Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sie mit gutem Streich, und sofort zerbricht Oesterreich die Kette des letzten
Concordats, das es an Rom band fester als selbst Spanien. Man jagt die
Jesuiten aus Wien und die frommen Habsburger müssen sich bei Gefahr
ihrer Krone von der Schwelle abwenden, wo der Ursprung aller Knechtschaft
ist. Und in Deinem letzten Krieg, in welchem der Herr der Heerschaaren Deine
Waffen so sichtlich beschützt hat. hast Du aufs Neue die lateinischen Racen
heimgesucht, welche unter dem dichten Schatten des römischen Giftbaumes
dahinwelken. Dank darum, Wilhelm, Deiner Hand, die blutig ist wie die
Macbeths! (I!) -- Der Mann von Sedan war nicht nur ein Cäsar vom
reinsten Wasser, sondern hatte auch die Ehre, Kanonikus von Se. Johann
im Lateran und Gevatter des Papstes zu sein, welcher der Pathe seines
Sohnes war. Auch hat sich die Kirche Frankreichs unter seiner ruhmreichen
Regierung merkwürdig umgestaltet. Unter Ludwig XIV. war unsere Kirche
cMikanisch, sie war es noch unter Karl X., denn 53 Bischöfe, der Erzbischof
von Paris an der Spitze, erneuerten im Jahr 1827 die Bossuet'schen Deklara¬
tionen von 1682. Aber für unsere heutigen Ultramontanen ist Bossuet ein
ganz tief stehender Geist, nichts als ein Freidenker, das heißt, wie Veuillot
sich so glücklich ausdrückt, gerade so viel werth "wie eine Rübe". -- Gewiß
der Mann von Sedan war nicht tugendhaft, das bedarf keines Beweises,
aber er war gut katholisch und arbeitete mit Bewußtsein am Vortheil der
Kirche wie am Gedeihen seiner Dynastie. Unter seiner gesegneten Regierung
war die Kirche die streitende und die triumphirende zumal. Die religiösen
Genossenschaften sahen ihre Zahl und ihre Reichthümer sich verdreifachen.
Cardinäle, Senatoren, Großalmoseniers, Domherren von Se. Denis, Mönche
jeder Farbe wimmelten um den Thron, ihn mit ihren "ol-emus" überschüttend
und mit Weihwasser besprengend, dessen er so bedürftig war! Dieser heilige
Bund des Kaisers und des Papstes flößte der Kirche unerhörte Kühnheit ein.
Der ehrbare Pius IX. verfaßte den Syllabus, raubte den kleinen Mortara
trotz der Einsprache Europas, berief ein ökumenisches Concil, auf welchem
ungeachtet scandalöser, kaum unterdrückter Debatten die Unfehlbarkeit des
Statthalters Christi ausgerufen wurde. Zur Einleitung von dem Allen hatten
die Jesuiten, welche sich auf Wunder verstehen -- denn das ist ein vortreff¬
liches Mittel der Verdummung -- die Heiligsprechung der Maria Alacoque
und Benoit Ladre durchgesetzt. Die Wunder vervielfältigten sich: das von
Lourdes, von Salette u. s. w. Man glaubte endlich den rechten Augenblick
gekommen, um das Dogma von der unbefleckten Empfängniß aufzustellen.

Niemals war, das sprang in die Augen, der Glaube lebendiger und
blühender. Das Mittelalter begann neu zu erstehen und schon ließen sich die
Senatoren, in den Spuren der alten Sorbonne wandelnd, herbei, den Ge¬
lehrten und Naturforschern vorzuschreiben, was zu entdecken erlaubt sei und


sie mit gutem Streich, und sofort zerbricht Oesterreich die Kette des letzten
Concordats, das es an Rom band fester als selbst Spanien. Man jagt die
Jesuiten aus Wien und die frommen Habsburger müssen sich bei Gefahr
ihrer Krone von der Schwelle abwenden, wo der Ursprung aller Knechtschaft
ist. Und in Deinem letzten Krieg, in welchem der Herr der Heerschaaren Deine
Waffen so sichtlich beschützt hat. hast Du aufs Neue die lateinischen Racen
heimgesucht, welche unter dem dichten Schatten des römischen Giftbaumes
dahinwelken. Dank darum, Wilhelm, Deiner Hand, die blutig ist wie die
Macbeths! (I!) — Der Mann von Sedan war nicht nur ein Cäsar vom
reinsten Wasser, sondern hatte auch die Ehre, Kanonikus von Se. Johann
im Lateran und Gevatter des Papstes zu sein, welcher der Pathe seines
Sohnes war. Auch hat sich die Kirche Frankreichs unter seiner ruhmreichen
Regierung merkwürdig umgestaltet. Unter Ludwig XIV. war unsere Kirche
cMikanisch, sie war es noch unter Karl X., denn 53 Bischöfe, der Erzbischof
von Paris an der Spitze, erneuerten im Jahr 1827 die Bossuet'schen Deklara¬
tionen von 1682. Aber für unsere heutigen Ultramontanen ist Bossuet ein
ganz tief stehender Geist, nichts als ein Freidenker, das heißt, wie Veuillot
sich so glücklich ausdrückt, gerade so viel werth „wie eine Rübe". — Gewiß
der Mann von Sedan war nicht tugendhaft, das bedarf keines Beweises,
aber er war gut katholisch und arbeitete mit Bewußtsein am Vortheil der
Kirche wie am Gedeihen seiner Dynastie. Unter seiner gesegneten Regierung
war die Kirche die streitende und die triumphirende zumal. Die religiösen
Genossenschaften sahen ihre Zahl und ihre Reichthümer sich verdreifachen.
Cardinäle, Senatoren, Großalmoseniers, Domherren von Se. Denis, Mönche
jeder Farbe wimmelten um den Thron, ihn mit ihren „ol-emus" überschüttend
und mit Weihwasser besprengend, dessen er so bedürftig war! Dieser heilige
Bund des Kaisers und des Papstes flößte der Kirche unerhörte Kühnheit ein.
Der ehrbare Pius IX. verfaßte den Syllabus, raubte den kleinen Mortara
trotz der Einsprache Europas, berief ein ökumenisches Concil, auf welchem
ungeachtet scandalöser, kaum unterdrückter Debatten die Unfehlbarkeit des
Statthalters Christi ausgerufen wurde. Zur Einleitung von dem Allen hatten
die Jesuiten, welche sich auf Wunder verstehen — denn das ist ein vortreff¬
liches Mittel der Verdummung — die Heiligsprechung der Maria Alacoque
und Benoit Ladre durchgesetzt. Die Wunder vervielfältigten sich: das von
Lourdes, von Salette u. s. w. Man glaubte endlich den rechten Augenblick
gekommen, um das Dogma von der unbefleckten Empfängniß aufzustellen.

Niemals war, das sprang in die Augen, der Glaube lebendiger und
blühender. Das Mittelalter begann neu zu erstehen und schon ließen sich die
Senatoren, in den Spuren der alten Sorbonne wandelnd, herbei, den Ge¬
lehrten und Naturforschern vorzuschreiben, was zu entdecken erlaubt sei und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132965"/>
          <p xml:id="ID_698" prev="#ID_697"> sie mit gutem Streich, und sofort zerbricht Oesterreich die Kette des letzten<lb/>
Concordats, das es an Rom band fester als selbst Spanien. Man jagt die<lb/>
Jesuiten aus Wien und die frommen Habsburger müssen sich bei Gefahr<lb/>
ihrer Krone von der Schwelle abwenden, wo der Ursprung aller Knechtschaft<lb/>
ist. Und in Deinem letzten Krieg, in welchem der Herr der Heerschaaren Deine<lb/>
Waffen so sichtlich beschützt hat. hast Du aufs Neue die lateinischen Racen<lb/>
heimgesucht, welche unter dem dichten Schatten des römischen Giftbaumes<lb/>
dahinwelken. Dank darum, Wilhelm, Deiner Hand, die blutig ist wie die<lb/>
Macbeths! (I!) &#x2014; Der Mann von Sedan war nicht nur ein Cäsar vom<lb/>
reinsten Wasser, sondern hatte auch die Ehre, Kanonikus von Se. Johann<lb/>
im Lateran und Gevatter des Papstes zu sein, welcher der Pathe seines<lb/>
Sohnes war. Auch hat sich die Kirche Frankreichs unter seiner ruhmreichen<lb/>
Regierung merkwürdig umgestaltet. Unter Ludwig XIV. war unsere Kirche<lb/>
cMikanisch, sie war es noch unter Karl X., denn 53 Bischöfe, der Erzbischof<lb/>
von Paris an der Spitze, erneuerten im Jahr 1827 die Bossuet'schen Deklara¬<lb/>
tionen von 1682. Aber für unsere heutigen Ultramontanen ist Bossuet ein<lb/>
ganz tief stehender Geist, nichts als ein Freidenker, das heißt, wie Veuillot<lb/>
sich so glücklich ausdrückt, gerade so viel werth &#x201E;wie eine Rübe". &#x2014; Gewiß<lb/>
der Mann von Sedan war nicht tugendhaft, das bedarf keines Beweises,<lb/>
aber er war gut katholisch und arbeitete mit Bewußtsein am Vortheil der<lb/>
Kirche wie am Gedeihen seiner Dynastie. Unter seiner gesegneten Regierung<lb/>
war die Kirche die streitende und die triumphirende zumal. Die religiösen<lb/>
Genossenschaften sahen ihre Zahl und ihre Reichthümer sich verdreifachen.<lb/>
Cardinäle, Senatoren, Großalmoseniers, Domherren von Se. Denis, Mönche<lb/>
jeder Farbe wimmelten um den Thron, ihn mit ihren &#x201E;ol-emus" überschüttend<lb/>
und mit Weihwasser besprengend, dessen er so bedürftig war! Dieser heilige<lb/>
Bund des Kaisers und des Papstes flößte der Kirche unerhörte Kühnheit ein.<lb/>
Der ehrbare Pius IX. verfaßte den Syllabus, raubte den kleinen Mortara<lb/>
trotz der Einsprache Europas, berief ein ökumenisches Concil, auf welchem<lb/>
ungeachtet scandalöser, kaum unterdrückter Debatten die Unfehlbarkeit des<lb/>
Statthalters Christi ausgerufen wurde. Zur Einleitung von dem Allen hatten<lb/>
die Jesuiten, welche sich auf Wunder verstehen &#x2014; denn das ist ein vortreff¬<lb/>
liches Mittel der Verdummung &#x2014; die Heiligsprechung der Maria Alacoque<lb/>
und Benoit Ladre durchgesetzt. Die Wunder vervielfältigten sich: das von<lb/>
Lourdes, von Salette u. s. w. Man glaubte endlich den rechten Augenblick<lb/>
gekommen, um das Dogma von der unbefleckten Empfängniß aufzustellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_699" next="#ID_700"> Niemals war, das sprang in die Augen, der Glaube lebendiger und<lb/>
blühender. Das Mittelalter begann neu zu erstehen und schon ließen sich die<lb/>
Senatoren, in den Spuren der alten Sorbonne wandelnd, herbei, den Ge¬<lb/>
lehrten und Naturforschern vorzuschreiben, was zu entdecken erlaubt sei und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0205] sie mit gutem Streich, und sofort zerbricht Oesterreich die Kette des letzten Concordats, das es an Rom band fester als selbst Spanien. Man jagt die Jesuiten aus Wien und die frommen Habsburger müssen sich bei Gefahr ihrer Krone von der Schwelle abwenden, wo der Ursprung aller Knechtschaft ist. Und in Deinem letzten Krieg, in welchem der Herr der Heerschaaren Deine Waffen so sichtlich beschützt hat. hast Du aufs Neue die lateinischen Racen heimgesucht, welche unter dem dichten Schatten des römischen Giftbaumes dahinwelken. Dank darum, Wilhelm, Deiner Hand, die blutig ist wie die Macbeths! (I!) — Der Mann von Sedan war nicht nur ein Cäsar vom reinsten Wasser, sondern hatte auch die Ehre, Kanonikus von Se. Johann im Lateran und Gevatter des Papstes zu sein, welcher der Pathe seines Sohnes war. Auch hat sich die Kirche Frankreichs unter seiner ruhmreichen Regierung merkwürdig umgestaltet. Unter Ludwig XIV. war unsere Kirche cMikanisch, sie war es noch unter Karl X., denn 53 Bischöfe, der Erzbischof von Paris an der Spitze, erneuerten im Jahr 1827 die Bossuet'schen Deklara¬ tionen von 1682. Aber für unsere heutigen Ultramontanen ist Bossuet ein ganz tief stehender Geist, nichts als ein Freidenker, das heißt, wie Veuillot sich so glücklich ausdrückt, gerade so viel werth „wie eine Rübe". — Gewiß der Mann von Sedan war nicht tugendhaft, das bedarf keines Beweises, aber er war gut katholisch und arbeitete mit Bewußtsein am Vortheil der Kirche wie am Gedeihen seiner Dynastie. Unter seiner gesegneten Regierung war die Kirche die streitende und die triumphirende zumal. Die religiösen Genossenschaften sahen ihre Zahl und ihre Reichthümer sich verdreifachen. Cardinäle, Senatoren, Großalmoseniers, Domherren von Se. Denis, Mönche jeder Farbe wimmelten um den Thron, ihn mit ihren „ol-emus" überschüttend und mit Weihwasser besprengend, dessen er so bedürftig war! Dieser heilige Bund des Kaisers und des Papstes flößte der Kirche unerhörte Kühnheit ein. Der ehrbare Pius IX. verfaßte den Syllabus, raubte den kleinen Mortara trotz der Einsprache Europas, berief ein ökumenisches Concil, auf welchem ungeachtet scandalöser, kaum unterdrückter Debatten die Unfehlbarkeit des Statthalters Christi ausgerufen wurde. Zur Einleitung von dem Allen hatten die Jesuiten, welche sich auf Wunder verstehen — denn das ist ein vortreff¬ liches Mittel der Verdummung — die Heiligsprechung der Maria Alacoque und Benoit Ladre durchgesetzt. Die Wunder vervielfältigten sich: das von Lourdes, von Salette u. s. w. Man glaubte endlich den rechten Augenblick gekommen, um das Dogma von der unbefleckten Empfängniß aufzustellen. Niemals war, das sprang in die Augen, der Glaube lebendiger und blühender. Das Mittelalter begann neu zu erstehen und schon ließen sich die Senatoren, in den Spuren der alten Sorbonne wandelnd, herbei, den Ge¬ lehrten und Naturforschern vorzuschreiben, was zu entdecken erlaubt sei und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/205
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/205>, abgerufen am 03.07.2024.