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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Verhältniß, in welchem Geistliche und Laien auf den Synoden vertreten sind.
Es fragt sich, ob analog der Gemeindevertretung auch auf den höheren Stufen
das Laienelement überwiegen müsse. Der Herr Verfasser verneint diese Frage,
da erst auf höheren Stufen Gegenstände der Lehre und des Bekenntnißstandes
zur Sprache kommen, und diese es wiederum sind, welche die Gegenwart der
Geistlichen und zwar in nicht geringer Zahl erheischen. Denn sie sind es,
welche die reine Lehre und das positive Religionsfundameut zu wahren beru¬
fen sind. Endlich ist die Begrenzung der Wahlkörper als willkürlich und
ungleich getadelt worden. Der Herr Verfasser leugnet nicht, daß ein norma¬
leres Organisationssystem geschaffen werden könne, warnt aber vor Ueber¬
schätzung der vorhandenen Mängel. Es komme in erster Linie nicht auf den
Maßstab der Kopfzahl, sondern der Gemeindeeinheiten an.

Auch in dem ersten Heft der Zeitschrift hat Herr Professor Dr. Wach
einen werthvollen Aufsatz mitgetheilt, auf den wir setzt einzugehen haben "die
rechtliche Stellung der außerordentlichen Generalsynode." Die bevorstehende
außerordentliche Generalsynode soll nach der Königlichen Verordnung vom
10. September 1873 die definitive Ordnung einer General-Synode für die
evangelische Kirche der acht älteren Provinzen berathen. Es fragt sich, in
welchem Sinne diese Generalsynode eine berathende sei, ob ihren Voden nur
eine moralische oder auch eine rechtliche Autorität zukommen soll. Der Herr
Verfasser untersucht zuerst das Verhältniß der außerordentlichen Generalsynode
zu dem zu erforschenden Gesammtwillen der Kirche und erklärt: Sie ist Re¬
präsentation der Kirche. Sie ist nicht wie die Generalsynode von 1846 aus
landesherrlichen Ernennungen und Wahlen durch nicht verfassungsmäßige
Wahlkörper, auch nicht, wie die Monbijou-Conferenz durch eine Vereinigung
kirchenregimentlicher Vertrauensmänner geistlichen und weltlichen Standes ge¬
bildet, sondern aus der konsistorial-synodalen Verfassung herausgewachsen.
Sagt man, die Vorsynode sei octroyirt und könne deshalb nicht als legitime
Vertretung der Kirche gelten, so ist zu antworten, daß die definitive General¬
synode den Mangel der Oktroyirung doch nur deshalb nicht an sich tragen
werde, weil sie den Beschlüssen der Vorsynode gemäß gebildet worden. Ist
also die Vorsynode in der That Ausdruck des Gesammtwillens der evange¬
lischen Landeskirche Preußens, so folgt, daß Vorlagen, die sie verworfen oder
verändert hat, nicht unverändert sanctionirt werden können. Die stillschwei¬
gende Voraussetzung auf dem Gebiet der kirchlichen Gesetzgebung ist der Con-
sensus der Kirche. Hat diese aber laut ihren Dissensus bezeugt, so darf nach
allgemein anerkannten kirchenrechtlichen Grundsätzen nicht im Widerspruch mit
demselben eine kirchliche Gesetzgebung ausgeübt werden. Der Herr Verfasser
beruft sich hier auf geschichtliche Analogien, welche für die Entscheidung der
hier vorliegenden Frage von hohem Werthe sind. Es ist dies einmal die Er-


Verhältniß, in welchem Geistliche und Laien auf den Synoden vertreten sind.
Es fragt sich, ob analog der Gemeindevertretung auch auf den höheren Stufen
das Laienelement überwiegen müsse. Der Herr Verfasser verneint diese Frage,
da erst auf höheren Stufen Gegenstände der Lehre und des Bekenntnißstandes
zur Sprache kommen, und diese es wiederum sind, welche die Gegenwart der
Geistlichen und zwar in nicht geringer Zahl erheischen. Denn sie sind es,
welche die reine Lehre und das positive Religionsfundameut zu wahren beru¬
fen sind. Endlich ist die Begrenzung der Wahlkörper als willkürlich und
ungleich getadelt worden. Der Herr Verfasser leugnet nicht, daß ein norma¬
leres Organisationssystem geschaffen werden könne, warnt aber vor Ueber¬
schätzung der vorhandenen Mängel. Es komme in erster Linie nicht auf den
Maßstab der Kopfzahl, sondern der Gemeindeeinheiten an.

Auch in dem ersten Heft der Zeitschrift hat Herr Professor Dr. Wach
einen werthvollen Aufsatz mitgetheilt, auf den wir setzt einzugehen haben „die
rechtliche Stellung der außerordentlichen Generalsynode." Die bevorstehende
außerordentliche Generalsynode soll nach der Königlichen Verordnung vom
10. September 1873 die definitive Ordnung einer General-Synode für die
evangelische Kirche der acht älteren Provinzen berathen. Es fragt sich, in
welchem Sinne diese Generalsynode eine berathende sei, ob ihren Voden nur
eine moralische oder auch eine rechtliche Autorität zukommen soll. Der Herr
Verfasser untersucht zuerst das Verhältniß der außerordentlichen Generalsynode
zu dem zu erforschenden Gesammtwillen der Kirche und erklärt: Sie ist Re¬
präsentation der Kirche. Sie ist nicht wie die Generalsynode von 1846 aus
landesherrlichen Ernennungen und Wahlen durch nicht verfassungsmäßige
Wahlkörper, auch nicht, wie die Monbijou-Conferenz durch eine Vereinigung
kirchenregimentlicher Vertrauensmänner geistlichen und weltlichen Standes ge¬
bildet, sondern aus der konsistorial-synodalen Verfassung herausgewachsen.
Sagt man, die Vorsynode sei octroyirt und könne deshalb nicht als legitime
Vertretung der Kirche gelten, so ist zu antworten, daß die definitive General¬
synode den Mangel der Oktroyirung doch nur deshalb nicht an sich tragen
werde, weil sie den Beschlüssen der Vorsynode gemäß gebildet worden. Ist
also die Vorsynode in der That Ausdruck des Gesammtwillens der evange¬
lischen Landeskirche Preußens, so folgt, daß Vorlagen, die sie verworfen oder
verändert hat, nicht unverändert sanctionirt werden können. Die stillschwei¬
gende Voraussetzung auf dem Gebiet der kirchlichen Gesetzgebung ist der Con-
sensus der Kirche. Hat diese aber laut ihren Dissensus bezeugt, so darf nach
allgemein anerkannten kirchenrechtlichen Grundsätzen nicht im Widerspruch mit
demselben eine kirchliche Gesetzgebung ausgeübt werden. Der Herr Verfasser
beruft sich hier auf geschichtliche Analogien, welche für die Entscheidung der
hier vorliegenden Frage von hohem Werthe sind. Es ist dies einmal die Er-


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[0146] Verhältniß, in welchem Geistliche und Laien auf den Synoden vertreten sind. Es fragt sich, ob analog der Gemeindevertretung auch auf den höheren Stufen das Laienelement überwiegen müsse. Der Herr Verfasser verneint diese Frage, da erst auf höheren Stufen Gegenstände der Lehre und des Bekenntnißstandes zur Sprache kommen, und diese es wiederum sind, welche die Gegenwart der Geistlichen und zwar in nicht geringer Zahl erheischen. Denn sie sind es, welche die reine Lehre und das positive Religionsfundameut zu wahren beru¬ fen sind. Endlich ist die Begrenzung der Wahlkörper als willkürlich und ungleich getadelt worden. Der Herr Verfasser leugnet nicht, daß ein norma¬ leres Organisationssystem geschaffen werden könne, warnt aber vor Ueber¬ schätzung der vorhandenen Mängel. Es komme in erster Linie nicht auf den Maßstab der Kopfzahl, sondern der Gemeindeeinheiten an. Auch in dem ersten Heft der Zeitschrift hat Herr Professor Dr. Wach einen werthvollen Aufsatz mitgetheilt, auf den wir setzt einzugehen haben „die rechtliche Stellung der außerordentlichen Generalsynode." Die bevorstehende außerordentliche Generalsynode soll nach der Königlichen Verordnung vom 10. September 1873 die definitive Ordnung einer General-Synode für die evangelische Kirche der acht älteren Provinzen berathen. Es fragt sich, in welchem Sinne diese Generalsynode eine berathende sei, ob ihren Voden nur eine moralische oder auch eine rechtliche Autorität zukommen soll. Der Herr Verfasser untersucht zuerst das Verhältniß der außerordentlichen Generalsynode zu dem zu erforschenden Gesammtwillen der Kirche und erklärt: Sie ist Re¬ präsentation der Kirche. Sie ist nicht wie die Generalsynode von 1846 aus landesherrlichen Ernennungen und Wahlen durch nicht verfassungsmäßige Wahlkörper, auch nicht, wie die Monbijou-Conferenz durch eine Vereinigung kirchenregimentlicher Vertrauensmänner geistlichen und weltlichen Standes ge¬ bildet, sondern aus der konsistorial-synodalen Verfassung herausgewachsen. Sagt man, die Vorsynode sei octroyirt und könne deshalb nicht als legitime Vertretung der Kirche gelten, so ist zu antworten, daß die definitive General¬ synode den Mangel der Oktroyirung doch nur deshalb nicht an sich tragen werde, weil sie den Beschlüssen der Vorsynode gemäß gebildet worden. Ist also die Vorsynode in der That Ausdruck des Gesammtwillens der evange¬ lischen Landeskirche Preußens, so folgt, daß Vorlagen, die sie verworfen oder verändert hat, nicht unverändert sanctionirt werden können. Die stillschwei¬ gende Voraussetzung auf dem Gebiet der kirchlichen Gesetzgebung ist der Con- sensus der Kirche. Hat diese aber laut ihren Dissensus bezeugt, so darf nach allgemein anerkannten kirchenrechtlichen Grundsätzen nicht im Widerspruch mit demselben eine kirchliche Gesetzgebung ausgeübt werden. Der Herr Verfasser beruft sich hier auf geschichtliche Analogien, welche für die Entscheidung der hier vorliegenden Frage von hohem Werthe sind. Es ist dies einmal die Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/146>, abgerufen am 23.07.2024.