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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Forbes bestätigt, der den ganzen Feldzug mitmachte: "Mit seiner ganzen
Armee in diese Mausefalle von Sedan gerathen, bewahrte der Kaiser jene
ruhige Unerschrockenheit, welche ihn während des ganzen Kampfes nicht ver¬
lassen hatte."

Der Correspondent des "Temps" erzählt folgende Thatsache: "Als er
bei unserem Cafe' vorüberkam, war eine Granate zwei Schritt vor seinem
Pferd geplatzt. Keine Muskel dieser absonderlichen Maske hatte sich bewegt.
Er begnügte sich, mit einer Handbewegung die Zurufe abzuweisen, welche ihn
noch empfingen."

Eine ähnliche Thatsache wird von einem Zeugen im "Paris-Jour¬
nal" erzählt: "Der Mann, welcher einst Napoleon III. war, saß auf einem
Feldstuhl und redete mit seinen Officieren. Eine Bombe fiel an ihrer Seite
und mischte sich in das Gespräch. Die Officiere machten unwillkürlich einen
Schritt zurück. Der andre verzog keine Miene und setzte ruhig die Unter¬
haltung fort."

Die Kunst hat die ruhige Gestalt des ersten Napoleon unsterblich gemacht,
wie er mit seinem Fernglas fortfährt, die Bewegungen des Feindes zu
beobachten, während gerade eine Granate zwischen den Beinen seines Pferdes
platzt und ihn in Eisen und Rauch einhüllt. In ähnlicher Lage hat sich der
Neffe des Oheims würdig gezeigt. Weshalb hat man sie so verschieden be¬
urtheilt? Deshalb, weil der Eine bereits in der Hand der Geschichte d. h. der
Wahrheit ist, während der Andere sich noch in den Händen deren befindet, die
ein Interesse daran haben, ihn zu verleumden. Zum Glück geht ihr Reich
zu Ende und das der Wahrheit wird bald beginnen. Wenn je eine Anklage
Napoleon III, hätte verschonen sollen, so gewiß doch die, daß ihm der Muth
gefehlt habe. Die Störer der öffentlichen Ordnung wissen das besser. Alle
stimmten darin überein, daß. so lange er die Macht habe, eine Revolution
unmöglich sei, weil er sich lieber würde tödten lassen, als vom Platze zu weichen.
Ihre Herrschaft und die der Commune konnten sich erst nach seinem Sturze
aufthun. Wer weiß nicht, mit welcher Gemüthsruhe er die Pistolenschüsse
Pianori's und die schreckliche Explosion der Bomben Orsini's aufnahm! Weit
entfernt, die Gefahr zu fliehen, bot er ihr vielmehr die Stirne mit jener
stolzen Verachtung, die seine Umgebung zittern machte. Und wenn seine
Freunde versuchten, ihn zur Vorsicht aufzufordern, so antwortete er bloß:
"Seid ruhig! Ich bin nur ein Werkzeug in der Hand der Vorsehung. Hält
sie mich für nützlich zur Erfüllung ihrer Absichten, so wird sie mich zu er¬
halten wissen. Ich werde fallen an dem Tage, an dem meine Aufgabe erfüllt
sein wird. Und was liegt dann daran?" Und doch ist das der Mann,
den die . . . der angeblichen nationalen Vertheidigung den "Feigling von
Sedan" zu nennen gewagt haben! Was hätte wohl an seinem Platz der


Forbes bestätigt, der den ganzen Feldzug mitmachte: „Mit seiner ganzen
Armee in diese Mausefalle von Sedan gerathen, bewahrte der Kaiser jene
ruhige Unerschrockenheit, welche ihn während des ganzen Kampfes nicht ver¬
lassen hatte."

Der Correspondent des „Temps" erzählt folgende Thatsache: „Als er
bei unserem Cafe' vorüberkam, war eine Granate zwei Schritt vor seinem
Pferd geplatzt. Keine Muskel dieser absonderlichen Maske hatte sich bewegt.
Er begnügte sich, mit einer Handbewegung die Zurufe abzuweisen, welche ihn
noch empfingen."

Eine ähnliche Thatsache wird von einem Zeugen im „Paris-Jour¬
nal" erzählt: „Der Mann, welcher einst Napoleon III. war, saß auf einem
Feldstuhl und redete mit seinen Officieren. Eine Bombe fiel an ihrer Seite
und mischte sich in das Gespräch. Die Officiere machten unwillkürlich einen
Schritt zurück. Der andre verzog keine Miene und setzte ruhig die Unter¬
haltung fort."

Die Kunst hat die ruhige Gestalt des ersten Napoleon unsterblich gemacht,
wie er mit seinem Fernglas fortfährt, die Bewegungen des Feindes zu
beobachten, während gerade eine Granate zwischen den Beinen seines Pferdes
platzt und ihn in Eisen und Rauch einhüllt. In ähnlicher Lage hat sich der
Neffe des Oheims würdig gezeigt. Weshalb hat man sie so verschieden be¬
urtheilt? Deshalb, weil der Eine bereits in der Hand der Geschichte d. h. der
Wahrheit ist, während der Andere sich noch in den Händen deren befindet, die
ein Interesse daran haben, ihn zu verleumden. Zum Glück geht ihr Reich
zu Ende und das der Wahrheit wird bald beginnen. Wenn je eine Anklage
Napoleon III, hätte verschonen sollen, so gewiß doch die, daß ihm der Muth
gefehlt habe. Die Störer der öffentlichen Ordnung wissen das besser. Alle
stimmten darin überein, daß. so lange er die Macht habe, eine Revolution
unmöglich sei, weil er sich lieber würde tödten lassen, als vom Platze zu weichen.
Ihre Herrschaft und die der Commune konnten sich erst nach seinem Sturze
aufthun. Wer weiß nicht, mit welcher Gemüthsruhe er die Pistolenschüsse
Pianori's und die schreckliche Explosion der Bomben Orsini's aufnahm! Weit
entfernt, die Gefahr zu fliehen, bot er ihr vielmehr die Stirne mit jener
stolzen Verachtung, die seine Umgebung zittern machte. Und wenn seine
Freunde versuchten, ihn zur Vorsicht aufzufordern, so antwortete er bloß:
„Seid ruhig! Ich bin nur ein Werkzeug in der Hand der Vorsehung. Hält
sie mich für nützlich zur Erfüllung ihrer Absichten, so wird sie mich zu er¬
halten wissen. Ich werde fallen an dem Tage, an dem meine Aufgabe erfüllt
sein wird. Und was liegt dann daran?" Und doch ist das der Mann,
den die . . . der angeblichen nationalen Vertheidigung den „Feigling von
Sedan" zu nennen gewagt haben! Was hätte wohl an seinem Platz der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/70>, abgerufen am 01.09.2024.