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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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zollern sind in ihrer Keckheit soweit gekommen, daß sie an die Weltherrschaft
zu denken wagen, von der ein Karl V-, ein Ludwig XIV., ein Napoleon ver¬
geblich geträumt haben. Es genügt ihnen nicht mehr, Deutschland erobert
zu haben, sie trachten, Europa zu beherrschen! Es wird für unser Zeitalter
eine ewige Schmach sein, daß dieser Plan, wir sagen nicht ausgeführt, nein
schon, daß er überhaupt gefaßt wurde!"

Der "soir", das Blatt des Herrn About, der heute keine Gelegenheit
versäumt, uns täglich zu beschimpfen, schrieb wie folgt: "Wie, man sollte
Preußen gestatten, einen Proconsul an unserer spanischen Grenze einzusetzen!
Dann sind wir achtunddreißig Millionen Gefangene!"

Der ., Gaulois", der damals der Regierung heftige Opposition machte,
schrieb: "Wenn es dem autokratischen Kaiserreich gefallen hat, sich
Sadowa bieten zu lassen und sich über die Luxemburger Angelegenheit zu
lösten, so kann doch das liberale Frankreich nimmer ertragen, daß man
ihm trotzt und es ungestraft herausfordert. Die Regierung kann, ohne Frank¬
reich zu verrathen, keinen Tag mehr die preußischen Unverschämtheiten
^tragen."

Der "Figaro", der niemals einer großen Anhänglichkeit an die Sache
Und die Personen des Kaiserreichs angeklagt worden war, sagte: "Frankreich
^um mehr fordern als die Zurückweisung der Candidatur des Prinzen von
Hohenzollern. Es sieht sich von Preußen geprellt, betrogen! Unsere Re¬
gierung muß Bürgschaften fordern und kann auf die Unterstützung des
^ndes rechnen!"

In der "Liberte" schrieb Herr Girardin: "Machen wir ein Ende!
Preußen wird nur der Furcht weichen! Nehmen wir eine energische Stellung
°'r>, die einzige, die Frankreich geziemt, und wenn Preußen verweigert, sich zu
schlagen. so wollen wir es mit Kolbenschlägen über den Rhein werfen und
linke Ufer einnehmen!"

Der "Univers" sagte: "Vorwand oder Grund, die Gelegen¬
heit ist gut für den Krieg. Frankreich kann nicht zugeben, daß sich
Preußen noch mehr vergrößere. Um das zu hindern, muß man es kleiner
Zacher!" --

Die sämmtlichen Zeitungen aller Färbungen sprachen so, und ich zweifle,
man mir auch nur eine nennen kann, die eine andere Sprache geführt
^rde. von der röthesten bis zur weißesten.

Aber, meine Herren, es gab Einen, der weniger begeistert war, als alle
/^le. Einen, welcher traurig und ahnungsvoll all diese Großsprechereien und
Herausforderungen anhörte. Das war der Kaiser! Obwohl er sich durch
ehe öffentliche Meinung, der er nicht widerstehen konnte, gestärkt fühlte,
Me er doch nur zu gut, daß Preußen furchtbar gerüstet war und daß


zollern sind in ihrer Keckheit soweit gekommen, daß sie an die Weltherrschaft
zu denken wagen, von der ein Karl V-, ein Ludwig XIV., ein Napoleon ver¬
geblich geträumt haben. Es genügt ihnen nicht mehr, Deutschland erobert
zu haben, sie trachten, Europa zu beherrschen! Es wird für unser Zeitalter
eine ewige Schmach sein, daß dieser Plan, wir sagen nicht ausgeführt, nein
schon, daß er überhaupt gefaßt wurde!"

Der „soir", das Blatt des Herrn About, der heute keine Gelegenheit
versäumt, uns täglich zu beschimpfen, schrieb wie folgt: „Wie, man sollte
Preußen gestatten, einen Proconsul an unserer spanischen Grenze einzusetzen!
Dann sind wir achtunddreißig Millionen Gefangene!"

Der ., Gaulois", der damals der Regierung heftige Opposition machte,
schrieb: „Wenn es dem autokratischen Kaiserreich gefallen hat, sich
Sadowa bieten zu lassen und sich über die Luxemburger Angelegenheit zu
lösten, so kann doch das liberale Frankreich nimmer ertragen, daß man
ihm trotzt und es ungestraft herausfordert. Die Regierung kann, ohne Frank¬
reich zu verrathen, keinen Tag mehr die preußischen Unverschämtheiten
^tragen."

Der „Figaro", der niemals einer großen Anhänglichkeit an die Sache
Und die Personen des Kaiserreichs angeklagt worden war, sagte: „Frankreich
^um mehr fordern als die Zurückweisung der Candidatur des Prinzen von
Hohenzollern. Es sieht sich von Preußen geprellt, betrogen! Unsere Re¬
gierung muß Bürgschaften fordern und kann auf die Unterstützung des
^ndes rechnen!"

In der „Liberte" schrieb Herr Girardin: „Machen wir ein Ende!
Preußen wird nur der Furcht weichen! Nehmen wir eine energische Stellung
°'r>, die einzige, die Frankreich geziemt, und wenn Preußen verweigert, sich zu
schlagen. so wollen wir es mit Kolbenschlägen über den Rhein werfen und
linke Ufer einnehmen!"

Der „Univers" sagte: „Vorwand oder Grund, die Gelegen¬
heit ist gut für den Krieg. Frankreich kann nicht zugeben, daß sich
Preußen noch mehr vergrößere. Um das zu hindern, muß man es kleiner
Zacher!" —

Die sämmtlichen Zeitungen aller Färbungen sprachen so, und ich zweifle,
man mir auch nur eine nennen kann, die eine andere Sprache geführt
^rde. von der röthesten bis zur weißesten.

Aber, meine Herren, es gab Einen, der weniger begeistert war, als alle
/^le. Einen, welcher traurig und ahnungsvoll all diese Großsprechereien und
Herausforderungen anhörte. Das war der Kaiser! Obwohl er sich durch
ehe öffentliche Meinung, der er nicht widerstehen konnte, gestärkt fühlte,
Me er doch nur zu gut, daß Preußen furchtbar gerüstet war und daß


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[0063] zollern sind in ihrer Keckheit soweit gekommen, daß sie an die Weltherrschaft zu denken wagen, von der ein Karl V-, ein Ludwig XIV., ein Napoleon ver¬ geblich geträumt haben. Es genügt ihnen nicht mehr, Deutschland erobert zu haben, sie trachten, Europa zu beherrschen! Es wird für unser Zeitalter eine ewige Schmach sein, daß dieser Plan, wir sagen nicht ausgeführt, nein schon, daß er überhaupt gefaßt wurde!" Der „soir", das Blatt des Herrn About, der heute keine Gelegenheit versäumt, uns täglich zu beschimpfen, schrieb wie folgt: „Wie, man sollte Preußen gestatten, einen Proconsul an unserer spanischen Grenze einzusetzen! Dann sind wir achtunddreißig Millionen Gefangene!" Der ., Gaulois", der damals der Regierung heftige Opposition machte, schrieb: „Wenn es dem autokratischen Kaiserreich gefallen hat, sich Sadowa bieten zu lassen und sich über die Luxemburger Angelegenheit zu lösten, so kann doch das liberale Frankreich nimmer ertragen, daß man ihm trotzt und es ungestraft herausfordert. Die Regierung kann, ohne Frank¬ reich zu verrathen, keinen Tag mehr die preußischen Unverschämtheiten ^tragen." Der „Figaro", der niemals einer großen Anhänglichkeit an die Sache Und die Personen des Kaiserreichs angeklagt worden war, sagte: „Frankreich ^um mehr fordern als die Zurückweisung der Candidatur des Prinzen von Hohenzollern. Es sieht sich von Preußen geprellt, betrogen! Unsere Re¬ gierung muß Bürgschaften fordern und kann auf die Unterstützung des ^ndes rechnen!" In der „Liberte" schrieb Herr Girardin: „Machen wir ein Ende! Preußen wird nur der Furcht weichen! Nehmen wir eine energische Stellung °'r>, die einzige, die Frankreich geziemt, und wenn Preußen verweigert, sich zu schlagen. so wollen wir es mit Kolbenschlägen über den Rhein werfen und linke Ufer einnehmen!" Der „Univers" sagte: „Vorwand oder Grund, die Gelegen¬ heit ist gut für den Krieg. Frankreich kann nicht zugeben, daß sich Preußen noch mehr vergrößere. Um das zu hindern, muß man es kleiner Zacher!" — Die sämmtlichen Zeitungen aller Färbungen sprachen so, und ich zweifle, man mir auch nur eine nennen kann, die eine andere Sprache geführt ^rde. von der röthesten bis zur weißesten. Aber, meine Herren, es gab Einen, der weniger begeistert war, als alle /^le. Einen, welcher traurig und ahnungsvoll all diese Großsprechereien und Herausforderungen anhörte. Das war der Kaiser! Obwohl er sich durch ehe öffentliche Meinung, der er nicht widerstehen konnte, gestärkt fühlte, Me er doch nur zu gut, daß Preußen furchtbar gerüstet war und daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/63>, abgerufen am 29.12.2024.