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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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klcirung des gegenwärtigen Präsidenten des evangelischen Oberkirchenraths in
Bezug auf den Königlich Sächsischen Entwurf einer Kirchenordnung, aus
welcher wir die wichtigen Schlußworte herausheben: "Auch in Sachsen gilt
der gemeinevangelische Rechtssatz, daß wenigstens Veränderungen in der Ver¬
fassung der Landeskirche und in den mit der Lehre zusammenhängenden Ord¬
nungen (insbesondere den liturgischen) nicht aus dem bloßen Willen des Regi¬
ments gültig hervorgehen können, sondern der Zustimmung von Lehramt und
Gemeinde bedürfen. Die Absicht, diesen Satz aufzuheben und an seine Stelle
das ausschließliche Recht des von der Landessynode bloß berathenen Kirchen¬
regiments zu setzen, kann bei der Entwerfung eines Gesetzes, welches auf Er¬
weiterung und Organisirung des gemeindlichen Antheils am Handeln der
Kirche ausgeht, nicht gewaltet haben." Es ist sodann die Geltung, welche
die hannöversche Vorsynode in Anspruch nahm und empfing. Obwohl als
berathende berufen, sah sie sich als gesetzgebend an, und die Stände erklärten,
daß die durch Zusammenwirken des Regiments und der Vorsynode zu Stande
gekommenen Beschlüsse von dem verfassungsmäßigen Organ der kirchlichen
Gesetzgebung gefaßt seien. Was nun die gesetzgebende Thätigkeit der Vor¬
synode betrifft, so stellt der Herr Verfasser zwei Forderungen an sie, von
deren Erfüllung er eine erfolgreiche Wirksamkeit derselben abhängig macht.
Die erste betrifft die Abgrenzung der Befugnisse zwischen den Provinzial-
Synodcn und der General-Synode. Da der Entwurf der Synodal-Ordnung
in § 63 alm. 3 erklärt: "Die Provinzial-Synode übt eine selbständige Theil¬
nahme an der kirchlichen Gesetzgebung dergestalt, daß kirchliche Gesetze, deren
Geltung sich auf die Provinz beschränken soll, durch das Kirchenregiment nicht
ohne ihre Zustimmung erlassen werden können", so ist zu hoffen, daß die
Borsynode sich nicht einer uniformirenden Tendenz hingeben werde. Eine
solche verbietet vor allem das Interesse der beiden westlichen Provinzialkir-
chen. Sie haben ein Recht zu verlangen, daß die Eigenthümlichkeiten ihrer
Verfassung geschont werden und nicht etwa die Vertreter der sechs östlichen
Provinzialkirchen, welche ja eine gemeinsame Verfassung haben, ihnen die Be¬
stimmungen derselben wider ihren Willen durch Majorisirung auf der General-
synode octroyiren. Die zweite Forderung bezieht sich auf die Stellung der
General-Synode zum Bekenntniß und zur Lehrnorm. Wir stimmen mit dem
Herrn Verfasser darin überein, daß ersteres nicht Gegenstand der Gesetzgebung
sein kann. Das Bekenntniß ist der konstitutive Faktor der Kirche. Eine
Aenderung des Bekenntnißstandes schließt eine Aenderung der Kirche in sich.
Die Identität des Bekenntnisses stellt die geschichtliche Identität der Kirche
dar. Aber ist auch unmittelbar das Bekenntniß nicht Gegenstand synodaler
Bestimmungen, so kann es dies doch mittelbar werden, indem die Synoden
durch Erlaß von Disciplinar-Ordnungen, Sanctionirung von kirchlichen Leho


klcirung des gegenwärtigen Präsidenten des evangelischen Oberkirchenraths in
Bezug auf den Königlich Sächsischen Entwurf einer Kirchenordnung, aus
welcher wir die wichtigen Schlußworte herausheben: „Auch in Sachsen gilt
der gemeinevangelische Rechtssatz, daß wenigstens Veränderungen in der Ver¬
fassung der Landeskirche und in den mit der Lehre zusammenhängenden Ord¬
nungen (insbesondere den liturgischen) nicht aus dem bloßen Willen des Regi¬
ments gültig hervorgehen können, sondern der Zustimmung von Lehramt und
Gemeinde bedürfen. Die Absicht, diesen Satz aufzuheben und an seine Stelle
das ausschließliche Recht des von der Landessynode bloß berathenen Kirchen¬
regiments zu setzen, kann bei der Entwerfung eines Gesetzes, welches auf Er¬
weiterung und Organisirung des gemeindlichen Antheils am Handeln der
Kirche ausgeht, nicht gewaltet haben." Es ist sodann die Geltung, welche
die hannöversche Vorsynode in Anspruch nahm und empfing. Obwohl als
berathende berufen, sah sie sich als gesetzgebend an, und die Stände erklärten,
daß die durch Zusammenwirken des Regiments und der Vorsynode zu Stande
gekommenen Beschlüsse von dem verfassungsmäßigen Organ der kirchlichen
Gesetzgebung gefaßt seien. Was nun die gesetzgebende Thätigkeit der Vor¬
synode betrifft, so stellt der Herr Verfasser zwei Forderungen an sie, von
deren Erfüllung er eine erfolgreiche Wirksamkeit derselben abhängig macht.
Die erste betrifft die Abgrenzung der Befugnisse zwischen den Provinzial-
Synodcn und der General-Synode. Da der Entwurf der Synodal-Ordnung
in § 63 alm. 3 erklärt: „Die Provinzial-Synode übt eine selbständige Theil¬
nahme an der kirchlichen Gesetzgebung dergestalt, daß kirchliche Gesetze, deren
Geltung sich auf die Provinz beschränken soll, durch das Kirchenregiment nicht
ohne ihre Zustimmung erlassen werden können", so ist zu hoffen, daß die
Borsynode sich nicht einer uniformirenden Tendenz hingeben werde. Eine
solche verbietet vor allem das Interesse der beiden westlichen Provinzialkir-
chen. Sie haben ein Recht zu verlangen, daß die Eigenthümlichkeiten ihrer
Verfassung geschont werden und nicht etwa die Vertreter der sechs östlichen
Provinzialkirchen, welche ja eine gemeinsame Verfassung haben, ihnen die Be¬
stimmungen derselben wider ihren Willen durch Majorisirung auf der General-
synode octroyiren. Die zweite Forderung bezieht sich auf die Stellung der
General-Synode zum Bekenntniß und zur Lehrnorm. Wir stimmen mit dem
Herrn Verfasser darin überein, daß ersteres nicht Gegenstand der Gesetzgebung
sein kann. Das Bekenntniß ist der konstitutive Faktor der Kirche. Eine
Aenderung des Bekenntnißstandes schließt eine Aenderung der Kirche in sich.
Die Identität des Bekenntnisses stellt die geschichtliche Identität der Kirche
dar. Aber ist auch unmittelbar das Bekenntniß nicht Gegenstand synodaler
Bestimmungen, so kann es dies doch mittelbar werden, indem die Synoden
durch Erlaß von Disciplinar-Ordnungen, Sanctionirung von kirchlichen Leho


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[0147] klcirung des gegenwärtigen Präsidenten des evangelischen Oberkirchenraths in Bezug auf den Königlich Sächsischen Entwurf einer Kirchenordnung, aus welcher wir die wichtigen Schlußworte herausheben: „Auch in Sachsen gilt der gemeinevangelische Rechtssatz, daß wenigstens Veränderungen in der Ver¬ fassung der Landeskirche und in den mit der Lehre zusammenhängenden Ord¬ nungen (insbesondere den liturgischen) nicht aus dem bloßen Willen des Regi¬ ments gültig hervorgehen können, sondern der Zustimmung von Lehramt und Gemeinde bedürfen. Die Absicht, diesen Satz aufzuheben und an seine Stelle das ausschließliche Recht des von der Landessynode bloß berathenen Kirchen¬ regiments zu setzen, kann bei der Entwerfung eines Gesetzes, welches auf Er¬ weiterung und Organisirung des gemeindlichen Antheils am Handeln der Kirche ausgeht, nicht gewaltet haben." Es ist sodann die Geltung, welche die hannöversche Vorsynode in Anspruch nahm und empfing. Obwohl als berathende berufen, sah sie sich als gesetzgebend an, und die Stände erklärten, daß die durch Zusammenwirken des Regiments und der Vorsynode zu Stande gekommenen Beschlüsse von dem verfassungsmäßigen Organ der kirchlichen Gesetzgebung gefaßt seien. Was nun die gesetzgebende Thätigkeit der Vor¬ synode betrifft, so stellt der Herr Verfasser zwei Forderungen an sie, von deren Erfüllung er eine erfolgreiche Wirksamkeit derselben abhängig macht. Die erste betrifft die Abgrenzung der Befugnisse zwischen den Provinzial- Synodcn und der General-Synode. Da der Entwurf der Synodal-Ordnung in § 63 alm. 3 erklärt: „Die Provinzial-Synode übt eine selbständige Theil¬ nahme an der kirchlichen Gesetzgebung dergestalt, daß kirchliche Gesetze, deren Geltung sich auf die Provinz beschränken soll, durch das Kirchenregiment nicht ohne ihre Zustimmung erlassen werden können", so ist zu hoffen, daß die Borsynode sich nicht einer uniformirenden Tendenz hingeben werde. Eine solche verbietet vor allem das Interesse der beiden westlichen Provinzialkir- chen. Sie haben ein Recht zu verlangen, daß die Eigenthümlichkeiten ihrer Verfassung geschont werden und nicht etwa die Vertreter der sechs östlichen Provinzialkirchen, welche ja eine gemeinsame Verfassung haben, ihnen die Be¬ stimmungen derselben wider ihren Willen durch Majorisirung auf der General- synode octroyiren. Die zweite Forderung bezieht sich auf die Stellung der General-Synode zum Bekenntniß und zur Lehrnorm. Wir stimmen mit dem Herrn Verfasser darin überein, daß ersteres nicht Gegenstand der Gesetzgebung sein kann. Das Bekenntniß ist der konstitutive Faktor der Kirche. Eine Aenderung des Bekenntnißstandes schließt eine Aenderung der Kirche in sich. Die Identität des Bekenntnisses stellt die geschichtliche Identität der Kirche dar. Aber ist auch unmittelbar das Bekenntniß nicht Gegenstand synodaler Bestimmungen, so kann es dies doch mittelbar werden, indem die Synoden durch Erlaß von Disciplinar-Ordnungen, Sanctionirung von kirchlichen Leho

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/147>, abgerufen am 03.07.2024.