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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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ständigen Beschlußfassung des Reichstags unterworfen worden." Daß die
Worte "mit Zustimmung des Bundesraths" fehlen, ist ein Mangel,
für den wir keine Erklärung haben. Der Reichstag natürlich thut recht,
seine Macht soweit vorzuschieben, als die elastische Grenze noch nachgiebt und
Herr von Forckenbeck ist es nicht, der Tadel verdient, wenn er kurzer Hand
aus jeder Position eines Ausgabetitels durch seine Leitung der Abstimmung
einen selbstständigen Titel macht. Seine Sorge ist es nicht, wie mit einer
solchen Zwangsjacke eine große Verwaltung geführt werden kann; seine
Sorge ist es auch nicht, wo die Selbstständigkeit der Verwaltung bleibt,
die, wenn von sämmtlichen Positionen des Haushaltgesetzes bei der über¬
mäßigen Specialisirung keine einzige inne gehalten wird, den Reichstag
hundertmal um Indemnität anflehen muß. Im März 1862 hatte im preu¬
ßischen Abgeordnetenhaus der Abgeordnete Hagen bereits denselben Antrag
gestellt, alle zur Information der Abgeordneten bestimmten Positionen der
Haushaltsvorlage in gesetzlich bindende Vorschriften durch den Beschluß der
Abgeordneten zu verwandeln. Als der Antrag die Majorität erhielt, stürzte
das Ministerium der sogenannten neuen Aera. -- Sieht man sich in den
Motiven des jetzigen Reichsgesetzentwurfes über die Verwaltung der Ein¬
nahmen und Ausgaben nach der Begründung des § 7 um, so findet man
nur den lakonischer Satz: "Der Paragraph reproducirt die vom Reichstag im
Jahre 1872 genehmigte Definition der Etatüberschreitungen." Das Ver¬
fahren, welches Herr von Forckenbeck am 1. December eingeschlagen, wird
vermuthlich die Wirkung haben, die Neichsregierung, insonderheit den Leiter
der Reichsfinanzverwaltung auf den erwähnten § 7 nachdrücklich hinzulenken.
Die Aussichten für das Zustandekommen des Gesetzes über die Verwaltung
der Reichseinnahmen und Ausgaben noch in dieser Session werden durch
dieses sorgfältigere Studium kaum gewinnen. Allein dieser Aufschub ist kein
Unglück, vielmehr ein Glück, wenn er die richtige Regelung dieser wichtigen
Materie herbeiführt, die auf dem Wege war, gründlich verdorben zu werden.
Insofern hat die Reichsregierung nur Ursache, Herrn von Forckenbeck
dankbar zu sein.

Die Sitzung vom 3. Dezember mit der Berathung des Antrages, in die
Reichsverfassung einen Artikel aufzunehmen, welcher für jeden Bundesstaat
eine Wahlkammer vorschreibt, übergehen wir. Der Antrag will den Leiden
Heilung bringen, welche Mecklenburg durch seine feudale Verfassung zu tragen
hat. Wir wünschen diesen Leiden die gründlichste Heilung, glauben aber nicht,
daß dieselbe vom Reichstag kommen kann, höchstens daß die immer wieder¬
kehrende Besprechung des Schadens an den entscheidenden Stellen die Sache
nicht einschlafen läßt. -- Der Tage des 4. und 8. Dezember haben wir schon
gedacht. Die Sitzung vom 7. Dezember brachte im Verfolg des Haushalts-


ständigen Beschlußfassung des Reichstags unterworfen worden." Daß die
Worte „mit Zustimmung des Bundesraths" fehlen, ist ein Mangel,
für den wir keine Erklärung haben. Der Reichstag natürlich thut recht,
seine Macht soweit vorzuschieben, als die elastische Grenze noch nachgiebt und
Herr von Forckenbeck ist es nicht, der Tadel verdient, wenn er kurzer Hand
aus jeder Position eines Ausgabetitels durch seine Leitung der Abstimmung
einen selbstständigen Titel macht. Seine Sorge ist es nicht, wie mit einer
solchen Zwangsjacke eine große Verwaltung geführt werden kann; seine
Sorge ist es auch nicht, wo die Selbstständigkeit der Verwaltung bleibt,
die, wenn von sämmtlichen Positionen des Haushaltgesetzes bei der über¬
mäßigen Specialisirung keine einzige inne gehalten wird, den Reichstag
hundertmal um Indemnität anflehen muß. Im März 1862 hatte im preu¬
ßischen Abgeordnetenhaus der Abgeordnete Hagen bereits denselben Antrag
gestellt, alle zur Information der Abgeordneten bestimmten Positionen der
Haushaltsvorlage in gesetzlich bindende Vorschriften durch den Beschluß der
Abgeordneten zu verwandeln. Als der Antrag die Majorität erhielt, stürzte
das Ministerium der sogenannten neuen Aera. — Sieht man sich in den
Motiven des jetzigen Reichsgesetzentwurfes über die Verwaltung der Ein¬
nahmen und Ausgaben nach der Begründung des § 7 um, so findet man
nur den lakonischer Satz: „Der Paragraph reproducirt die vom Reichstag im
Jahre 1872 genehmigte Definition der Etatüberschreitungen." Das Ver¬
fahren, welches Herr von Forckenbeck am 1. December eingeschlagen, wird
vermuthlich die Wirkung haben, die Neichsregierung, insonderheit den Leiter
der Reichsfinanzverwaltung auf den erwähnten § 7 nachdrücklich hinzulenken.
Die Aussichten für das Zustandekommen des Gesetzes über die Verwaltung
der Reichseinnahmen und Ausgaben noch in dieser Session werden durch
dieses sorgfältigere Studium kaum gewinnen. Allein dieser Aufschub ist kein
Unglück, vielmehr ein Glück, wenn er die richtige Regelung dieser wichtigen
Materie herbeiführt, die auf dem Wege war, gründlich verdorben zu werden.
Insofern hat die Reichsregierung nur Ursache, Herrn von Forckenbeck
dankbar zu sein.

Die Sitzung vom 3. Dezember mit der Berathung des Antrages, in die
Reichsverfassung einen Artikel aufzunehmen, welcher für jeden Bundesstaat
eine Wahlkammer vorschreibt, übergehen wir. Der Antrag will den Leiden
Heilung bringen, welche Mecklenburg durch seine feudale Verfassung zu tragen
hat. Wir wünschen diesen Leiden die gründlichste Heilung, glauben aber nicht,
daß dieselbe vom Reichstag kommen kann, höchstens daß die immer wieder¬
kehrende Besprechung des Schadens an den entscheidenden Stellen die Sache
nicht einschlafen läßt. — Der Tage des 4. und 8. Dezember haben wir schon
gedacht. Die Sitzung vom 7. Dezember brachte im Verfolg des Haushalts-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/478>, abgerufen am 27.07.2024.