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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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ab. Die Armeen, die Flüsse, die Gebirge, die Festungen, ihre Zeit ist vorbei!
Die wahre Grenze ist der Patriotismus!"

Herr Magnin, ein Mann des 4. September, sagte: Die steh'nden
Heere sind in der Theorie gerichtet und verurtheilt. Die Zukunft gehört der
bewaffneten Demokratie. Das Gesetz, das uns vorliegt, hat nur die Absicht
und wird auch keinen anderen Erfolg haben, als unsere Kraft noch zu ver¬
mehren und unsere Finanzen zu schwächen. Ich weise das Gesetz zurück, weil
es die Nation überbürdet, weil es antidemokratisch, weil es gegen die
"Gleichheit" (arti6gg.Iitg.ii-e) ist."

Herr v. Keratry, desgleichen ein Mann des 4. September sagte
einige Tage vor Eröffnung der Kammern bezüglich der Linie: "Der Minister
fordert noch dies Jahr 400,000 Mann, welche 370 Millionen kosten werden.
Das ist zu viel. Warum eine so große Armee? Offenbar im Hinblick auf
den Norddeutschen Bund. Nun, das Heer dieses Bundes, das preußische In¬
begriffen, beziffert sich nur auf 299,000 Mann und kostet kaum 254 Million,
das sind 100,000 Mann und 116 Million weniger als bei uns. Man hat
die Rekrutenzahl unseres Heeres von 100.000 auf 90.000 Mann herabgesetzt;
das genügt nicht. Man muß sie auf 80.000 herabsetzen, um zum normalen
Contingent von früher zu gelangen."

Endlich Herr Thiers, der doch seitdem schon als Prophet gilt, hat
gesagt: "Man zeigte Ihnen letzter Tage die Ziffern 1,200,000. 1.300,000,
1,500.000. Soviel Mann könnten die einzelnen Mächte unter die Waffen
bringen. Nun, diese Ziffern sind völlig chimärisch. Preußen würde uns nach
dem Herrn Staatsminister 1,300.000 Mann entgegenstellen. Aber ich frage,
wo hat man diese furchtbaren Streitkcäfte gesehen? Wieviel Mann hat
Preußen 1866 nach Böhmen geworfen? Etwa 300.000 Mann. Man darf
sich auf diese Phantasiegebilde von Zahlen nicht verlassen. Das sind Fabeln,
welche nie einen Schein von Wirklichkeit hatten. (Großer Beifall.) Also sei
man versichert, daß unsere Armee genügen wird, den Feind aufzuhalten.
Hinter ihr wird das Land Zeit haben, ruhig seine Reserven zu sammeln.
Werden Sie nicht immer 2 oder 3 Monate, d. h. mehr als nöthig sein wird,
Zeit haben, die mobile Nationalgarde zu organisiren, und so den Eifer der
Bevölkerung zu benutzen? Außerdem werden die Freiwilligen zuströmen. Sie
haben lange nicht genug Vertrauen zum Lande!" --

Nun meine Freunde, ich denke' das genügt, um zu zeigen, wer uns
eigentlich gehindert hat bereit zu sein, und daß das sicher nicht die Negierung
war; denn sie hat, unaufhörlich auf die Gefahren hingewiesen, und Ver¬
besserungen begehrt, während die Opposition ebenso unaufhörlich blind war,
und Alles verweigerte, was zur Reorganisation der Armee dienen konnte.

Drittens sagt man Euch, den Kaiser müsse auch die Verantwortlichkeit


ab. Die Armeen, die Flüsse, die Gebirge, die Festungen, ihre Zeit ist vorbei!
Die wahre Grenze ist der Patriotismus!"

Herr Magnin, ein Mann des 4. September, sagte: Die steh'nden
Heere sind in der Theorie gerichtet und verurtheilt. Die Zukunft gehört der
bewaffneten Demokratie. Das Gesetz, das uns vorliegt, hat nur die Absicht
und wird auch keinen anderen Erfolg haben, als unsere Kraft noch zu ver¬
mehren und unsere Finanzen zu schwächen. Ich weise das Gesetz zurück, weil
es die Nation überbürdet, weil es antidemokratisch, weil es gegen die
„Gleichheit" (arti6gg.Iitg.ii-e) ist."

Herr v. Keratry, desgleichen ein Mann des 4. September sagte
einige Tage vor Eröffnung der Kammern bezüglich der Linie: „Der Minister
fordert noch dies Jahr 400,000 Mann, welche 370 Millionen kosten werden.
Das ist zu viel. Warum eine so große Armee? Offenbar im Hinblick auf
den Norddeutschen Bund. Nun, das Heer dieses Bundes, das preußische In¬
begriffen, beziffert sich nur auf 299,000 Mann und kostet kaum 254 Million,
das sind 100,000 Mann und 116 Million weniger als bei uns. Man hat
die Rekrutenzahl unseres Heeres von 100.000 auf 90.000 Mann herabgesetzt;
das genügt nicht. Man muß sie auf 80.000 herabsetzen, um zum normalen
Contingent von früher zu gelangen."

Endlich Herr Thiers, der doch seitdem schon als Prophet gilt, hat
gesagt: „Man zeigte Ihnen letzter Tage die Ziffern 1,200,000. 1.300,000,
1,500.000. Soviel Mann könnten die einzelnen Mächte unter die Waffen
bringen. Nun, diese Ziffern sind völlig chimärisch. Preußen würde uns nach
dem Herrn Staatsminister 1,300.000 Mann entgegenstellen. Aber ich frage,
wo hat man diese furchtbaren Streitkcäfte gesehen? Wieviel Mann hat
Preußen 1866 nach Böhmen geworfen? Etwa 300.000 Mann. Man darf
sich auf diese Phantasiegebilde von Zahlen nicht verlassen. Das sind Fabeln,
welche nie einen Schein von Wirklichkeit hatten. (Großer Beifall.) Also sei
man versichert, daß unsere Armee genügen wird, den Feind aufzuhalten.
Hinter ihr wird das Land Zeit haben, ruhig seine Reserven zu sammeln.
Werden Sie nicht immer 2 oder 3 Monate, d. h. mehr als nöthig sein wird,
Zeit haben, die mobile Nationalgarde zu organisiren, und so den Eifer der
Bevölkerung zu benutzen? Außerdem werden die Freiwilligen zuströmen. Sie
haben lange nicht genug Vertrauen zum Lande!" —

Nun meine Freunde, ich denke' das genügt, um zu zeigen, wer uns
eigentlich gehindert hat bereit zu sein, und daß das sicher nicht die Negierung
war; denn sie hat, unaufhörlich auf die Gefahren hingewiesen, und Ver¬
besserungen begehrt, während die Opposition ebenso unaufhörlich blind war,
und Alles verweigerte, was zur Reorganisation der Armee dienen konnte.

Drittens sagt man Euch, den Kaiser müsse auch die Verantwortlichkeit


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[0066] ab. Die Armeen, die Flüsse, die Gebirge, die Festungen, ihre Zeit ist vorbei! Die wahre Grenze ist der Patriotismus!" Herr Magnin, ein Mann des 4. September, sagte: Die steh'nden Heere sind in der Theorie gerichtet und verurtheilt. Die Zukunft gehört der bewaffneten Demokratie. Das Gesetz, das uns vorliegt, hat nur die Absicht und wird auch keinen anderen Erfolg haben, als unsere Kraft noch zu ver¬ mehren und unsere Finanzen zu schwächen. Ich weise das Gesetz zurück, weil es die Nation überbürdet, weil es antidemokratisch, weil es gegen die „Gleichheit" (arti6gg.Iitg.ii-e) ist." Herr v. Keratry, desgleichen ein Mann des 4. September sagte einige Tage vor Eröffnung der Kammern bezüglich der Linie: „Der Minister fordert noch dies Jahr 400,000 Mann, welche 370 Millionen kosten werden. Das ist zu viel. Warum eine so große Armee? Offenbar im Hinblick auf den Norddeutschen Bund. Nun, das Heer dieses Bundes, das preußische In¬ begriffen, beziffert sich nur auf 299,000 Mann und kostet kaum 254 Million, das sind 100,000 Mann und 116 Million weniger als bei uns. Man hat die Rekrutenzahl unseres Heeres von 100.000 auf 90.000 Mann herabgesetzt; das genügt nicht. Man muß sie auf 80.000 herabsetzen, um zum normalen Contingent von früher zu gelangen." Endlich Herr Thiers, der doch seitdem schon als Prophet gilt, hat gesagt: „Man zeigte Ihnen letzter Tage die Ziffern 1,200,000. 1.300,000, 1,500.000. Soviel Mann könnten die einzelnen Mächte unter die Waffen bringen. Nun, diese Ziffern sind völlig chimärisch. Preußen würde uns nach dem Herrn Staatsminister 1,300.000 Mann entgegenstellen. Aber ich frage, wo hat man diese furchtbaren Streitkcäfte gesehen? Wieviel Mann hat Preußen 1866 nach Böhmen geworfen? Etwa 300.000 Mann. Man darf sich auf diese Phantasiegebilde von Zahlen nicht verlassen. Das sind Fabeln, welche nie einen Schein von Wirklichkeit hatten. (Großer Beifall.) Also sei man versichert, daß unsere Armee genügen wird, den Feind aufzuhalten. Hinter ihr wird das Land Zeit haben, ruhig seine Reserven zu sammeln. Werden Sie nicht immer 2 oder 3 Monate, d. h. mehr als nöthig sein wird, Zeit haben, die mobile Nationalgarde zu organisiren, und so den Eifer der Bevölkerung zu benutzen? Außerdem werden die Freiwilligen zuströmen. Sie haben lange nicht genug Vertrauen zum Lande!" — Nun meine Freunde, ich denke' das genügt, um zu zeigen, wer uns eigentlich gehindert hat bereit zu sein, und daß das sicher nicht die Negierung war; denn sie hat, unaufhörlich auf die Gefahren hingewiesen, und Ver¬ besserungen begehrt, während die Opposition ebenso unaufhörlich blind war, und Alles verweigerte, was zur Reorganisation der Armee dienen konnte. Drittens sagt man Euch, den Kaiser müsse auch die Verantwortlichkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/66>, abgerufen am 27.07.2024.