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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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sind Thatsachen und nicht Worte, welche man den Verleumdungen Napo¬
leon's III. entgegensetzt:

"Trotz der inständigsten Bitten mehrerer Generale sich zu entfernen,
wollte der Kaiser das Loos seiner Armee theilen, mit ihr siegen oder ster¬
ben. Er begnügte sich, seinen Sohn abreisen zu lassen, damit wenn er selbst
fiele, Frankreich sich noch um den Sprossen der einzigen Dynastie, welche
populär geblieben sei, sammeln könne. So lange dieser schändliche Kampf
währte, blieb der Kaiser inmitten seiner Soldaten, mit Wort und Beispiel
sie ermuthigend, und wie Napoleon I. bei Waterloo vergeblich die Kugel
begehrend, die ihm gestatte, seine Niederlage nicht zu überleben. Man frage
die Officiere und Soldaten, welche diesen blutigen Tag mitgemacht, alle wer¬
den bezeugen, daß der Kaiser beständig in der dringendsten Gefahr war, und
dem Tod mit jenem kalten ruhigen Muth trotzte, den er bei Magenta, Sol-
ferino und vor den Kugeln, Bomben und Dolchen der Mörder gezeigt hatte.
Mehrere seiner Adjudanten wurden an seiner Seite verwundet, er war sogar
genöthigt in einem Augenblick, als der Kartätschenhagel rings um ihn her
die wildesten Verheerungen anrichtete, den Officieren seines Gefolges zu be¬
fehlen, hinter einer Terrainspalte Schutz zu suchen, während er selbst allein
blieb, zu Pferde, inmitten dieses eisernen Hagels. Zeugen hierfür giebt es
im Ueberfluß, nennen wir zuerst den tapfern und treuen General Pajot, den
Flügeladjudanten des Kaisers, der den ganzen Tag keinen Augenblick von
seiner Seite wich. Er erzählt: "Es war um 5 Uhr früh, als der erste An¬
griff von Bazeille stattfand. Unter dem Feuer des Feindes kam der Kaiser
inmitten jener schönen Division Marineinfanterie an, welche der General
Vasfoigne befehligte. Der Kampf war lebhaft, denn die preußische Garde (!)
und ein bairisches Corps waren darauf versessen, das Dorf zu nehmen. Der
Kaiser mochte ^ Stunde geweilt haben. Als er sah, daß die Geschosse von
allen Seiten heranflogen, befahl er den Officieren, die ihn begleiteten, bei
einem Jägerbataillon zu bleiben, das hinter einer Mauer Deckung gesucht
hatte und den Augenblick erwartete, wo es in den Kampf eintreten sollte. --
Der Kaiser ging dann ohne Begleitung, weil er selbst die Stellungen sehen
wollte, noch weiter vor, und von seinem Flügeladjudanten, d. h. von mir,
dem Capitain Hendecourt als Ordonnanzofficier (er fiel), dem ersten Stall¬
meister Davilliers, und dem Dr. Corvisart gefolgt. Dann begab sich Seine
Majestät auf eine Höhe, wo die Batterien des Commandanten Saint-Aulaire
waren und blieb dort fast eine Stunde inmitten eines Hagels feindlicher Ge¬
schosse. -

"Gehen wir nun zu Zeugnissen von Männern über, welche dem Kaiser¬
reich nicht im mindesten gewogen waren. Ein höherer Officier, der bei Sedan
verwundet wurde, schrieb an einen Freund folgende im "Journal de Geneve"


sind Thatsachen und nicht Worte, welche man den Verleumdungen Napo¬
leon's III. entgegensetzt:

„Trotz der inständigsten Bitten mehrerer Generale sich zu entfernen,
wollte der Kaiser das Loos seiner Armee theilen, mit ihr siegen oder ster¬
ben. Er begnügte sich, seinen Sohn abreisen zu lassen, damit wenn er selbst
fiele, Frankreich sich noch um den Sprossen der einzigen Dynastie, welche
populär geblieben sei, sammeln könne. So lange dieser schändliche Kampf
währte, blieb der Kaiser inmitten seiner Soldaten, mit Wort und Beispiel
sie ermuthigend, und wie Napoleon I. bei Waterloo vergeblich die Kugel
begehrend, die ihm gestatte, seine Niederlage nicht zu überleben. Man frage
die Officiere und Soldaten, welche diesen blutigen Tag mitgemacht, alle wer¬
den bezeugen, daß der Kaiser beständig in der dringendsten Gefahr war, und
dem Tod mit jenem kalten ruhigen Muth trotzte, den er bei Magenta, Sol-
ferino und vor den Kugeln, Bomben und Dolchen der Mörder gezeigt hatte.
Mehrere seiner Adjudanten wurden an seiner Seite verwundet, er war sogar
genöthigt in einem Augenblick, als der Kartätschenhagel rings um ihn her
die wildesten Verheerungen anrichtete, den Officieren seines Gefolges zu be¬
fehlen, hinter einer Terrainspalte Schutz zu suchen, während er selbst allein
blieb, zu Pferde, inmitten dieses eisernen Hagels. Zeugen hierfür giebt es
im Ueberfluß, nennen wir zuerst den tapfern und treuen General Pajot, den
Flügeladjudanten des Kaisers, der den ganzen Tag keinen Augenblick von
seiner Seite wich. Er erzählt: „Es war um 5 Uhr früh, als der erste An¬
griff von Bazeille stattfand. Unter dem Feuer des Feindes kam der Kaiser
inmitten jener schönen Division Marineinfanterie an, welche der General
Vasfoigne befehligte. Der Kampf war lebhaft, denn die preußische Garde (!)
und ein bairisches Corps waren darauf versessen, das Dorf zu nehmen. Der
Kaiser mochte ^ Stunde geweilt haben. Als er sah, daß die Geschosse von
allen Seiten heranflogen, befahl er den Officieren, die ihn begleiteten, bei
einem Jägerbataillon zu bleiben, das hinter einer Mauer Deckung gesucht
hatte und den Augenblick erwartete, wo es in den Kampf eintreten sollte. —
Der Kaiser ging dann ohne Begleitung, weil er selbst die Stellungen sehen
wollte, noch weiter vor, und von seinem Flügeladjudanten, d. h. von mir,
dem Capitain Hendecourt als Ordonnanzofficier (er fiel), dem ersten Stall¬
meister Davilliers, und dem Dr. Corvisart gefolgt. Dann begab sich Seine
Majestät auf eine Höhe, wo die Batterien des Commandanten Saint-Aulaire
waren und blieb dort fast eine Stunde inmitten eines Hagels feindlicher Ge¬
schosse. -

„Gehen wir nun zu Zeugnissen von Männern über, welche dem Kaiser¬
reich nicht im mindesten gewogen waren. Ein höherer Officier, der bei Sedan
verwundet wurde, schrieb an einen Freund folgende im „Journal de Geneve"


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[0068] sind Thatsachen und nicht Worte, welche man den Verleumdungen Napo¬ leon's III. entgegensetzt: „Trotz der inständigsten Bitten mehrerer Generale sich zu entfernen, wollte der Kaiser das Loos seiner Armee theilen, mit ihr siegen oder ster¬ ben. Er begnügte sich, seinen Sohn abreisen zu lassen, damit wenn er selbst fiele, Frankreich sich noch um den Sprossen der einzigen Dynastie, welche populär geblieben sei, sammeln könne. So lange dieser schändliche Kampf währte, blieb der Kaiser inmitten seiner Soldaten, mit Wort und Beispiel sie ermuthigend, und wie Napoleon I. bei Waterloo vergeblich die Kugel begehrend, die ihm gestatte, seine Niederlage nicht zu überleben. Man frage die Officiere und Soldaten, welche diesen blutigen Tag mitgemacht, alle wer¬ den bezeugen, daß der Kaiser beständig in der dringendsten Gefahr war, und dem Tod mit jenem kalten ruhigen Muth trotzte, den er bei Magenta, Sol- ferino und vor den Kugeln, Bomben und Dolchen der Mörder gezeigt hatte. Mehrere seiner Adjudanten wurden an seiner Seite verwundet, er war sogar genöthigt in einem Augenblick, als der Kartätschenhagel rings um ihn her die wildesten Verheerungen anrichtete, den Officieren seines Gefolges zu be¬ fehlen, hinter einer Terrainspalte Schutz zu suchen, während er selbst allein blieb, zu Pferde, inmitten dieses eisernen Hagels. Zeugen hierfür giebt es im Ueberfluß, nennen wir zuerst den tapfern und treuen General Pajot, den Flügeladjudanten des Kaisers, der den ganzen Tag keinen Augenblick von seiner Seite wich. Er erzählt: „Es war um 5 Uhr früh, als der erste An¬ griff von Bazeille stattfand. Unter dem Feuer des Feindes kam der Kaiser inmitten jener schönen Division Marineinfanterie an, welche der General Vasfoigne befehligte. Der Kampf war lebhaft, denn die preußische Garde (!) und ein bairisches Corps waren darauf versessen, das Dorf zu nehmen. Der Kaiser mochte ^ Stunde geweilt haben. Als er sah, daß die Geschosse von allen Seiten heranflogen, befahl er den Officieren, die ihn begleiteten, bei einem Jägerbataillon zu bleiben, das hinter einer Mauer Deckung gesucht hatte und den Augenblick erwartete, wo es in den Kampf eintreten sollte. — Der Kaiser ging dann ohne Begleitung, weil er selbst die Stellungen sehen wollte, noch weiter vor, und von seinem Flügeladjudanten, d. h. von mir, dem Capitain Hendecourt als Ordonnanzofficier (er fiel), dem ersten Stall¬ meister Davilliers, und dem Dr. Corvisart gefolgt. Dann begab sich Seine Majestät auf eine Höhe, wo die Batterien des Commandanten Saint-Aulaire waren und blieb dort fast eine Stunde inmitten eines Hagels feindlicher Ge¬ schosse. - „Gehen wir nun zu Zeugnissen von Männern über, welche dem Kaiser¬ reich nicht im mindesten gewogen waren. Ein höherer Officier, der bei Sedan verwundet wurde, schrieb an einen Freund folgende im „Journal de Geneve"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/68>, abgerufen am 27.07.2024.