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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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antwortung zur Verwirklichung dessen einzusetzen, was sie von ihrem Stande
punkte aus als das Richtige erkannten.

"Wie es in der Natur der Sache liegt und dem ganzen Wesen des
Krieges entspricht, hing der Erfolg eines solchen selbständigen Handelns
wesentlich von dem Verhalten des Gegners ab, und es ergaben sich sowohl
am 14. wie am 16. August Gefechtsmomente, in welchen ein vom Verständ¬
niß der Sachlage durchdrungener, energisch und einheitlich handelnder Wille
auf französischer Seite manche Vortheile hätte erringen können; ein Verhält¬
niß, welches auch am 18. da vorkam, wo Einzelhandlungen gewissermaßen
aus dem Nahmen des Ganzen heraustraten.

"Von Neuem bestätigte sich hier die Erfahrung, daß derartige selbständige
Unternehmungen nur selten eine eigentliche Entscheidung herbeizuführen ver¬
mögen, daß sie sich vielmehr in der Regel nur einen theilweisen Erfolg zu¬
schreiben dürfen; und hierin liegt wiederum der Billigkeitsmaaßstab, nach
welchem überhaupt die Ergebnisse solcher Einzelhandlungen zu beurtheilen
sind. So lange letztere nur in dem Sinne unternommen werden, welcher
den Absichten der oberen Heeresleitung zu Grunde liegt, würde man nicht
wohl daran thun, jenes Element der Kühnheit aus der Kriegführung zu ver¬
bannen, welches die großartigen Erfolge zwar nicht selbst erreicht, aber doch
vorbereitet."

"Die Neuartigkeit der in den August-Schlachten zum ersten Mal gegen¬
einander in Anwendung kommenden Kriegsmittel führte auch in taktischer
Beziehung zu manchen ungewohnten Erscheinungen. Zunächst fällt die gegen
früher wesentlich veränderte Verwendung der deutschen Artillerie in die
Augen. In die Spitzen der Marschcolonnen eingeschoben, erschien sie unter
den Ersten auf dem Schlachtfelde, meist die großen Angriffsstöße eröffnend.
Unerschütterlich ausharrend, wo sie einmal stand, bildete sie gewissermaaßen
das feste Baugerüst der Schlachtordnung, während die französischen Batterien
im Allgemeinen nur als leicht versetzbare Streben erschienen. Begünstigt durch
ihr besseres Material, vermochte die deutsche Artillerie dem Fußvolke diejenige
Unterstützung zu gewähren, welcher dieses gegen die überlegene Handfeuerwaffe
der Franzosen bedürfte.

"Bei der deutschen Führung zeigte sich in allen drei Schlachten das
Bestreben, stets von vornherein die Artillerie mit Massen und dann im
engsten Anschlusse an die Aufgaben der Infanterie auftreten zu
lassen. In solcher Weise verfahrend, genügte schon die eine große Batterie
von Noisseville am 14. August, um den vorübergehend bedrohten rechten
Flügel des I. Corps zu decken. Die lange Artillerielinie von den Tronviller
Büschen bis zum Bois de Vionville verhinderte am 16. alle Durchbruchsver¬
suche des Feindes. Auch am 18. sicherte die ansehnliche Geschützentfaltung bei


antwortung zur Verwirklichung dessen einzusetzen, was sie von ihrem Stande
punkte aus als das Richtige erkannten.

„Wie es in der Natur der Sache liegt und dem ganzen Wesen des
Krieges entspricht, hing der Erfolg eines solchen selbständigen Handelns
wesentlich von dem Verhalten des Gegners ab, und es ergaben sich sowohl
am 14. wie am 16. August Gefechtsmomente, in welchen ein vom Verständ¬
niß der Sachlage durchdrungener, energisch und einheitlich handelnder Wille
auf französischer Seite manche Vortheile hätte erringen können; ein Verhält¬
niß, welches auch am 18. da vorkam, wo Einzelhandlungen gewissermaßen
aus dem Nahmen des Ganzen heraustraten.

„Von Neuem bestätigte sich hier die Erfahrung, daß derartige selbständige
Unternehmungen nur selten eine eigentliche Entscheidung herbeizuführen ver¬
mögen, daß sie sich vielmehr in der Regel nur einen theilweisen Erfolg zu¬
schreiben dürfen; und hierin liegt wiederum der Billigkeitsmaaßstab, nach
welchem überhaupt die Ergebnisse solcher Einzelhandlungen zu beurtheilen
sind. So lange letztere nur in dem Sinne unternommen werden, welcher
den Absichten der oberen Heeresleitung zu Grunde liegt, würde man nicht
wohl daran thun, jenes Element der Kühnheit aus der Kriegführung zu ver¬
bannen, welches die großartigen Erfolge zwar nicht selbst erreicht, aber doch
vorbereitet."

„Die Neuartigkeit der in den August-Schlachten zum ersten Mal gegen¬
einander in Anwendung kommenden Kriegsmittel führte auch in taktischer
Beziehung zu manchen ungewohnten Erscheinungen. Zunächst fällt die gegen
früher wesentlich veränderte Verwendung der deutschen Artillerie in die
Augen. In die Spitzen der Marschcolonnen eingeschoben, erschien sie unter
den Ersten auf dem Schlachtfelde, meist die großen Angriffsstöße eröffnend.
Unerschütterlich ausharrend, wo sie einmal stand, bildete sie gewissermaaßen
das feste Baugerüst der Schlachtordnung, während die französischen Batterien
im Allgemeinen nur als leicht versetzbare Streben erschienen. Begünstigt durch
ihr besseres Material, vermochte die deutsche Artillerie dem Fußvolke diejenige
Unterstützung zu gewähren, welcher dieses gegen die überlegene Handfeuerwaffe
der Franzosen bedürfte.

„Bei der deutschen Führung zeigte sich in allen drei Schlachten das
Bestreben, stets von vornherein die Artillerie mit Massen und dann im
engsten Anschlusse an die Aufgaben der Infanterie auftreten zu
lassen. In solcher Weise verfahrend, genügte schon die eine große Batterie
von Noisseville am 14. August, um den vorübergehend bedrohten rechten
Flügel des I. Corps zu decken. Die lange Artillerielinie von den Tronviller
Büschen bis zum Bois de Vionville verhinderte am 16. alle Durchbruchsver¬
suche des Feindes. Auch am 18. sicherte die ansehnliche Geschützentfaltung bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/108>, abgerufen am 03.07.2024.