Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.Ihre Beschwerde vom 3, d. M. erwidern wir nach den angestellten Erörte¬ Ihre Beschwerde vom 3, d. M. erwidern wir nach den angestellten Erörte¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132684"/> <p xml:id="ID_1351" prev="#ID_1350" next="#ID_1352"> Ihre Beschwerde vom 3, d. M. erwidern wir nach den angestellten Erörte¬<lb/> rungen Folgendes: Wenn Sie sich am 2. d. M. an den Packmeister G.<lb/> mit dem Ersuchen gewendet haben, Ihnen einen Polizeibeamten zu verschaffen<lb/> und dadurch zur Arretur eines Reisenden behilflich zu sein, der genannte<lb/> Beamte sich aber nicht sofort willfährig gezeigt hat, so bedauern wir, nach¬<lb/> dem wir Ihre Darstellung gelesen, zwar, daß G. Ihnen nicht mehr zu Willen<lb/> gewesen ist, noch Sie sofort an den bei Ankunft und bei Abgang jedes Zugs<lb/> auf dem Perron anwesenden, an einer rothen Mütze kenntlichen Vertreter der<lb/> Bahnhvfsinspection, zu dessen Obliegenheiten das schlichten unter Passagieren<lb/> ausgebrochener Differenzen gehört, gewiesen hat, können aber dem Ersteren<lb/> keinen besondern Vorwurf machen, weil er im Momente der Ankunft des<lb/> Zugs durch seine Dienstgeschäfte stark in Anspruch genommen, übrigens aber<lb/> auch gar nicht in der Lage war, zu erkennen, worauf der von einem Passagier<lb/> ausgesprochene Wunsch auf Verhaftung des anderen beruhte. Dieser Beamte<lb/> hat zu Protokoll erklärt, Sie hätten, auf ihn zuschreitend, in heftigem Ton<lb/> zu ihm gesagt: „Verschaffen Sie mir einen Gensdarm I" und auf seine<lb/> Frage: „Weshalb?" hätten Sie erwidert: „Das geht Sie nichts an, Sie<lb/> dummer Mensch!" Darauf mögen nun allerdings auch seine Aeußerungen<lb/> den Ausdruck des Unwillens angenommen haben. — Er gibt nämlich zu, auf<lb/> Ihr wiederholtes Verlangen, Ihnen einen Polizeibeamten zu verschaffen, ge¬<lb/> antwortet zu haben: „Nun, da suchen Sie sich selbst einen" und, auf Ihr<lb/> Drängen nach Nennung seines Namens, sich mit den Worten: „Denken Sie<lb/> denn, ich bin Ihr dummer Junge?" entfernt zu haben. — Wir mißbilligen<lb/> beide Aeußerungen, weil wir genöthigt sind, unsere, wenn auch noch so sehr<lb/> geplagten Zugsbeamten auch dann zur Höflichkeit anzuhalten, wenn sie<lb/> von Gebildeten oder Ungebildeten öffentlich beleidigt werden.<lb/> — Dagegen verwahrt sich G. entschieden gegen die Behauptung, daß er mit<lb/> Beziehung auf Sie gesagt habe: „Ich denke, der Herr ist besoffen" und will<lb/> vielmehr mit den Worten: „Es ist jemand betrunken gewesen" den entkommenen<lb/> Ruhestörer genannt und die muthmaßliche Ursache des Streites bezeichnet<lb/> haben. — Die letztere Auffassung wird von dem zugegen gewesenen Gensdarmen<lb/> Element mit dem Bemerken bestätigt, daß aus dem ganzen Benehmen G.'s<lb/> ersichtlich gewesen, wie er Ihnen durchaus nicht habe zu nahe treten wollen.<lb/> Das gemäß Z 71 des Bahnpolizeireglements für das deutsche Reich auf jedem<lb/> Bahnhof aufliegende, dem Publikum stets zugängliche Beschwerdebuch befindet<lb/> sich in der Verwahrung der Bahnhofsinspection, deren Vertreter, wie schon<lb/> erwähnt, bei Ankunft und bei Abgang jedes Zuges auf dem Perron an¬<lb/> wesend ist und auch im vorliegenden Falle anwesend war. Wir können nicht<lb/> annehmen, daß Ihnen irgend eine Schwierigkeit zur Erlangung dieses Buches,<lb/> über welches der Zugführer gar keine Dispositionsbefugniß hat, gemacht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Ihre Beschwerde vom 3, d. M. erwidern wir nach den angestellten Erörte¬
rungen Folgendes: Wenn Sie sich am 2. d. M. an den Packmeister G.
mit dem Ersuchen gewendet haben, Ihnen einen Polizeibeamten zu verschaffen
und dadurch zur Arretur eines Reisenden behilflich zu sein, der genannte
Beamte sich aber nicht sofort willfährig gezeigt hat, so bedauern wir, nach¬
dem wir Ihre Darstellung gelesen, zwar, daß G. Ihnen nicht mehr zu Willen
gewesen ist, noch Sie sofort an den bei Ankunft und bei Abgang jedes Zugs
auf dem Perron anwesenden, an einer rothen Mütze kenntlichen Vertreter der
Bahnhvfsinspection, zu dessen Obliegenheiten das schlichten unter Passagieren
ausgebrochener Differenzen gehört, gewiesen hat, können aber dem Ersteren
keinen besondern Vorwurf machen, weil er im Momente der Ankunft des
Zugs durch seine Dienstgeschäfte stark in Anspruch genommen, übrigens aber
auch gar nicht in der Lage war, zu erkennen, worauf der von einem Passagier
ausgesprochene Wunsch auf Verhaftung des anderen beruhte. Dieser Beamte
hat zu Protokoll erklärt, Sie hätten, auf ihn zuschreitend, in heftigem Ton
zu ihm gesagt: „Verschaffen Sie mir einen Gensdarm I" und auf seine
Frage: „Weshalb?" hätten Sie erwidert: „Das geht Sie nichts an, Sie
dummer Mensch!" Darauf mögen nun allerdings auch seine Aeußerungen
den Ausdruck des Unwillens angenommen haben. — Er gibt nämlich zu, auf
Ihr wiederholtes Verlangen, Ihnen einen Polizeibeamten zu verschaffen, ge¬
antwortet zu haben: „Nun, da suchen Sie sich selbst einen" und, auf Ihr
Drängen nach Nennung seines Namens, sich mit den Worten: „Denken Sie
denn, ich bin Ihr dummer Junge?" entfernt zu haben. — Wir mißbilligen
beide Aeußerungen, weil wir genöthigt sind, unsere, wenn auch noch so sehr
geplagten Zugsbeamten auch dann zur Höflichkeit anzuhalten, wenn sie
von Gebildeten oder Ungebildeten öffentlich beleidigt werden.
— Dagegen verwahrt sich G. entschieden gegen die Behauptung, daß er mit
Beziehung auf Sie gesagt habe: „Ich denke, der Herr ist besoffen" und will
vielmehr mit den Worten: „Es ist jemand betrunken gewesen" den entkommenen
Ruhestörer genannt und die muthmaßliche Ursache des Streites bezeichnet
haben. — Die letztere Auffassung wird von dem zugegen gewesenen Gensdarmen
Element mit dem Bemerken bestätigt, daß aus dem ganzen Benehmen G.'s
ersichtlich gewesen, wie er Ihnen durchaus nicht habe zu nahe treten wollen.
Das gemäß Z 71 des Bahnpolizeireglements für das deutsche Reich auf jedem
Bahnhof aufliegende, dem Publikum stets zugängliche Beschwerdebuch befindet
sich in der Verwahrung der Bahnhofsinspection, deren Vertreter, wie schon
erwähnt, bei Ankunft und bei Abgang jedes Zuges auf dem Perron an¬
wesend ist und auch im vorliegenden Falle anwesend war. Wir können nicht
annehmen, daß Ihnen irgend eine Schwierigkeit zur Erlangung dieses Buches,
über welches der Zugführer gar keine Dispositionsbefugniß hat, gemacht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |