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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Heiden in New-Orleans mißbilligt. Oder um mit den Worten eines der
vornehmsten bisherigen Verfechter des "Grant'schen" Regierungssystems, des
Vice-Präsidenten der Vereinigten Staaten Wilson zu sprechen: "Das Land ist
wie hundert zu eins gegen uns in dieser Angelegenheit!" --

Die Rede, welche Karl Schurz in dieser Angelegenheit am 11. Januar
im Senate der Vereinigten Staaten hielt, war epochemachend. Die Gallerten
waren überfüllt, die Gänge, die Ankleidezimmer, die Bibliothek, neben dem
Senatssaal, waren bis zum Ueberfluthen gedrängt voll Menschen. Das
Cabinet Grant's war durch fünf seiner Minister im Zuhörerraum vertreten,
von den Senatoren fehlte kaum Einer, -- Alle aber lauschten den beredten
Worten des Senators Schurz, dessen Reden über wichtige Vorkommnisse über¬
haupt stets als ein Staatsereigniß betrachtet werden. Seit seiner großen
Rede im Jahre 1872 über die Untersuchung wegen des Verkaufs von Waffen
an die Franzosen, waren nicht so viele Zuhörer auf den Gallerien u. f. w.
erschienen. Seine neueste Rede wirkte besonders deßhalb, weil dieselbe den Ur¬
hebern des Attentats jeden Entschuldigungsgrund der That von Anfang an
entzog. Leider ist es uns nur möglich, einige Stellen der Rede, herauszu¬
greifen, Stellen welche am meisten Eindruck machten, und deren klare Logik
und tiefe Staatsweisheit möglichste Verbreitung verdient.

"Eins" sagte Schurz "hütet ein freies Volk, das unter einer verfassungs¬
treuen Regierung lebt, mit besonderer Eifersucht, als die hauptsächlichste Ga¬
rantie republikanischer Institutionen; das ist die absolute Freiheit der Legis¬
latur vor Einmischung von Seiten der Executive, besonders vor einer Ein¬
mischung mit Gewalt. Deßhalb ist solche Einmischung in einem wirklich con-
stjtutionellen Staat, mögen die Beschlüsse der Legislative gut oder schlecht
sein, besonders wenn es sich um die Aufnahme ihrer eignen Mitglieder han¬
delt, sehr entschieden verdammt; mag diese Einmischung durch einen Gouver¬
neur, Präsidenten oder König ausgeführt werden. Und wenn je solche Ein¬
mischung von Erfolg gekrönt ist, wird dieselbe gerechterweise angesehen als
ein bedauerliches Merkmal der Abnahme des Verständnisses für freie Institu¬
tionen. Ein andres Grundrecht, welches das amerikanische Volk besonders heilig
hält und ansieht als ein Lebenselement seiner republikanischen Freiheit, ist
das Recht, seine Loealangelegenheiten unabhängig zu führen durch die Aus¬
übung des "Selfgouvernement", welches in dem Organismus der Einzelstaaten
besteht; deßhalb finden wir in der Verfassung dieser Republik das Recht der
Bundes-Regierung in die Angelegenheiten des Staates sich einzumischen, scru-
pulös auf einige bestimmt bezeichnete Fälle beschränkt, und nur unter streng vor¬
geschriebenen Formen ist solche Einmischung erlaubt, -- wenn diese Ein¬
schränkung aber von unseren Central-Behörden rücksichtslos mißachtet wird,
so können wir sicherlich sagen, daß unser System republikanischer Negierung


Heiden in New-Orleans mißbilligt. Oder um mit den Worten eines der
vornehmsten bisherigen Verfechter des „Grant'schen" Regierungssystems, des
Vice-Präsidenten der Vereinigten Staaten Wilson zu sprechen: „Das Land ist
wie hundert zu eins gegen uns in dieser Angelegenheit!" —

Die Rede, welche Karl Schurz in dieser Angelegenheit am 11. Januar
im Senate der Vereinigten Staaten hielt, war epochemachend. Die Gallerten
waren überfüllt, die Gänge, die Ankleidezimmer, die Bibliothek, neben dem
Senatssaal, waren bis zum Ueberfluthen gedrängt voll Menschen. Das
Cabinet Grant's war durch fünf seiner Minister im Zuhörerraum vertreten,
von den Senatoren fehlte kaum Einer, — Alle aber lauschten den beredten
Worten des Senators Schurz, dessen Reden über wichtige Vorkommnisse über¬
haupt stets als ein Staatsereigniß betrachtet werden. Seit seiner großen
Rede im Jahre 1872 über die Untersuchung wegen des Verkaufs von Waffen
an die Franzosen, waren nicht so viele Zuhörer auf den Gallerien u. f. w.
erschienen. Seine neueste Rede wirkte besonders deßhalb, weil dieselbe den Ur¬
hebern des Attentats jeden Entschuldigungsgrund der That von Anfang an
entzog. Leider ist es uns nur möglich, einige Stellen der Rede, herauszu¬
greifen, Stellen welche am meisten Eindruck machten, und deren klare Logik
und tiefe Staatsweisheit möglichste Verbreitung verdient.

„Eins" sagte Schurz „hütet ein freies Volk, das unter einer verfassungs¬
treuen Regierung lebt, mit besonderer Eifersucht, als die hauptsächlichste Ga¬
rantie republikanischer Institutionen; das ist die absolute Freiheit der Legis¬
latur vor Einmischung von Seiten der Executive, besonders vor einer Ein¬
mischung mit Gewalt. Deßhalb ist solche Einmischung in einem wirklich con-
stjtutionellen Staat, mögen die Beschlüsse der Legislative gut oder schlecht
sein, besonders wenn es sich um die Aufnahme ihrer eignen Mitglieder han¬
delt, sehr entschieden verdammt; mag diese Einmischung durch einen Gouver¬
neur, Präsidenten oder König ausgeführt werden. Und wenn je solche Ein¬
mischung von Erfolg gekrönt ist, wird dieselbe gerechterweise angesehen als
ein bedauerliches Merkmal der Abnahme des Verständnisses für freie Institu¬
tionen. Ein andres Grundrecht, welches das amerikanische Volk besonders heilig
hält und ansieht als ein Lebenselement seiner republikanischen Freiheit, ist
das Recht, seine Loealangelegenheiten unabhängig zu führen durch die Aus¬
übung des „Selfgouvernement", welches in dem Organismus der Einzelstaaten
besteht; deßhalb finden wir in der Verfassung dieser Republik das Recht der
Bundes-Regierung in die Angelegenheiten des Staates sich einzumischen, scru-
pulös auf einige bestimmt bezeichnete Fälle beschränkt, und nur unter streng vor¬
geschriebenen Formen ist solche Einmischung erlaubt, — wenn diese Ein¬
schränkung aber von unseren Central-Behörden rücksichtslos mißachtet wird,
so können wir sicherlich sagen, daß unser System republikanischer Negierung


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[0244] Heiden in New-Orleans mißbilligt. Oder um mit den Worten eines der vornehmsten bisherigen Verfechter des „Grant'schen" Regierungssystems, des Vice-Präsidenten der Vereinigten Staaten Wilson zu sprechen: „Das Land ist wie hundert zu eins gegen uns in dieser Angelegenheit!" — Die Rede, welche Karl Schurz in dieser Angelegenheit am 11. Januar im Senate der Vereinigten Staaten hielt, war epochemachend. Die Gallerten waren überfüllt, die Gänge, die Ankleidezimmer, die Bibliothek, neben dem Senatssaal, waren bis zum Ueberfluthen gedrängt voll Menschen. Das Cabinet Grant's war durch fünf seiner Minister im Zuhörerraum vertreten, von den Senatoren fehlte kaum Einer, — Alle aber lauschten den beredten Worten des Senators Schurz, dessen Reden über wichtige Vorkommnisse über¬ haupt stets als ein Staatsereigniß betrachtet werden. Seit seiner großen Rede im Jahre 1872 über die Untersuchung wegen des Verkaufs von Waffen an die Franzosen, waren nicht so viele Zuhörer auf den Gallerien u. f. w. erschienen. Seine neueste Rede wirkte besonders deßhalb, weil dieselbe den Ur¬ hebern des Attentats jeden Entschuldigungsgrund der That von Anfang an entzog. Leider ist es uns nur möglich, einige Stellen der Rede, herauszu¬ greifen, Stellen welche am meisten Eindruck machten, und deren klare Logik und tiefe Staatsweisheit möglichste Verbreitung verdient. „Eins" sagte Schurz „hütet ein freies Volk, das unter einer verfassungs¬ treuen Regierung lebt, mit besonderer Eifersucht, als die hauptsächlichste Ga¬ rantie republikanischer Institutionen; das ist die absolute Freiheit der Legis¬ latur vor Einmischung von Seiten der Executive, besonders vor einer Ein¬ mischung mit Gewalt. Deßhalb ist solche Einmischung in einem wirklich con- stjtutionellen Staat, mögen die Beschlüsse der Legislative gut oder schlecht sein, besonders wenn es sich um die Aufnahme ihrer eignen Mitglieder han¬ delt, sehr entschieden verdammt; mag diese Einmischung durch einen Gouver¬ neur, Präsidenten oder König ausgeführt werden. Und wenn je solche Ein¬ mischung von Erfolg gekrönt ist, wird dieselbe gerechterweise angesehen als ein bedauerliches Merkmal der Abnahme des Verständnisses für freie Institu¬ tionen. Ein andres Grundrecht, welches das amerikanische Volk besonders heilig hält und ansieht als ein Lebenselement seiner republikanischen Freiheit, ist das Recht, seine Loealangelegenheiten unabhängig zu führen durch die Aus¬ übung des „Selfgouvernement", welches in dem Organismus der Einzelstaaten besteht; deßhalb finden wir in der Verfassung dieser Republik das Recht der Bundes-Regierung in die Angelegenheiten des Staates sich einzumischen, scru- pulös auf einige bestimmt bezeichnete Fälle beschränkt, und nur unter streng vor¬ geschriebenen Formen ist solche Einmischung erlaubt, — wenn diese Ein¬ schränkung aber von unseren Central-Behörden rücksichtslos mißachtet wird, so können wir sicherlich sagen, daß unser System republikanischer Negierung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/244>, abgerufen am 23.07.2024.