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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Anschluß der Bonapartisten ihm eine freiere Stellung den lästigen und com-
promittirenden Zudringlichkeiten der Orleanisten gegenüber gab. Innerlich
stand er den Orleanisten doch zu fern, um nicht die Rolle, die sie ihm auf¬
nöthigen wollten, als eine Demüthigung zu empfinden und es mußte ihm
daher sehr willkommen sein, wenn orleamstischer Einfluß dem bonapartistischen
das Gegengewicht hielt. Und vor Allem: Mac Mahon bedürfte außer der
parlamentarischen Unterstützung, welche ihm die Orleanisten boten, auch eine
Stütze im Volke selbst, und diese fand er, wenn er sich nicht den Republi¬
kanern in die Arme werfen wollte, nur in den Bonapartisten, deren Behaup¬
tung, daß sie allein von allen conservativen Parteien im Stande seien, in
den Volkskreisen selbst dem Radikalismus Widerstand zu leisten, noch im Laufe
der Session durch einen Wahlerfolg, dem ersten seit langer Zeit, dem sich in¬
dessen bald weitere Triumphe anreihen sollten, eine Bestätigung fand.

Seit dem 2. Juli 1871 bis zum Ende des Jahres 1873 hatten im
Ganzen 138 Wahlen zur Nationalversammlung stattgefunden, von denen
nur 20 zu Gunsten der monarchischen Partei, 118 zu Gunsten der Republi¬
kaner ausgefallen waren. Besondere bonapartistische Candidaturen waren nur
ganz vereinzelt und schüchtern aufgetaucht; die Bonapartisten sahen sehr wohl
ein, daß ihre Zeit noch nicht gekommen war, und waren zu klug, um sich
durch Niederlagen zu compromittiren. Sie agitirten im Stillen mit glänzen¬
dem Erfolge in den Massen und warteten geduldig die Zeit ab, wo sie es
auf eine Kraftprobe ankommen lassen konnten. Besonders trostlos war an
diesen Wahlergebnissen für die Monarchisten der Umstand, daß sich in ihnen
ein stetiges Wachsen der republikanischen Strömung aussprach. Bei den
Wahlen vom 2. Juli 1872 hatten sie von 42 Abgeordneten noch 10 ihrer
Candidaten durchgesetzt, am 7. Januar von 17 noch 8, von da bis zum
11. Mai 1873 bei allen Ersatzwahlen überhaupt nur noch 3. Aus den Wah¬
len vom 12. Oetober, 16. November und 14. December 1873 waren 10 Re¬
publikaner und nicht ein einziger Monarchist hervorgegangen. Einen um so
größeren Eindruck machte es, als bei den Ersatzwahlen vom 8. Februar,
während im Departement Häute Saone der monarchistische Candidat dem
Radicalen Herisson unterlag, im Departement Pas de Calais der Bonapartist
Sens mit 70,997 gegen 67,474 Stimmen über seinen republikanischen Gegner
den Sieg davon trug. Für die Bedeutung dieses unerwarteten Erfolges sprach
der Aerger und die Niedergeschlagenheit der Orleanisten und Republikaner
noch mehr, als der Jubel der Sieger. Bei den nächsten Wahlen (am 1. März)
unterlag zwar ihr Candidat dem Republikaner Lepelit in Vienne, aber mit
verhältnißmäßig geringer Minorität. Als einen großen Erfolg konnten sie
es aber betrachten, daß die Legitimisten und die Regierung selbst sich ge¬
nöthigt gesehen hatten, eine offen bonapartistische Candidatur zu unterstützen,


Anschluß der Bonapartisten ihm eine freiere Stellung den lästigen und com-
promittirenden Zudringlichkeiten der Orleanisten gegenüber gab. Innerlich
stand er den Orleanisten doch zu fern, um nicht die Rolle, die sie ihm auf¬
nöthigen wollten, als eine Demüthigung zu empfinden und es mußte ihm
daher sehr willkommen sein, wenn orleamstischer Einfluß dem bonapartistischen
das Gegengewicht hielt. Und vor Allem: Mac Mahon bedürfte außer der
parlamentarischen Unterstützung, welche ihm die Orleanisten boten, auch eine
Stütze im Volke selbst, und diese fand er, wenn er sich nicht den Republi¬
kanern in die Arme werfen wollte, nur in den Bonapartisten, deren Behaup¬
tung, daß sie allein von allen conservativen Parteien im Stande seien, in
den Volkskreisen selbst dem Radikalismus Widerstand zu leisten, noch im Laufe
der Session durch einen Wahlerfolg, dem ersten seit langer Zeit, dem sich in¬
dessen bald weitere Triumphe anreihen sollten, eine Bestätigung fand.

Seit dem 2. Juli 1871 bis zum Ende des Jahres 1873 hatten im
Ganzen 138 Wahlen zur Nationalversammlung stattgefunden, von denen
nur 20 zu Gunsten der monarchischen Partei, 118 zu Gunsten der Republi¬
kaner ausgefallen waren. Besondere bonapartistische Candidaturen waren nur
ganz vereinzelt und schüchtern aufgetaucht; die Bonapartisten sahen sehr wohl
ein, daß ihre Zeit noch nicht gekommen war, und waren zu klug, um sich
durch Niederlagen zu compromittiren. Sie agitirten im Stillen mit glänzen¬
dem Erfolge in den Massen und warteten geduldig die Zeit ab, wo sie es
auf eine Kraftprobe ankommen lassen konnten. Besonders trostlos war an
diesen Wahlergebnissen für die Monarchisten der Umstand, daß sich in ihnen
ein stetiges Wachsen der republikanischen Strömung aussprach. Bei den
Wahlen vom 2. Juli 1872 hatten sie von 42 Abgeordneten noch 10 ihrer
Candidaten durchgesetzt, am 7. Januar von 17 noch 8, von da bis zum
11. Mai 1873 bei allen Ersatzwahlen überhaupt nur noch 3. Aus den Wah¬
len vom 12. Oetober, 16. November und 14. December 1873 waren 10 Re¬
publikaner und nicht ein einziger Monarchist hervorgegangen. Einen um so
größeren Eindruck machte es, als bei den Ersatzwahlen vom 8. Februar,
während im Departement Häute Saone der monarchistische Candidat dem
Radicalen Herisson unterlag, im Departement Pas de Calais der Bonapartist
Sens mit 70,997 gegen 67,474 Stimmen über seinen republikanischen Gegner
den Sieg davon trug. Für die Bedeutung dieses unerwarteten Erfolges sprach
der Aerger und die Niedergeschlagenheit der Orleanisten und Republikaner
noch mehr, als der Jubel der Sieger. Bei den nächsten Wahlen (am 1. März)
unterlag zwar ihr Candidat dem Republikaner Lepelit in Vienne, aber mit
verhältnißmäßig geringer Minorität. Als einen großen Erfolg konnten sie
es aber betrachten, daß die Legitimisten und die Regierung selbst sich ge¬
nöthigt gesehen hatten, eine offen bonapartistische Candidatur zu unterstützen,


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[0416] Anschluß der Bonapartisten ihm eine freiere Stellung den lästigen und com- promittirenden Zudringlichkeiten der Orleanisten gegenüber gab. Innerlich stand er den Orleanisten doch zu fern, um nicht die Rolle, die sie ihm auf¬ nöthigen wollten, als eine Demüthigung zu empfinden und es mußte ihm daher sehr willkommen sein, wenn orleamstischer Einfluß dem bonapartistischen das Gegengewicht hielt. Und vor Allem: Mac Mahon bedürfte außer der parlamentarischen Unterstützung, welche ihm die Orleanisten boten, auch eine Stütze im Volke selbst, und diese fand er, wenn er sich nicht den Republi¬ kanern in die Arme werfen wollte, nur in den Bonapartisten, deren Behaup¬ tung, daß sie allein von allen conservativen Parteien im Stande seien, in den Volkskreisen selbst dem Radikalismus Widerstand zu leisten, noch im Laufe der Session durch einen Wahlerfolg, dem ersten seit langer Zeit, dem sich in¬ dessen bald weitere Triumphe anreihen sollten, eine Bestätigung fand. Seit dem 2. Juli 1871 bis zum Ende des Jahres 1873 hatten im Ganzen 138 Wahlen zur Nationalversammlung stattgefunden, von denen nur 20 zu Gunsten der monarchischen Partei, 118 zu Gunsten der Republi¬ kaner ausgefallen waren. Besondere bonapartistische Candidaturen waren nur ganz vereinzelt und schüchtern aufgetaucht; die Bonapartisten sahen sehr wohl ein, daß ihre Zeit noch nicht gekommen war, und waren zu klug, um sich durch Niederlagen zu compromittiren. Sie agitirten im Stillen mit glänzen¬ dem Erfolge in den Massen und warteten geduldig die Zeit ab, wo sie es auf eine Kraftprobe ankommen lassen konnten. Besonders trostlos war an diesen Wahlergebnissen für die Monarchisten der Umstand, daß sich in ihnen ein stetiges Wachsen der republikanischen Strömung aussprach. Bei den Wahlen vom 2. Juli 1872 hatten sie von 42 Abgeordneten noch 10 ihrer Candidaten durchgesetzt, am 7. Januar von 17 noch 8, von da bis zum 11. Mai 1873 bei allen Ersatzwahlen überhaupt nur noch 3. Aus den Wah¬ len vom 12. Oetober, 16. November und 14. December 1873 waren 10 Re¬ publikaner und nicht ein einziger Monarchist hervorgegangen. Einen um so größeren Eindruck machte es, als bei den Ersatzwahlen vom 8. Februar, während im Departement Häute Saone der monarchistische Candidat dem Radicalen Herisson unterlag, im Departement Pas de Calais der Bonapartist Sens mit 70,997 gegen 67,474 Stimmen über seinen republikanischen Gegner den Sieg davon trug. Für die Bedeutung dieses unerwarteten Erfolges sprach der Aerger und die Niedergeschlagenheit der Orleanisten und Republikaner noch mehr, als der Jubel der Sieger. Bei den nächsten Wahlen (am 1. März) unterlag zwar ihr Candidat dem Republikaner Lepelit in Vienne, aber mit verhältnißmäßig geringer Minorität. Als einen großen Erfolg konnten sie es aber betrachten, daß die Legitimisten und die Regierung selbst sich ge¬ nöthigt gesehen hatten, eine offen bonapartistische Candidatur zu unterstützen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/416>, abgerufen am 27.07.2024.