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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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nicht geschwächt, geschweige denn widerlegt. So lange die französischen
Zahlungen nicht abgewickelt waren und der Wechseleurs zu Gunsten Deutsch¬
lands stand, wird allerdings Gold nur in seltenen Ausnahmen exportirt
worden sein, hingegen mußten, wir wiederholen es, die Waarenpreise und
Löhne eine locale Steigerung erfahren. Ganz unausbleiblich^ war es auch,
daß die inländischen Goldfabriken und Goldschmiede Reichsgoldmünzen mit
Silberthalern aufkauften und einschmolzen. Als die französischen Kriegs¬
entschädigungszahlungen abgewickelt waren, mußte die Ausfuhr von '.Gold
gerade so gut vor sich gehen, wie es in der Schweiz geschehen ist und zwar
in noch höherem Maße, weil der Vorrath an klingender Münze über den
Normalbedarf vermehrt worden war. Wir stehen also positiv vor der Gefahr,
daß die Einführung des Münzgesetzes unmöglich wird, wenn man in der
bis vor Kurzem beobachteten Politik verharrt. Unsere Befürchtungen werden
nicht beschwichtigt durch die Versicherungen Delbrück's, er glaube nicht, daß
der jetzige Stand durch Goldausfuhr erheblich werde geschmälert werden oder
dadurch, daß Camphausen "zur Beruhigung des Publicums erklärt, daß die
Einschmelzungen von Reichsgold in Brüssel bisher eine Million Thaler nicht
überschritten hätten". Es handelt sich nicht blos um Brüssel, sondern.^ auch
um Paris, wo Arbitrage-Operationen durch den Zwangscurs erleichtert werden
und namentlich um das Einschmelzen und Verstecken des Goldes im In¬
lands selbst.

Um dem Vorwurf einer unfruchtbaren Kritik zu entgehen, wiederholen
wir unsere positiven Vorschläge, die uns allein geeignet erscheinen, um die
Durchführung der Münzreform glücklich zu vollenden.

1) Die Reichsregierung muß alle Reichsgoldstücke, über die sie gebieten
kann, bis auf Weiteres aus dem Verkehr zurückhalten.

2) Sie muß so rasch als möglich den erforderlichen Vorrath an neuen
Gold- und Silbermünzen herstellen, um die Umwechselung sodann auf einen
Schlag, in kürzester Frist, an möglichst vielen Einlösungskassen bewerkstelligen
zu können. Wir erfahren mit Vergnügen aus dem Munde des Herrn
Camphausen, daß die Neichsregierung nur den Telegraphen spielen zu
lassen braucht, um den genügenden Goldvorrath zu diesem Zwecke aus dem
Auslande zu beziehen. Auch hoffen wir, daß die abschlägige Antwort, welche
jüngst die Handelskammer in Sorau auf ihre Bitte um Verabfolgung einer
Summe neuer Goldstücke erhalten hat, dahin ausgelegt werden kann, daß die
Reichsregierung begonnen hat, die erst genannte Vorsichtsmaßregel zu ge¬
brauchen.

3) Um aber die üblen Folgen der zu frühen Ausgabe des bereits dem
Verkehre übergebenen Theiles der neuen Goldmünzen möglichst abzuschwächen
und einen magnetischen Einfluß auf die letzteren zu üben, könnte noch folgende


nicht geschwächt, geschweige denn widerlegt. So lange die französischen
Zahlungen nicht abgewickelt waren und der Wechseleurs zu Gunsten Deutsch¬
lands stand, wird allerdings Gold nur in seltenen Ausnahmen exportirt
worden sein, hingegen mußten, wir wiederholen es, die Waarenpreise und
Löhne eine locale Steigerung erfahren. Ganz unausbleiblich^ war es auch,
daß die inländischen Goldfabriken und Goldschmiede Reichsgoldmünzen mit
Silberthalern aufkauften und einschmolzen. Als die französischen Kriegs¬
entschädigungszahlungen abgewickelt waren, mußte die Ausfuhr von '.Gold
gerade so gut vor sich gehen, wie es in der Schweiz geschehen ist und zwar
in noch höherem Maße, weil der Vorrath an klingender Münze über den
Normalbedarf vermehrt worden war. Wir stehen also positiv vor der Gefahr,
daß die Einführung des Münzgesetzes unmöglich wird, wenn man in der
bis vor Kurzem beobachteten Politik verharrt. Unsere Befürchtungen werden
nicht beschwichtigt durch die Versicherungen Delbrück's, er glaube nicht, daß
der jetzige Stand durch Goldausfuhr erheblich werde geschmälert werden oder
dadurch, daß Camphausen „zur Beruhigung des Publicums erklärt, daß die
Einschmelzungen von Reichsgold in Brüssel bisher eine Million Thaler nicht
überschritten hätten". Es handelt sich nicht blos um Brüssel, sondern.^ auch
um Paris, wo Arbitrage-Operationen durch den Zwangscurs erleichtert werden
und namentlich um das Einschmelzen und Verstecken des Goldes im In¬
lands selbst.

Um dem Vorwurf einer unfruchtbaren Kritik zu entgehen, wiederholen
wir unsere positiven Vorschläge, die uns allein geeignet erscheinen, um die
Durchführung der Münzreform glücklich zu vollenden.

1) Die Reichsregierung muß alle Reichsgoldstücke, über die sie gebieten
kann, bis auf Weiteres aus dem Verkehr zurückhalten.

2) Sie muß so rasch als möglich den erforderlichen Vorrath an neuen
Gold- und Silbermünzen herstellen, um die Umwechselung sodann auf einen
Schlag, in kürzester Frist, an möglichst vielen Einlösungskassen bewerkstelligen
zu können. Wir erfahren mit Vergnügen aus dem Munde des Herrn
Camphausen, daß die Neichsregierung nur den Telegraphen spielen zu
lassen braucht, um den genügenden Goldvorrath zu diesem Zwecke aus dem
Auslande zu beziehen. Auch hoffen wir, daß die abschlägige Antwort, welche
jüngst die Handelskammer in Sorau auf ihre Bitte um Verabfolgung einer
Summe neuer Goldstücke erhalten hat, dahin ausgelegt werden kann, daß die
Reichsregierung begonnen hat, die erst genannte Vorsichtsmaßregel zu ge¬
brauchen.

3) Um aber die üblen Folgen der zu frühen Ausgabe des bereits dem
Verkehre übergebenen Theiles der neuen Goldmünzen möglichst abzuschwächen
und einen magnetischen Einfluß auf die letzteren zu üben, könnte noch folgende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/489>, abgerufen am 27.07.2024.