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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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bloßen Nachzeichnung der Originale mit Lupe und Mikroskop sind wirkliche Künstler
thätig gewesen. Jede Platte mußte in Form und Linie der Bilder aufs Haar
mit den Vorbildern übereinstimmen. Damit war aber erst der Umriß, der
wesenlose Schatten des Originals gewonnen. Die Hauptarbeit blieb erst noch
zu thun: Die Facsimilirung der meisterhaften Farbengebung Hildebrandt'scher
Aquarelle, das Abstimmen der Töne, die Vereinigung der höchsten Weichheit
in den Nuancen mit der entschiedensten Ausprägung des Charakteristischen in
Linie, Ton und Empfindung, im Totaleindruck wie im geringfügigsten De¬
tail. Um das zu erreichen, waren endlose Experimente nöthig, die von den
hochverdienten Leitern dieser Chromo-Facsimiles. den Herren Se ein kopf und
Loeillot und den von ihnen beschäftigten Künstlern und zugezogenen Sach¬
verständigen mit selner Empfindung unternommen und mit größter Pflicht¬
strenge zu einem gedeihlichen Ende geführt wurden. Selbst die todte Maschine
erhielt unter diesen verständigen Händen Leben. Noch in dem Stadium der
Arbeit, in dem ihr scheinbar allein den Rest zu thun oblag, wurde ihr bald
stärkerer, bald geringerer Druck gegeben, um in der Copie selbst die Ausschwen¬
kung des Pinsels, die weichen oder energischen Spuren des Tupfpinsels, die
kräftige oder leisere Führung des Waschschwamms, die das Original verrieth,
nachzuahmen.

Noch in frischer Erinnerung steht uns die Zeit, wo Hildebrandt's Aqua¬
relle zum ersten Male zur Kenntniß des Publikums gelangten, und alle
Kennerkreise der Hauptstadt in zwei feindliche Lager spalteten, die für und
gegen die Makart des Künstlers leidenschaftlich Partei nahmen. Es liegt uns
daher sehr fern, die Gegner der Hildebrandt'schen Malweise und Technik etwa
für. schlechthin unverständig oder die von der "Reise um die Erde" heimge¬
brachten Aquarellen für absolut tadellos, für das in der Wasserfarbenlandschafts¬
malerei in allen Beziehungen Unerreichte hinzustellen. Im Gegentheil: es soll
bereitwillig zugestanden werden, daß Hildebrandt auch Aufgaben hier zu lösen
suchte, an denen er gescheitert ist, weil das Aquarell nie ihnen gewachsen
sein kann; daß nur wenige dieser Blätter als ganz vollendete Staffeleibilder
gelten können, dagegen viele anderen seiner Aquarelle von der Reise um die
Erde, trotz aller vom Künstler darauf gewandten Mühe und Arbeit den
Eindruck des skizzenhaften und Flüchtigen machen, während z. B. die kleine,
jetzt in Privatbesitz befindliche Sammlung seiner auf einer früheren Reise
aufgenommenenen Aquarelle von Madeira eine Durcharbeitung und Vollen¬
dung aufweist, von der selbst Karl Werner's fleißigste Detailmalerei in
Schatten gestellt wird.

Aber trotz dieser Schwächen -- die übrigens nur dem edelsten Schaffens¬
drang entsprungen sind, der einen großen Künstler beseelen kann -- stehen
die Aquarelle Hildebrandt's durchaus auf der höchsten Höhe, welche diese Kunst


bloßen Nachzeichnung der Originale mit Lupe und Mikroskop sind wirkliche Künstler
thätig gewesen. Jede Platte mußte in Form und Linie der Bilder aufs Haar
mit den Vorbildern übereinstimmen. Damit war aber erst der Umriß, der
wesenlose Schatten des Originals gewonnen. Die Hauptarbeit blieb erst noch
zu thun: Die Facsimilirung der meisterhaften Farbengebung Hildebrandt'scher
Aquarelle, das Abstimmen der Töne, die Vereinigung der höchsten Weichheit
in den Nuancen mit der entschiedensten Ausprägung des Charakteristischen in
Linie, Ton und Empfindung, im Totaleindruck wie im geringfügigsten De¬
tail. Um das zu erreichen, waren endlose Experimente nöthig, die von den
hochverdienten Leitern dieser Chromo-Facsimiles. den Herren Se ein kopf und
Loeillot und den von ihnen beschäftigten Künstlern und zugezogenen Sach¬
verständigen mit selner Empfindung unternommen und mit größter Pflicht¬
strenge zu einem gedeihlichen Ende geführt wurden. Selbst die todte Maschine
erhielt unter diesen verständigen Händen Leben. Noch in dem Stadium der
Arbeit, in dem ihr scheinbar allein den Rest zu thun oblag, wurde ihr bald
stärkerer, bald geringerer Druck gegeben, um in der Copie selbst die Ausschwen¬
kung des Pinsels, die weichen oder energischen Spuren des Tupfpinsels, die
kräftige oder leisere Führung des Waschschwamms, die das Original verrieth,
nachzuahmen.

Noch in frischer Erinnerung steht uns die Zeit, wo Hildebrandt's Aqua¬
relle zum ersten Male zur Kenntniß des Publikums gelangten, und alle
Kennerkreise der Hauptstadt in zwei feindliche Lager spalteten, die für und
gegen die Makart des Künstlers leidenschaftlich Partei nahmen. Es liegt uns
daher sehr fern, die Gegner der Hildebrandt'schen Malweise und Technik etwa
für. schlechthin unverständig oder die von der „Reise um die Erde" heimge¬
brachten Aquarellen für absolut tadellos, für das in der Wasserfarbenlandschafts¬
malerei in allen Beziehungen Unerreichte hinzustellen. Im Gegentheil: es soll
bereitwillig zugestanden werden, daß Hildebrandt auch Aufgaben hier zu lösen
suchte, an denen er gescheitert ist, weil das Aquarell nie ihnen gewachsen
sein kann; daß nur wenige dieser Blätter als ganz vollendete Staffeleibilder
gelten können, dagegen viele anderen seiner Aquarelle von der Reise um die
Erde, trotz aller vom Künstler darauf gewandten Mühe und Arbeit den
Eindruck des skizzenhaften und Flüchtigen machen, während z. B. die kleine,
jetzt in Privatbesitz befindliche Sammlung seiner auf einer früheren Reise
aufgenommenenen Aquarelle von Madeira eine Durcharbeitung und Vollen¬
dung aufweist, von der selbst Karl Werner's fleißigste Detailmalerei in
Schatten gestellt wird.

Aber trotz dieser Schwächen — die übrigens nur dem edelsten Schaffens¬
drang entsprungen sind, der einen großen Künstler beseelen kann — stehen
die Aquarelle Hildebrandt's durchaus auf der höchsten Höhe, welche diese Kunst


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[0427] bloßen Nachzeichnung der Originale mit Lupe und Mikroskop sind wirkliche Künstler thätig gewesen. Jede Platte mußte in Form und Linie der Bilder aufs Haar mit den Vorbildern übereinstimmen. Damit war aber erst der Umriß, der wesenlose Schatten des Originals gewonnen. Die Hauptarbeit blieb erst noch zu thun: Die Facsimilirung der meisterhaften Farbengebung Hildebrandt'scher Aquarelle, das Abstimmen der Töne, die Vereinigung der höchsten Weichheit in den Nuancen mit der entschiedensten Ausprägung des Charakteristischen in Linie, Ton und Empfindung, im Totaleindruck wie im geringfügigsten De¬ tail. Um das zu erreichen, waren endlose Experimente nöthig, die von den hochverdienten Leitern dieser Chromo-Facsimiles. den Herren Se ein kopf und Loeillot und den von ihnen beschäftigten Künstlern und zugezogenen Sach¬ verständigen mit selner Empfindung unternommen und mit größter Pflicht¬ strenge zu einem gedeihlichen Ende geführt wurden. Selbst die todte Maschine erhielt unter diesen verständigen Händen Leben. Noch in dem Stadium der Arbeit, in dem ihr scheinbar allein den Rest zu thun oblag, wurde ihr bald stärkerer, bald geringerer Druck gegeben, um in der Copie selbst die Ausschwen¬ kung des Pinsels, die weichen oder energischen Spuren des Tupfpinsels, die kräftige oder leisere Führung des Waschschwamms, die das Original verrieth, nachzuahmen. Noch in frischer Erinnerung steht uns die Zeit, wo Hildebrandt's Aqua¬ relle zum ersten Male zur Kenntniß des Publikums gelangten, und alle Kennerkreise der Hauptstadt in zwei feindliche Lager spalteten, die für und gegen die Makart des Künstlers leidenschaftlich Partei nahmen. Es liegt uns daher sehr fern, die Gegner der Hildebrandt'schen Malweise und Technik etwa für. schlechthin unverständig oder die von der „Reise um die Erde" heimge¬ brachten Aquarellen für absolut tadellos, für das in der Wasserfarbenlandschafts¬ malerei in allen Beziehungen Unerreichte hinzustellen. Im Gegentheil: es soll bereitwillig zugestanden werden, daß Hildebrandt auch Aufgaben hier zu lösen suchte, an denen er gescheitert ist, weil das Aquarell nie ihnen gewachsen sein kann; daß nur wenige dieser Blätter als ganz vollendete Staffeleibilder gelten können, dagegen viele anderen seiner Aquarelle von der Reise um die Erde, trotz aller vom Künstler darauf gewandten Mühe und Arbeit den Eindruck des skizzenhaften und Flüchtigen machen, während z. B. die kleine, jetzt in Privatbesitz befindliche Sammlung seiner auf einer früheren Reise aufgenommenenen Aquarelle von Madeira eine Durcharbeitung und Vollen¬ dung aufweist, von der selbst Karl Werner's fleißigste Detailmalerei in Schatten gestellt wird. Aber trotz dieser Schwächen — die übrigens nur dem edelsten Schaffens¬ drang entsprungen sind, der einen großen Künstler beseelen kann — stehen die Aquarelle Hildebrandt's durchaus auf der höchsten Höhe, welche diese Kunst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/427>, abgerufen am 27.07.2024.