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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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für die Ultramontanen muß auf jeden denkenden deutschen Mann die Wahr-
nehmung wirken, daß die gehorsamen Sklaven römischer Willkür und
Gewissensknechtschaft im deutschen Reichstag als Hüter der Glaubens-, der
Gewissensfreiheit, der Würde und Rechte des Reichstags sich geberden, daß
sie gleichzeitig den Massen den Glaubenskrieg predigen und gleichzeitig den
Vorwurf der Reichs- und Vaterlandslostgkeit frech von sich weisen. Solche
Verlogenheit kann auf die Dauer nicht Dumme genug finden.

Indessen alle diese Hoffnungen reichen nicht aus, ein baldiges siegreiches
Ende des Kampfes gegen Rom in Aussicht zu stellen. Und dennoch muß
ein baldiges Ende das Ziel der deutschen Staatskunst sein, weil auch bei
inneren Kämpfen der kürzeste Krieg der beste ist; weil die Autorität der Re¬
gierung und die öffentliche Moral unter jeder unnöthigen Verschleppung diese"
Feldzuges erheblich leidet. Es soll damit nicht der Schatten eines Tadels
auf den thatkräftigen Minister geworfen werden, der in wenig Jahren die
unter Muster so schmählich vernachlässigten Interessen des Staates gegenüber
der Hierarchie mit einer über alles Lob erhabenen Festigkeit und Klarheit zur
Geltung gebracht hat. Falk hat vor Allem das große Verdienst, in dem
Kulturkampf den abschüssigen Boden der Verwaltungsmaßregeln, von denen
so oft in Preußen nur allzureichlicher und verderblicher Gebrauch gemacht
worden ist, niemals betreten, sondern von Anfang an klar und bestimmt
nur an der Hand von Gesetzen gehandelt, und die richtigen gesetzlichen
Formeln da gefunden zu haben, wo die Rechtsnormen vergangener Tage für
die ungeheuer gesteigerte Machtfülle und Anmaßung hierarchischer Bestrebungen
nicht mehr ausreichten.

Aber dennoch glauben wir nicht zu irren, wenn wir aus mancher der
Enthüllungen, welche der Proceß Arnim und das vergangene Jahr überhaupt
zu Tage gefördert hat, einen leisen Unmuth des Reichskanzlers darüber
herauslesen, daß der große Kampf nicht rascher gefördert, daß er geführt
worden ist ausschließlich mit der Taktik, Strategie und dem Rüstzeug des
Juristen, nicht mit denen des Politikers. Manches Wort, das Bismarck ge-
schrieben hat, oder das ihm zugeschrieben wird, läßt uns seine Stellung der
bisherigen Kirchenpolitik gegenüber in dem Bilde ausdrücken: der gewaltige
Mann steht mit erhobener Axt an einem enormen Baumstamm, um ihn zu
fällen, und die Collegen und Parlamente stehen ihm bei mit Federmessern.

Die Bahn des Gesetzes, des Rechtes soll den schwarzen Friedensbrechern
gegenüber mit Nichten verlassen werden in Zukunft. Aber vor Allem muß
ein Schritt geschehen, der in demselbenMaße politischM, wie juristisch
gerechtfertigt. Das Gesetz muß bestimmen, daß kein renitenter Priester,
kein deutscher Staatsbürger, welcher der Beihülfe der ultramontanen Ver¬
schwörung und Auflehnung gegen den deutschen Staat überführt ist, irgend


für die Ultramontanen muß auf jeden denkenden deutschen Mann die Wahr-
nehmung wirken, daß die gehorsamen Sklaven römischer Willkür und
Gewissensknechtschaft im deutschen Reichstag als Hüter der Glaubens-, der
Gewissensfreiheit, der Würde und Rechte des Reichstags sich geberden, daß
sie gleichzeitig den Massen den Glaubenskrieg predigen und gleichzeitig den
Vorwurf der Reichs- und Vaterlandslostgkeit frech von sich weisen. Solche
Verlogenheit kann auf die Dauer nicht Dumme genug finden.

Indessen alle diese Hoffnungen reichen nicht aus, ein baldiges siegreiches
Ende des Kampfes gegen Rom in Aussicht zu stellen. Und dennoch muß
ein baldiges Ende das Ziel der deutschen Staatskunst sein, weil auch bei
inneren Kämpfen der kürzeste Krieg der beste ist; weil die Autorität der Re¬
gierung und die öffentliche Moral unter jeder unnöthigen Verschleppung diese«
Feldzuges erheblich leidet. Es soll damit nicht der Schatten eines Tadels
auf den thatkräftigen Minister geworfen werden, der in wenig Jahren die
unter Muster so schmählich vernachlässigten Interessen des Staates gegenüber
der Hierarchie mit einer über alles Lob erhabenen Festigkeit und Klarheit zur
Geltung gebracht hat. Falk hat vor Allem das große Verdienst, in dem
Kulturkampf den abschüssigen Boden der Verwaltungsmaßregeln, von denen
so oft in Preußen nur allzureichlicher und verderblicher Gebrauch gemacht
worden ist, niemals betreten, sondern von Anfang an klar und bestimmt
nur an der Hand von Gesetzen gehandelt, und die richtigen gesetzlichen
Formeln da gefunden zu haben, wo die Rechtsnormen vergangener Tage für
die ungeheuer gesteigerte Machtfülle und Anmaßung hierarchischer Bestrebungen
nicht mehr ausreichten.

Aber dennoch glauben wir nicht zu irren, wenn wir aus mancher der
Enthüllungen, welche der Proceß Arnim und das vergangene Jahr überhaupt
zu Tage gefördert hat, einen leisen Unmuth des Reichskanzlers darüber
herauslesen, daß der große Kampf nicht rascher gefördert, daß er geführt
worden ist ausschließlich mit der Taktik, Strategie und dem Rüstzeug des
Juristen, nicht mit denen des Politikers. Manches Wort, das Bismarck ge-
schrieben hat, oder das ihm zugeschrieben wird, läßt uns seine Stellung der
bisherigen Kirchenpolitik gegenüber in dem Bilde ausdrücken: der gewaltige
Mann steht mit erhobener Axt an einem enormen Baumstamm, um ihn zu
fällen, und die Collegen und Parlamente stehen ihm bei mit Federmessern.

Die Bahn des Gesetzes, des Rechtes soll den schwarzen Friedensbrechern
gegenüber mit Nichten verlassen werden in Zukunft. Aber vor Allem muß
ein Schritt geschehen, der in demselbenMaße politischM, wie juristisch
gerechtfertigt. Das Gesetz muß bestimmen, daß kein renitenter Priester,
kein deutscher Staatsbürger, welcher der Beihülfe der ultramontanen Ver¬
schwörung und Auflehnung gegen den deutschen Staat überführt ist, irgend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/13>, abgerufen am 23.07.2024.