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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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einer principiellen Veränderung der Verfassung beruht und verdient daher
besonders gewürdigt zu werden.

Der jetzige Norwegische Storthing besteht aus zwei Abtheilungen,
dem sog. Odelsthing und dem Lage hing. Letzterer wird aus dem ganzen
Storthing, gewählt und zählt ^ der Mitglieder desselben. Er soll dazu
dienen, gewissermaßen eine eontrollirende Thätigkeit auszuüben und seine
Mitglieder -- das ist wenigstens der Sinn der Bestimmung -- sollen sich
vor anderen durch reiferes Urtheil und größere Erfahrung auszeichnen. Ein
Gesetzvorschlag wird zuerst im Odelsthing berathen und dann dem Lagthing
zur Revision zugeschickt, der ihn dann entweder verwirft oder billigt. Man
kann den Lagthing vergleichen mit einer Art Senat und findet ein Analogon
dazu in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist also gewisserweise,
wenn auch in sehr beschränktem Maaße, eine Art Zweikammersystem selbst
hier in Norwegen eingeführt, dasselbe ist aber immer an sehr beschränkte
Grenzen gebunden, denn wenn z. B. Lagthing und Odelsthing sich nicht
einigen können, tritt der ganze Storthing zusammen und beschließt gemeinsam.

Die conservative Partei denkt nun, diesen Lagthing in eine Art Ober¬
haus umzugestalten und auch in dem Berichte der Herrn Aschehong und Kyhn
wird diese Frage untersucht. Sie besprechen darin die Möglichkeit, den Lag¬
thing zu einer von besonderen Wählern gewählten Vertretung zu machen, wo¬
durch das Hauptcriterium für ein Zweikammersystem, das Hervorgehen der
beiden Kammern aus verschiedenen Volksklassen, gegeben wird. Sie machen
verschiedene Vorschläge, wie ein solcher Lagthing zu wählen sein solle und
sagen, es gäbe auch hier in Norwegen Gesellschafts-Classen, welche eine Art
Aristokratie bildeten, hervorgerufen durch größeren Besitz, Bildung u. f. w.,
mit einem Worte, sie behaupten, die Elemente für ein Oberhaus seien hier
vorhanden. Und da solche Elemente hier vorhanden seien, fahren sie fort,
müßten sie sich auch durch gesetzliche Bestimmungen zum Ausdruck bringen
lassen, und wenn es auch der Natur der Sache nach unmöglich sei, diese Be¬
stimmungen so genau zu treffen, daß sie ausschließlich und nur die richtigen
Personen und Classen träfen, so sei es doch gewiß denkbar, daß sie im Gro¬
ßen und Ganzen genommen das gewünschte Resultat ergeben würden.

Auf mehrfache Weise könnte man dies erreichen. Man könnte z. B. das
Wahlrecht zum Lagthing an ein gewisses Vermögen oder eine gewisse Ein¬
nahme knüpfen, an den Besitz eines Grundeigenthums von bestimmter Größe,
an die Bedingung, daß man zu den höchsten Steuerzahlern des Districts ge¬
höre oder man könne endlich alle diese Bedingungen neben einander aufstellen,
ohne sich bestimmt an eine einzelne zu halten. Um dem neuzuschaffenden
Lagthing das nöthige Ansehen zu geben müßte man allerdings eine genügend
große Anzahl der zu ihm Wählenden aufzutreiben suchen, aber auch dies sei


einer principiellen Veränderung der Verfassung beruht und verdient daher
besonders gewürdigt zu werden.

Der jetzige Norwegische Storthing besteht aus zwei Abtheilungen,
dem sog. Odelsthing und dem Lage hing. Letzterer wird aus dem ganzen
Storthing, gewählt und zählt ^ der Mitglieder desselben. Er soll dazu
dienen, gewissermaßen eine eontrollirende Thätigkeit auszuüben und seine
Mitglieder — das ist wenigstens der Sinn der Bestimmung — sollen sich
vor anderen durch reiferes Urtheil und größere Erfahrung auszeichnen. Ein
Gesetzvorschlag wird zuerst im Odelsthing berathen und dann dem Lagthing
zur Revision zugeschickt, der ihn dann entweder verwirft oder billigt. Man
kann den Lagthing vergleichen mit einer Art Senat und findet ein Analogon
dazu in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist also gewisserweise,
wenn auch in sehr beschränktem Maaße, eine Art Zweikammersystem selbst
hier in Norwegen eingeführt, dasselbe ist aber immer an sehr beschränkte
Grenzen gebunden, denn wenn z. B. Lagthing und Odelsthing sich nicht
einigen können, tritt der ganze Storthing zusammen und beschließt gemeinsam.

Die conservative Partei denkt nun, diesen Lagthing in eine Art Ober¬
haus umzugestalten und auch in dem Berichte der Herrn Aschehong und Kyhn
wird diese Frage untersucht. Sie besprechen darin die Möglichkeit, den Lag¬
thing zu einer von besonderen Wählern gewählten Vertretung zu machen, wo¬
durch das Hauptcriterium für ein Zweikammersystem, das Hervorgehen der
beiden Kammern aus verschiedenen Volksklassen, gegeben wird. Sie machen
verschiedene Vorschläge, wie ein solcher Lagthing zu wählen sein solle und
sagen, es gäbe auch hier in Norwegen Gesellschafts-Classen, welche eine Art
Aristokratie bildeten, hervorgerufen durch größeren Besitz, Bildung u. f. w.,
mit einem Worte, sie behaupten, die Elemente für ein Oberhaus seien hier
vorhanden. Und da solche Elemente hier vorhanden seien, fahren sie fort,
müßten sie sich auch durch gesetzliche Bestimmungen zum Ausdruck bringen
lassen, und wenn es auch der Natur der Sache nach unmöglich sei, diese Be¬
stimmungen so genau zu treffen, daß sie ausschließlich und nur die richtigen
Personen und Classen träfen, so sei es doch gewiß denkbar, daß sie im Gro¬
ßen und Ganzen genommen das gewünschte Resultat ergeben würden.

Auf mehrfache Weise könnte man dies erreichen. Man könnte z. B. das
Wahlrecht zum Lagthing an ein gewisses Vermögen oder eine gewisse Ein¬
nahme knüpfen, an den Besitz eines Grundeigenthums von bestimmter Größe,
an die Bedingung, daß man zu den höchsten Steuerzahlern des Districts ge¬
höre oder man könne endlich alle diese Bedingungen neben einander aufstellen,
ohne sich bestimmt an eine einzelne zu halten. Um dem neuzuschaffenden
Lagthing das nöthige Ansehen zu geben müßte man allerdings eine genügend
große Anzahl der zu ihm Wählenden aufzutreiben suchen, aber auch dies sei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/187>, abgerufen am 23.07.2024.