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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Wesen sein wird, ist in dem nachfolgenden Satz enthalten: "Das Geheim¬
niß unserer Zeit ist, keine Zinsen zu verlieren, keine über¬
flüssigen Cassenbestände zu haben." Dieser Satz scheint denn auch
dem zweiten Vertreter der Reichsregierung, Herrn Finanzminister Camphausen
etwas zu gewagt zu erscheinen, denn er lehnte einestheils für seine Person
die Solidarität mit dem Reichskanzleramt ab, indem er über einige Be¬
merkungen Bamberger's wörtlich sagt: "Was seine Kritik über die bisherigen
Operationen zur Durchführung der neuen Währung betrifft, so habe ich schon
früher bemerken müssen, daß ich weder die Rechte noch die Pflichten eines
Finanzministers gegenüber dem Reiche habe. Es ist das Sache des
Reichskanzleramtes." Andererseits gesteht er offen zu, "daß wir unter
erhöhten Uebelständen zu leiden haben würden," wenn wir die
Doppelwährung (die gegenwärtig factisch besteht, -- auch) gesetzlich eingeführt
hätten. An einer andern Stelle machte Camphausen folgende, dahin bezüg¬
liche Bemerkung: "die preußische Regierung hat jederzeit ein rascheres
Tempo in der Einziehung der Silbermünzen empfohlen; in Süd¬
deutschland hat sich indessen ein solches nicht durchführen lassen" und fügte
dann später hinzu: "wir haben keineswegs so leichtsinnig darauf los gewirth-
schaftet."

Diese Bemerkung wird aber vollständig in Schatten gestellt durch das
wichtige Geständniß, "daß bei der preußischen Bank seit einem Jahre
die Hälfte des gesammten Silbervorrathes abgeflossen sei."
Herr v. Camphausen sagt uns zwar, dies sei geschehen, weil der Verkehr das
Silber'gebraucht habe und verschweigt den wirklichen Grund. Da er aber
oben selbst indirect zugestanden hat, daß wir Nachtheile aus der eingetretenen
facttschen Doppelwährung haben müssen, so wollen wir nachstehend an seiner
Stelle den wahren Grund angeben: das Silber ist von den preußischen,
sowie auch von den anderen deutschen Banken abgeflossen, weil die Banken
natürlicherweise lieber das höher im Curs stehende Metall -- das Gold in
ihren Baarschätzen behielten, denn das Sinken des Silberpreises hatte schon
vor zwei Jahren begonnen. Das Gold bildet also bei den Baarschätzen der
deutschen Banken, -- welche, solange die alten Silbermünzen gesetzliche Kauf¬
kraft nach ihrem Nominalwerth haben, natürlich lieber mit diesem zahlen, --
die unterste Schicht des Geldreservoirs, die von dem Noteneinlösungsgeschäft
wenig oder gar nicht berührt wird. Da nun aber der größte Theil der
früher in den Kellern der Banken gehüteten Silberschätze in den Verkehr ge¬
flossen ist, so mußten natürlich die in dem Umlauf des Inlandes etwa noch
gebliebenen und nicht,'>on->den Banken mit Beschlag belegten Reichsgoldstücke
sich aus dem Verkehr zurückziehen, weil-die Händler daran ein starkes Agio
verdienen konnten. Die Erklärungen der Minister haben also unsere Annahme


Wesen sein wird, ist in dem nachfolgenden Satz enthalten: „Das Geheim¬
niß unserer Zeit ist, keine Zinsen zu verlieren, keine über¬
flüssigen Cassenbestände zu haben." Dieser Satz scheint denn auch
dem zweiten Vertreter der Reichsregierung, Herrn Finanzminister Camphausen
etwas zu gewagt zu erscheinen, denn er lehnte einestheils für seine Person
die Solidarität mit dem Reichskanzleramt ab, indem er über einige Be¬
merkungen Bamberger's wörtlich sagt: „Was seine Kritik über die bisherigen
Operationen zur Durchführung der neuen Währung betrifft, so habe ich schon
früher bemerken müssen, daß ich weder die Rechte noch die Pflichten eines
Finanzministers gegenüber dem Reiche habe. Es ist das Sache des
Reichskanzleramtes." Andererseits gesteht er offen zu, „daß wir unter
erhöhten Uebelständen zu leiden haben würden," wenn wir die
Doppelwährung (die gegenwärtig factisch besteht, — auch) gesetzlich eingeführt
hätten. An einer andern Stelle machte Camphausen folgende, dahin bezüg¬
liche Bemerkung: „die preußische Regierung hat jederzeit ein rascheres
Tempo in der Einziehung der Silbermünzen empfohlen; in Süd¬
deutschland hat sich indessen ein solches nicht durchführen lassen" und fügte
dann später hinzu: „wir haben keineswegs so leichtsinnig darauf los gewirth-
schaftet."

Diese Bemerkung wird aber vollständig in Schatten gestellt durch das
wichtige Geständniß, „daß bei der preußischen Bank seit einem Jahre
die Hälfte des gesammten Silbervorrathes abgeflossen sei."
Herr v. Camphausen sagt uns zwar, dies sei geschehen, weil der Verkehr das
Silber'gebraucht habe und verschweigt den wirklichen Grund. Da er aber
oben selbst indirect zugestanden hat, daß wir Nachtheile aus der eingetretenen
facttschen Doppelwährung haben müssen, so wollen wir nachstehend an seiner
Stelle den wahren Grund angeben: das Silber ist von den preußischen,
sowie auch von den anderen deutschen Banken abgeflossen, weil die Banken
natürlicherweise lieber das höher im Curs stehende Metall — das Gold in
ihren Baarschätzen behielten, denn das Sinken des Silberpreises hatte schon
vor zwei Jahren begonnen. Das Gold bildet also bei den Baarschätzen der
deutschen Banken, — welche, solange die alten Silbermünzen gesetzliche Kauf¬
kraft nach ihrem Nominalwerth haben, natürlich lieber mit diesem zahlen, —
die unterste Schicht des Geldreservoirs, die von dem Noteneinlösungsgeschäft
wenig oder gar nicht berührt wird. Da nun aber der größte Theil der
früher in den Kellern der Banken gehüteten Silberschätze in den Verkehr ge¬
flossen ist, so mußten natürlich die in dem Umlauf des Inlandes etwa noch
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sich aus dem Verkehr zurückziehen, weil-die Händler daran ein starkes Agio
verdienen konnten. Die Erklärungen der Minister haben also unsere Annahme


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[0488] Wesen sein wird, ist in dem nachfolgenden Satz enthalten: „Das Geheim¬ niß unserer Zeit ist, keine Zinsen zu verlieren, keine über¬ flüssigen Cassenbestände zu haben." Dieser Satz scheint denn auch dem zweiten Vertreter der Reichsregierung, Herrn Finanzminister Camphausen etwas zu gewagt zu erscheinen, denn er lehnte einestheils für seine Person die Solidarität mit dem Reichskanzleramt ab, indem er über einige Be¬ merkungen Bamberger's wörtlich sagt: „Was seine Kritik über die bisherigen Operationen zur Durchführung der neuen Währung betrifft, so habe ich schon früher bemerken müssen, daß ich weder die Rechte noch die Pflichten eines Finanzministers gegenüber dem Reiche habe. Es ist das Sache des Reichskanzleramtes." Andererseits gesteht er offen zu, „daß wir unter erhöhten Uebelständen zu leiden haben würden," wenn wir die Doppelwährung (die gegenwärtig factisch besteht, — auch) gesetzlich eingeführt hätten. An einer andern Stelle machte Camphausen folgende, dahin bezüg¬ liche Bemerkung: „die preußische Regierung hat jederzeit ein rascheres Tempo in der Einziehung der Silbermünzen empfohlen; in Süd¬ deutschland hat sich indessen ein solches nicht durchführen lassen" und fügte dann später hinzu: „wir haben keineswegs so leichtsinnig darauf los gewirth- schaftet." Diese Bemerkung wird aber vollständig in Schatten gestellt durch das wichtige Geständniß, „daß bei der preußischen Bank seit einem Jahre die Hälfte des gesammten Silbervorrathes abgeflossen sei." Herr v. Camphausen sagt uns zwar, dies sei geschehen, weil der Verkehr das Silber'gebraucht habe und verschweigt den wirklichen Grund. Da er aber oben selbst indirect zugestanden hat, daß wir Nachtheile aus der eingetretenen facttschen Doppelwährung haben müssen, so wollen wir nachstehend an seiner Stelle den wahren Grund angeben: das Silber ist von den preußischen, sowie auch von den anderen deutschen Banken abgeflossen, weil die Banken natürlicherweise lieber das höher im Curs stehende Metall — das Gold in ihren Baarschätzen behielten, denn das Sinken des Silberpreises hatte schon vor zwei Jahren begonnen. Das Gold bildet also bei den Baarschätzen der deutschen Banken, — welche, solange die alten Silbermünzen gesetzliche Kauf¬ kraft nach ihrem Nominalwerth haben, natürlich lieber mit diesem zahlen, — die unterste Schicht des Geldreservoirs, die von dem Noteneinlösungsgeschäft wenig oder gar nicht berührt wird. Da nun aber der größte Theil der früher in den Kellern der Banken gehüteten Silberschätze in den Verkehr ge¬ flossen ist, so mußten natürlich die in dem Umlauf des Inlandes etwa noch gebliebenen und nicht,'>on->den Banken mit Beschlag belegten Reichsgoldstücke sich aus dem Verkehr zurückziehen, weil-die Händler daran ein starkes Agio verdienen konnten. Die Erklärungen der Minister haben also unsere Annahme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/488>, abgerufen am 28.07.2024.