an, das wäre der Fall gewesen; aber auch darum handelt es sich nicht! Es fragt sich wo ist das Gesetz, welches der Bundesregierung gestattet, im Fall bevorstehender Unruhen, ihre bewaffnete Macht dazu zu benutzen, in eine Kammer einzudringen und deren Mitglieder herauszuzerren, um andern Personen zu ermöglichen, die leeren Sitze einzunehmen? — Wo ist das Gesetz, frage ich? Sie werden die Verfassung und Gesetzbücher umsonst darnach durch¬ suchen." — Und später sagte Schurz: - „Es ist nicht der Erfolg Napoleonischen Ehrgeizes, den ich befürchte, denn bestände er auch, so hätte derselbe gegen ein amerikanisches, nicht gegen ein französisches Volk aufzutreten; aber wofür ich Gründe habe zu fürchten, wenn wir auf der bisherigen Bahn weitergehen, ist, daß dies Triebwerk der Administration mehr und mehr nur zum Werk¬ zeug von Cliquen werde, ein Werkzeug, Majoritäten zu schaffen und ein Plünderungssystem zu organisiren!" Und dann, als Schurz die Senatoren der herrschenden Partei warnt, sagte er: „Senatoren, Ihr wißt nicht, wohin Ihr treibt, wenn Ihr nun nicht Halt macht. Ihr wolltet nur die Schwarzen schützen in ihren Rechten, und um dies zu thun, Eure Freunde in der Macht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/246
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/246>, abgerufen am 03.07.2024.