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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Oeffentlichkeit gebrachten Vorfall vermieden haben dürfte, wenn er nicht an
den vor Allem zur Bedienung aufsteigender Passagiere verpflichteten
Schaffner ein Verlangen gerichtet hätte, welches dieser abzulehnen berechtigt
war und welches auch im § 72 des Bahnpolizeireglements seine Begründung
nicht findet. Auch ist die Sache vom Gerichte erster Instanz zu Gunsten des
Schaffners entschieden worden, also zweifelhaft gewesen. Im Uebrigen
hat uns die Generaldirection ihre Bereitwilligkeit erklärt, jedem, der an der
Sache persönlich interessirt ist, Näheres mitzutheilen."

Dürftiger ist wohl kaum jemals eine amtliche Vertheidigung in öffentlichen
Blättern ausgefallen. Erstlich scheint die Generaldirection ein ziemlich kurzes
Gedächtniß zu haben, wenn sie ihren Beamten G., den sie in dem Bescheide
auf meine Beschwerde noch ganz richtig als Packmeister bezeichnet, jetzt auf
einmal zum Schaffner degradirt. Zweitens wird durch diese Degradation
an der Schuld G.'s nicht das Geringste geändert, denn nach § 72 des Regle¬
ments (s. oben) sind neben den Zugführern und Packmeistern auch die
Schaffner "zur Ausübung der Bahnpolizei zunächst berufen und ver¬
pflichtet". § 75 lautet: "Die Bahnpolizeibeamten werden von der compe-
tenten Behörde vereidet. Sie treten alsdann in Beziehung auf die ihnen
übertragenen Dienstverrichtungen dem Publikum gegenüber in die Rechte der
öffentlichen Polizeibeamten" und nach §77 erstreckt sich "die Aufmerk¬
samkeit der Bahnpolizeibeamten auf die ganze Bahn und die dazu gehörigen
Anlagen". Wenn endlich die Generaldirection wirklich so bereitwillig ist,
jedem an der Sache persönlich Jnteressirten Näheres mitzutheilen, wie kommt
es, daß dieselbe den mehrerwähnten vier Augenzeugen, welche nächst mir in
erster Linie an der Sache interessirt waren und dies durch ihre gemeinschaft¬
liche Erklärung zur Genüge bekundet hatten, bis auf den heutigen Tag mit
keiner Silbe geantwortet hat?

Bald nach Veröffentlichung meines Artikels hatte ich Gelegenheit, zu
bemerken, daß mein Vorgehen gegen die tgi. Generaldirection sich der unge¬
teilten Zustimmung des Publikums erfreue. Von vielen Seiten wurde mir
warme Anerkennung und der Wunsch ausgesprochen, daß mein Beispiel Nach¬
ahmung finden möge, da es dann in mancher Hinsicht besser stehen würde.
Selbst höhere sächsische Bahnbeamte bezeugten mir ihren Unwillen über den
Bescheid der Bahndireetion und ihre Befriedigung über die derselben von mir
zu Theil gewordene Zurechtweisung und ein ihr nicht fern stehender Mann
äußerte: "Uns thäte ein Laster dringend noth!" Wenn es aber unzweifel¬
haft ist. daß meine Beschwerde seitens der Generaldirection nicht die ihr ge¬
bührende Berücksichtigung gefunden hat, so erfordert doch die Billigkeit,
schließlich noch zu fragen, ob bei Beurtheilung des Verfahrens dieser Behörde
nicht etwa mildernde Umstände in Betracht kommen. Diese Frage glauben


Grenzvotm IV. 1S74. 59

Oeffentlichkeit gebrachten Vorfall vermieden haben dürfte, wenn er nicht an
den vor Allem zur Bedienung aufsteigender Passagiere verpflichteten
Schaffner ein Verlangen gerichtet hätte, welches dieser abzulehnen berechtigt
war und welches auch im § 72 des Bahnpolizeireglements seine Begründung
nicht findet. Auch ist die Sache vom Gerichte erster Instanz zu Gunsten des
Schaffners entschieden worden, also zweifelhaft gewesen. Im Uebrigen
hat uns die Generaldirection ihre Bereitwilligkeit erklärt, jedem, der an der
Sache persönlich interessirt ist, Näheres mitzutheilen."

Dürftiger ist wohl kaum jemals eine amtliche Vertheidigung in öffentlichen
Blättern ausgefallen. Erstlich scheint die Generaldirection ein ziemlich kurzes
Gedächtniß zu haben, wenn sie ihren Beamten G., den sie in dem Bescheide
auf meine Beschwerde noch ganz richtig als Packmeister bezeichnet, jetzt auf
einmal zum Schaffner degradirt. Zweitens wird durch diese Degradation
an der Schuld G.'s nicht das Geringste geändert, denn nach § 72 des Regle¬
ments (s. oben) sind neben den Zugführern und Packmeistern auch die
Schaffner „zur Ausübung der Bahnpolizei zunächst berufen und ver¬
pflichtet". § 75 lautet: „Die Bahnpolizeibeamten werden von der compe-
tenten Behörde vereidet. Sie treten alsdann in Beziehung auf die ihnen
übertragenen Dienstverrichtungen dem Publikum gegenüber in die Rechte der
öffentlichen Polizeibeamten" und nach §77 erstreckt sich „die Aufmerk¬
samkeit der Bahnpolizeibeamten auf die ganze Bahn und die dazu gehörigen
Anlagen". Wenn endlich die Generaldirection wirklich so bereitwillig ist,
jedem an der Sache persönlich Jnteressirten Näheres mitzutheilen, wie kommt
es, daß dieselbe den mehrerwähnten vier Augenzeugen, welche nächst mir in
erster Linie an der Sache interessirt waren und dies durch ihre gemeinschaft¬
liche Erklärung zur Genüge bekundet hatten, bis auf den heutigen Tag mit
keiner Silbe geantwortet hat?

Bald nach Veröffentlichung meines Artikels hatte ich Gelegenheit, zu
bemerken, daß mein Vorgehen gegen die tgi. Generaldirection sich der unge¬
teilten Zustimmung des Publikums erfreue. Von vielen Seiten wurde mir
warme Anerkennung und der Wunsch ausgesprochen, daß mein Beispiel Nach¬
ahmung finden möge, da es dann in mancher Hinsicht besser stehen würde.
Selbst höhere sächsische Bahnbeamte bezeugten mir ihren Unwillen über den
Bescheid der Bahndireetion und ihre Befriedigung über die derselben von mir
zu Theil gewordene Zurechtweisung und ein ihr nicht fern stehender Mann
äußerte: „Uns thäte ein Laster dringend noth!" Wenn es aber unzweifel¬
haft ist. daß meine Beschwerde seitens der Generaldirection nicht die ihr ge¬
bührende Berücksichtigung gefunden hat, so erfordert doch die Billigkeit,
schließlich noch zu fragen, ob bei Beurtheilung des Verfahrens dieser Behörde
nicht etwa mildernde Umstände in Betracht kommen. Diese Frage glauben


Grenzvotm IV. 1S74. 59
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[0469] Oeffentlichkeit gebrachten Vorfall vermieden haben dürfte, wenn er nicht an den vor Allem zur Bedienung aufsteigender Passagiere verpflichteten Schaffner ein Verlangen gerichtet hätte, welches dieser abzulehnen berechtigt war und welches auch im § 72 des Bahnpolizeireglements seine Begründung nicht findet. Auch ist die Sache vom Gerichte erster Instanz zu Gunsten des Schaffners entschieden worden, also zweifelhaft gewesen. Im Uebrigen hat uns die Generaldirection ihre Bereitwilligkeit erklärt, jedem, der an der Sache persönlich interessirt ist, Näheres mitzutheilen." Dürftiger ist wohl kaum jemals eine amtliche Vertheidigung in öffentlichen Blättern ausgefallen. Erstlich scheint die Generaldirection ein ziemlich kurzes Gedächtniß zu haben, wenn sie ihren Beamten G., den sie in dem Bescheide auf meine Beschwerde noch ganz richtig als Packmeister bezeichnet, jetzt auf einmal zum Schaffner degradirt. Zweitens wird durch diese Degradation an der Schuld G.'s nicht das Geringste geändert, denn nach § 72 des Regle¬ ments (s. oben) sind neben den Zugführern und Packmeistern auch die Schaffner „zur Ausübung der Bahnpolizei zunächst berufen und ver¬ pflichtet". § 75 lautet: „Die Bahnpolizeibeamten werden von der compe- tenten Behörde vereidet. Sie treten alsdann in Beziehung auf die ihnen übertragenen Dienstverrichtungen dem Publikum gegenüber in die Rechte der öffentlichen Polizeibeamten" und nach §77 erstreckt sich „die Aufmerk¬ samkeit der Bahnpolizeibeamten auf die ganze Bahn und die dazu gehörigen Anlagen". Wenn endlich die Generaldirection wirklich so bereitwillig ist, jedem an der Sache persönlich Jnteressirten Näheres mitzutheilen, wie kommt es, daß dieselbe den mehrerwähnten vier Augenzeugen, welche nächst mir in erster Linie an der Sache interessirt waren und dies durch ihre gemeinschaft¬ liche Erklärung zur Genüge bekundet hatten, bis auf den heutigen Tag mit keiner Silbe geantwortet hat? Bald nach Veröffentlichung meines Artikels hatte ich Gelegenheit, zu bemerken, daß mein Vorgehen gegen die tgi. Generaldirection sich der unge¬ teilten Zustimmung des Publikums erfreue. Von vielen Seiten wurde mir warme Anerkennung und der Wunsch ausgesprochen, daß mein Beispiel Nach¬ ahmung finden möge, da es dann in mancher Hinsicht besser stehen würde. Selbst höhere sächsische Bahnbeamte bezeugten mir ihren Unwillen über den Bescheid der Bahndireetion und ihre Befriedigung über die derselben von mir zu Theil gewordene Zurechtweisung und ein ihr nicht fern stehender Mann äußerte: „Uns thäte ein Laster dringend noth!" Wenn es aber unzweifel¬ haft ist. daß meine Beschwerde seitens der Generaldirection nicht die ihr ge¬ bührende Berücksichtigung gefunden hat, so erfordert doch die Billigkeit, schließlich noch zu fragen, ob bei Beurtheilung des Verfahrens dieser Behörde nicht etwa mildernde Umstände in Betracht kommen. Diese Frage glauben Grenzvotm IV. 1S74. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/469>, abgerufen am 29.12.2024.