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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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In der Nacht leitete der Feind aber auch der I, Armee gegenüber seinen
Rückzug ein, und man schritt bei dieser Armee schon in den Morgenstunden
des 19, August zur Anlage von Feldbefestigungen auf der Hochfläche von
Point du Jour mit der Front gegen Metz. Der Oberbefehlshaber der
II. Armee faßte als seine nächste Aufgabe sogleich die Einschließung des um
Metz zusammengedrängten Gegners ins Auge. Ein Engerziehen des jetzt noch
lockeren und lückenhaften Kreises der deutschen Truppen durch Vorgreifen
ihrer Flügel, ein Besetzen aller wichtigen Punkte -- dies waren die Zielpunkte,
welche die vom Prinzen Friedrich Karl für den 19. August befohlenen Be¬
wegungen anstrebten.

Auf dem rechten Moselufer hatte General v. Manteuffel am 18. August
eine Linksschiebung des I. Armee-Corps vorgenommen, um etwaigen Durch¬
bruchsversuchen des Feindes auf der Chaussee nach Straßburg begegnen zu
können. Er verblieb am 19. in diesen Stellungen und an demselben Tage
trat die Reserve-Division v. Kummer in den unmittelbaren Befehlsbereich
d^s I. Corps.

Der vollständige Rückzug der Franzosen unter die Kanonen von Metz
brachte das am 14. August begonnene Ringen der beiderseitigen Armeen zu
einem vorläufigen Abschlüsse; und so "stellen sich die Schlachten vom 14., 16.
und 18. in ihrem inneren Zusammenhange und in ihren Folgen thatsächlich
als Vorbereitung, Einleitung und Durchführung einer einzigen großen Hand¬
lung dar, welche schließlich dazu führte, daß ein eiserner Ring um die fran¬
zösische Hauptarmee geschlossen wurde, den sie nur durch Niederlegung der
Waffen wieder öffnen sollte. Die innere Verkettung der einzelnen Vorgänge
und jenes Ergebniß der dreitägigen Kämpfe konnten freilich weder voraus¬
bedacht noch in jedem Augenblicke vollständig überblickt werden; doch zeigte
sich auf deutscher Seite bei manchen durch Ungewißheit über die gegnerischen
Absichten hervorgerufenen Irrthümern ein fortdauerndes lebhaftes Bestreben,
die gegebenen Umstände so schnell und so gut als möglich auszunutzen, um
das Gesetz des Handelns jederzeit zu geben, nicht zu empfangen."

Wie bei Wörth und Spichern so tritt, und in noch großartigerem Ma߬
stabe, in den drei Schlachten vor Metz auf deutscher Seite die Initiative
der unteren Führer sehr stark hervor. Sie ist mit allen ihren Vorzügen
und Nachtheilen "ein beredtes Zeugniß von dem in allen Graden des deutschen
Heeres herrschenden Geiste selbständiger Entschlußfassung. -- Die Absichten
der obersten Heeresleitung werden den unteren Führern meist nur in allge¬
meinen Umrissen bekannt sein. Aber auch bei solcher unvollkommenen Kennt¬
niß und deshalb zuweilen unter dem Eindruck unrichtiger Voraussetzungen
zögerten die deutschen Generale keinen Augenblick, die eigene Kraft und Ver-


In der Nacht leitete der Feind aber auch der I, Armee gegenüber seinen
Rückzug ein, und man schritt bei dieser Armee schon in den Morgenstunden
des 19, August zur Anlage von Feldbefestigungen auf der Hochfläche von
Point du Jour mit der Front gegen Metz. Der Oberbefehlshaber der
II. Armee faßte als seine nächste Aufgabe sogleich die Einschließung des um
Metz zusammengedrängten Gegners ins Auge. Ein Engerziehen des jetzt noch
lockeren und lückenhaften Kreises der deutschen Truppen durch Vorgreifen
ihrer Flügel, ein Besetzen aller wichtigen Punkte — dies waren die Zielpunkte,
welche die vom Prinzen Friedrich Karl für den 19. August befohlenen Be¬
wegungen anstrebten.

Auf dem rechten Moselufer hatte General v. Manteuffel am 18. August
eine Linksschiebung des I. Armee-Corps vorgenommen, um etwaigen Durch¬
bruchsversuchen des Feindes auf der Chaussee nach Straßburg begegnen zu
können. Er verblieb am 19. in diesen Stellungen und an demselben Tage
trat die Reserve-Division v. Kummer in den unmittelbaren Befehlsbereich
d^s I. Corps.

Der vollständige Rückzug der Franzosen unter die Kanonen von Metz
brachte das am 14. August begonnene Ringen der beiderseitigen Armeen zu
einem vorläufigen Abschlüsse; und so „stellen sich die Schlachten vom 14., 16.
und 18. in ihrem inneren Zusammenhange und in ihren Folgen thatsächlich
als Vorbereitung, Einleitung und Durchführung einer einzigen großen Hand¬
lung dar, welche schließlich dazu führte, daß ein eiserner Ring um die fran¬
zösische Hauptarmee geschlossen wurde, den sie nur durch Niederlegung der
Waffen wieder öffnen sollte. Die innere Verkettung der einzelnen Vorgänge
und jenes Ergebniß der dreitägigen Kämpfe konnten freilich weder voraus¬
bedacht noch in jedem Augenblicke vollständig überblickt werden; doch zeigte
sich auf deutscher Seite bei manchen durch Ungewißheit über die gegnerischen
Absichten hervorgerufenen Irrthümern ein fortdauerndes lebhaftes Bestreben,
die gegebenen Umstände so schnell und so gut als möglich auszunutzen, um
das Gesetz des Handelns jederzeit zu geben, nicht zu empfangen."

Wie bei Wörth und Spichern so tritt, und in noch großartigerem Ma߬
stabe, in den drei Schlachten vor Metz auf deutscher Seite die Initiative
der unteren Führer sehr stark hervor. Sie ist mit allen ihren Vorzügen
und Nachtheilen „ein beredtes Zeugniß von dem in allen Graden des deutschen
Heeres herrschenden Geiste selbständiger Entschlußfassung. — Die Absichten
der obersten Heeresleitung werden den unteren Führern meist nur in allge¬
meinen Umrissen bekannt sein. Aber auch bei solcher unvollkommenen Kennt¬
niß und deshalb zuweilen unter dem Eindruck unrichtiger Voraussetzungen
zögerten die deutschen Generale keinen Augenblick, die eigene Kraft und Ver-


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[0107] In der Nacht leitete der Feind aber auch der I, Armee gegenüber seinen Rückzug ein, und man schritt bei dieser Armee schon in den Morgenstunden des 19, August zur Anlage von Feldbefestigungen auf der Hochfläche von Point du Jour mit der Front gegen Metz. Der Oberbefehlshaber der II. Armee faßte als seine nächste Aufgabe sogleich die Einschließung des um Metz zusammengedrängten Gegners ins Auge. Ein Engerziehen des jetzt noch lockeren und lückenhaften Kreises der deutschen Truppen durch Vorgreifen ihrer Flügel, ein Besetzen aller wichtigen Punkte — dies waren die Zielpunkte, welche die vom Prinzen Friedrich Karl für den 19. August befohlenen Be¬ wegungen anstrebten. Auf dem rechten Moselufer hatte General v. Manteuffel am 18. August eine Linksschiebung des I. Armee-Corps vorgenommen, um etwaigen Durch¬ bruchsversuchen des Feindes auf der Chaussee nach Straßburg begegnen zu können. Er verblieb am 19. in diesen Stellungen und an demselben Tage trat die Reserve-Division v. Kummer in den unmittelbaren Befehlsbereich d^s I. Corps. Der vollständige Rückzug der Franzosen unter die Kanonen von Metz brachte das am 14. August begonnene Ringen der beiderseitigen Armeen zu einem vorläufigen Abschlüsse; und so „stellen sich die Schlachten vom 14., 16. und 18. in ihrem inneren Zusammenhange und in ihren Folgen thatsächlich als Vorbereitung, Einleitung und Durchführung einer einzigen großen Hand¬ lung dar, welche schließlich dazu führte, daß ein eiserner Ring um die fran¬ zösische Hauptarmee geschlossen wurde, den sie nur durch Niederlegung der Waffen wieder öffnen sollte. Die innere Verkettung der einzelnen Vorgänge und jenes Ergebniß der dreitägigen Kämpfe konnten freilich weder voraus¬ bedacht noch in jedem Augenblicke vollständig überblickt werden; doch zeigte sich auf deutscher Seite bei manchen durch Ungewißheit über die gegnerischen Absichten hervorgerufenen Irrthümern ein fortdauerndes lebhaftes Bestreben, die gegebenen Umstände so schnell und so gut als möglich auszunutzen, um das Gesetz des Handelns jederzeit zu geben, nicht zu empfangen." Wie bei Wörth und Spichern so tritt, und in noch großartigerem Ma߬ stabe, in den drei Schlachten vor Metz auf deutscher Seite die Initiative der unteren Führer sehr stark hervor. Sie ist mit allen ihren Vorzügen und Nachtheilen „ein beredtes Zeugniß von dem in allen Graden des deutschen Heeres herrschenden Geiste selbständiger Entschlußfassung. — Die Absichten der obersten Heeresleitung werden den unteren Führern meist nur in allge¬ meinen Umrissen bekannt sein. Aber auch bei solcher unvollkommenen Kennt¬ niß und deshalb zuweilen unter dem Eindruck unrichtiger Voraussetzungen zögerten die deutschen Generale keinen Augenblick, die eigene Kraft und Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/107>, abgerufen am 01.07.2024.