Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sellschaft herrschte nur eine Stimme darüber, daß die Hauptschuld hiervon den
gedachten Bahnbeamten treffe. Als derselbe uns nahe am Ausgange einholte,
sagte ich ihm. daß ich mich morgen über ihn beschweren würde. Der Mann,
welcher bis dahin unhöflich gewesen war, wurde jetzt gradezu grob, er hielt
an das Publikum, das sich auf dem Platze vor der Billetausgabe angesammelt
hatte, laute Reden über den Vorgang, suchte mich dabei lächerlich zu machen
und die Sache jetzt so darzustellen, als ob wir seine Intervention nicht recht¬
zeitig und in der rechten Weise angerufen hätten, während er früher gethan
hatte, als ob ihn die ganze Angelegenheit nichts angehe. Er äußerte u. a.;
"da sagen Sie, Sie wollen jemand arretiren lassen und als ich dazukomme,
ist der fort" (während er doch sichtlich sein Dazukommen so lange verzögert
hatte). "Ich muß doch erst wissen, weswegen Sie ihn wollen arretiren lassen."
Zweimal sagte er zu mir: "Sie denken wohl, ich bin Ihr dummer Schul¬
junge?" Da ich nicht Lust hatte, mich weiter insultiren zu lassen, verlangte
ich das Beschwerdebuch. Er verweigerte mir die Vorlegung desselben mit den
Worten: "Ich habe weiter nichts mit Ihnen zu reden." Als ich hierauf
den Polizisten fragte, wer dieser Beamte sei, wollte er demselben die Beant¬
wortung dieser Frage mit den Worten verbieten: "Sagen Sie es nicht!"
Trotzdem theilte mir der Polizist mit, daß es der "zugführende Oberschaffner
des Tharander Zuges" sei. Bald nachher, während wir noch in der Nahe
waren, erging er sich gegen den Gensdarmen in lauten Reden über den Vor¬
fall und sagte u. a.: "Ich denke, der Herr ist'besoffen."

Auf Grund dieser Thatsachen ersuchte ich schließlich die tgi. General-
direction, den mehrerwähnten Beamten zur Verantwortung zu ziehen, indem
ich die Hoffnung aussprach, daß es derselben "gewiß nicht gleichgiltig sein
werde, wenn auf den ihr unterstehenden Bahnen Anstand und Sitte von
Reisenden offen verletzt wird, und andere Reisende, welche gegen derartiges
Unwesen auf gesetzlichem Wege einschreiten wollen, bei dem Beamten, der
ihnen vom Schaffner als competent bezeichnet wird, keinerlei Unterstützung
finden, ja vielmehr von demselben in schroffer Form zurückgewiesen werden
und für ihren guten Willen nur Aerger und Beleidigungen ernten. Für den
Fall, daß jener Beamte eine der von mir angeführten Thatsachen leugnen
sollte, bat ich die tgi. Generaldirection, ihn mit mir zu confrontiren, und
machte als Zeugen für die Wahrheit meiner Angaben den Secretär der
Dresdner Handelskammer und drei Gymnasialoberlehrer namhaft. Endlich
erlaubte ich mir, der Generaldirection die Frage zur Erwägung anheimzu¬
geben, ob es sich nicht, um die Wiederholung derartiger Vorgänge zu ver¬
meiden , empfehlen dürfte, bei Ankunft der Züge einen Gensdarm auf dem
Perron aufzustellen. -- Auf dieses Schreiben erhielt ich am 27. Juli (also
nach länger als 3 Wochen) folgende vom 23. Juli datirte Antwort: "Auf


Grenzboten IV. 1874. 58

sellschaft herrschte nur eine Stimme darüber, daß die Hauptschuld hiervon den
gedachten Bahnbeamten treffe. Als derselbe uns nahe am Ausgange einholte,
sagte ich ihm. daß ich mich morgen über ihn beschweren würde. Der Mann,
welcher bis dahin unhöflich gewesen war, wurde jetzt gradezu grob, er hielt
an das Publikum, das sich auf dem Platze vor der Billetausgabe angesammelt
hatte, laute Reden über den Vorgang, suchte mich dabei lächerlich zu machen
und die Sache jetzt so darzustellen, als ob wir seine Intervention nicht recht¬
zeitig und in der rechten Weise angerufen hätten, während er früher gethan
hatte, als ob ihn die ganze Angelegenheit nichts angehe. Er äußerte u. a.;
„da sagen Sie, Sie wollen jemand arretiren lassen und als ich dazukomme,
ist der fort" (während er doch sichtlich sein Dazukommen so lange verzögert
hatte). „Ich muß doch erst wissen, weswegen Sie ihn wollen arretiren lassen."
Zweimal sagte er zu mir: „Sie denken wohl, ich bin Ihr dummer Schul¬
junge?" Da ich nicht Lust hatte, mich weiter insultiren zu lassen, verlangte
ich das Beschwerdebuch. Er verweigerte mir die Vorlegung desselben mit den
Worten: „Ich habe weiter nichts mit Ihnen zu reden." Als ich hierauf
den Polizisten fragte, wer dieser Beamte sei, wollte er demselben die Beant¬
wortung dieser Frage mit den Worten verbieten: „Sagen Sie es nicht!"
Trotzdem theilte mir der Polizist mit, daß es der „zugführende Oberschaffner
des Tharander Zuges" sei. Bald nachher, während wir noch in der Nahe
waren, erging er sich gegen den Gensdarmen in lauten Reden über den Vor¬
fall und sagte u. a.: „Ich denke, der Herr ist'besoffen."

Auf Grund dieser Thatsachen ersuchte ich schließlich die tgi. General-
direction, den mehrerwähnten Beamten zur Verantwortung zu ziehen, indem
ich die Hoffnung aussprach, daß es derselben „gewiß nicht gleichgiltig sein
werde, wenn auf den ihr unterstehenden Bahnen Anstand und Sitte von
Reisenden offen verletzt wird, und andere Reisende, welche gegen derartiges
Unwesen auf gesetzlichem Wege einschreiten wollen, bei dem Beamten, der
ihnen vom Schaffner als competent bezeichnet wird, keinerlei Unterstützung
finden, ja vielmehr von demselben in schroffer Form zurückgewiesen werden
und für ihren guten Willen nur Aerger und Beleidigungen ernten. Für den
Fall, daß jener Beamte eine der von mir angeführten Thatsachen leugnen
sollte, bat ich die tgi. Generaldirection, ihn mit mir zu confrontiren, und
machte als Zeugen für die Wahrheit meiner Angaben den Secretär der
Dresdner Handelskammer und drei Gymnasialoberlehrer namhaft. Endlich
erlaubte ich mir, der Generaldirection die Frage zur Erwägung anheimzu¬
geben, ob es sich nicht, um die Wiederholung derartiger Vorgänge zu ver¬
meiden , empfehlen dürfte, bei Ankunft der Züge einen Gensdarm auf dem
Perron aufzustellen. — Auf dieses Schreiben erhielt ich am 27. Juli (also
nach länger als 3 Wochen) folgende vom 23. Juli datirte Antwort: „Auf


Grenzboten IV. 1874. 58
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132683"/>
          <p xml:id="ID_1349" prev="#ID_1348"> sellschaft herrschte nur eine Stimme darüber, daß die Hauptschuld hiervon den<lb/>
gedachten Bahnbeamten treffe. Als derselbe uns nahe am Ausgange einholte,<lb/>
sagte ich ihm. daß ich mich morgen über ihn beschweren würde. Der Mann,<lb/>
welcher bis dahin unhöflich gewesen war, wurde jetzt gradezu grob, er hielt<lb/>
an das Publikum, das sich auf dem Platze vor der Billetausgabe angesammelt<lb/>
hatte, laute Reden über den Vorgang, suchte mich dabei lächerlich zu machen<lb/>
und die Sache jetzt so darzustellen, als ob wir seine Intervention nicht recht¬<lb/>
zeitig und in der rechten Weise angerufen hätten, während er früher gethan<lb/>
hatte, als ob ihn die ganze Angelegenheit nichts angehe. Er äußerte u. a.;<lb/>
&#x201E;da sagen Sie, Sie wollen jemand arretiren lassen und als ich dazukomme,<lb/>
ist der fort" (während er doch sichtlich sein Dazukommen so lange verzögert<lb/>
hatte). &#x201E;Ich muß doch erst wissen, weswegen Sie ihn wollen arretiren lassen."<lb/>
Zweimal sagte er zu mir: &#x201E;Sie denken wohl, ich bin Ihr dummer Schul¬<lb/>
junge?" Da ich nicht Lust hatte, mich weiter insultiren zu lassen, verlangte<lb/>
ich das Beschwerdebuch. Er verweigerte mir die Vorlegung desselben mit den<lb/>
Worten: &#x201E;Ich habe weiter nichts mit Ihnen zu reden." Als ich hierauf<lb/>
den Polizisten fragte, wer dieser Beamte sei, wollte er demselben die Beant¬<lb/>
wortung dieser Frage mit den Worten verbieten: &#x201E;Sagen Sie es nicht!"<lb/>
Trotzdem theilte mir der Polizist mit, daß es der &#x201E;zugführende Oberschaffner<lb/>
des Tharander Zuges" sei. Bald nachher, während wir noch in der Nahe<lb/>
waren, erging er sich gegen den Gensdarmen in lauten Reden über den Vor¬<lb/>
fall und sagte u. a.: &#x201E;Ich denke, der Herr ist'besoffen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1350" next="#ID_1351"> Auf Grund dieser Thatsachen ersuchte ich schließlich die tgi. General-<lb/>
direction, den mehrerwähnten Beamten zur Verantwortung zu ziehen, indem<lb/>
ich die Hoffnung aussprach, daß es derselben &#x201E;gewiß nicht gleichgiltig sein<lb/>
werde, wenn auf den ihr unterstehenden Bahnen Anstand und Sitte von<lb/>
Reisenden offen verletzt wird, und andere Reisende, welche gegen derartiges<lb/>
Unwesen auf gesetzlichem Wege einschreiten wollen, bei dem Beamten, der<lb/>
ihnen vom Schaffner als competent bezeichnet wird, keinerlei Unterstützung<lb/>
finden, ja vielmehr von demselben in schroffer Form zurückgewiesen werden<lb/>
und für ihren guten Willen nur Aerger und Beleidigungen ernten. Für den<lb/>
Fall, daß jener Beamte eine der von mir angeführten Thatsachen leugnen<lb/>
sollte, bat ich die tgi. Generaldirection, ihn mit mir zu confrontiren, und<lb/>
machte als Zeugen für die Wahrheit meiner Angaben den Secretär der<lb/>
Dresdner Handelskammer und drei Gymnasialoberlehrer namhaft. Endlich<lb/>
erlaubte ich mir, der Generaldirection die Frage zur Erwägung anheimzu¬<lb/>
geben, ob es sich nicht, um die Wiederholung derartiger Vorgänge zu ver¬<lb/>
meiden , empfehlen dürfte, bei Ankunft der Züge einen Gensdarm auf dem<lb/>
Perron aufzustellen. &#x2014; Auf dieses Schreiben erhielt ich am 27. Juli (also<lb/>
nach länger als 3 Wochen) folgende vom 23. Juli datirte Antwort: &#x201E;Auf</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1874. 58</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0461] sellschaft herrschte nur eine Stimme darüber, daß die Hauptschuld hiervon den gedachten Bahnbeamten treffe. Als derselbe uns nahe am Ausgange einholte, sagte ich ihm. daß ich mich morgen über ihn beschweren würde. Der Mann, welcher bis dahin unhöflich gewesen war, wurde jetzt gradezu grob, er hielt an das Publikum, das sich auf dem Platze vor der Billetausgabe angesammelt hatte, laute Reden über den Vorgang, suchte mich dabei lächerlich zu machen und die Sache jetzt so darzustellen, als ob wir seine Intervention nicht recht¬ zeitig und in der rechten Weise angerufen hätten, während er früher gethan hatte, als ob ihn die ganze Angelegenheit nichts angehe. Er äußerte u. a.; „da sagen Sie, Sie wollen jemand arretiren lassen und als ich dazukomme, ist der fort" (während er doch sichtlich sein Dazukommen so lange verzögert hatte). „Ich muß doch erst wissen, weswegen Sie ihn wollen arretiren lassen." Zweimal sagte er zu mir: „Sie denken wohl, ich bin Ihr dummer Schul¬ junge?" Da ich nicht Lust hatte, mich weiter insultiren zu lassen, verlangte ich das Beschwerdebuch. Er verweigerte mir die Vorlegung desselben mit den Worten: „Ich habe weiter nichts mit Ihnen zu reden." Als ich hierauf den Polizisten fragte, wer dieser Beamte sei, wollte er demselben die Beant¬ wortung dieser Frage mit den Worten verbieten: „Sagen Sie es nicht!" Trotzdem theilte mir der Polizist mit, daß es der „zugführende Oberschaffner des Tharander Zuges" sei. Bald nachher, während wir noch in der Nahe waren, erging er sich gegen den Gensdarmen in lauten Reden über den Vor¬ fall und sagte u. a.: „Ich denke, der Herr ist'besoffen." Auf Grund dieser Thatsachen ersuchte ich schließlich die tgi. General- direction, den mehrerwähnten Beamten zur Verantwortung zu ziehen, indem ich die Hoffnung aussprach, daß es derselben „gewiß nicht gleichgiltig sein werde, wenn auf den ihr unterstehenden Bahnen Anstand und Sitte von Reisenden offen verletzt wird, und andere Reisende, welche gegen derartiges Unwesen auf gesetzlichem Wege einschreiten wollen, bei dem Beamten, der ihnen vom Schaffner als competent bezeichnet wird, keinerlei Unterstützung finden, ja vielmehr von demselben in schroffer Form zurückgewiesen werden und für ihren guten Willen nur Aerger und Beleidigungen ernten. Für den Fall, daß jener Beamte eine der von mir angeführten Thatsachen leugnen sollte, bat ich die tgi. Generaldirection, ihn mit mir zu confrontiren, und machte als Zeugen für die Wahrheit meiner Angaben den Secretär der Dresdner Handelskammer und drei Gymnasialoberlehrer namhaft. Endlich erlaubte ich mir, der Generaldirection die Frage zur Erwägung anheimzu¬ geben, ob es sich nicht, um die Wiederholung derartiger Vorgänge zu ver¬ meiden , empfehlen dürfte, bei Ankunft der Züge einen Gensdarm auf dem Perron aufzustellen. — Auf dieses Schreiben erhielt ich am 27. Juli (also nach länger als 3 Wochen) folgende vom 23. Juli datirte Antwort: „Auf Grenzboten IV. 1874. 58

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/461
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/461>, abgerufen am 28.07.2024.