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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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zum großen Verdruß der Orleanisten, die immer mehr den Muth verloren,
bei den Wahlen ihre Farben zu bekennen. An demselben Tage wurde in
Vaucluse Ledru-Rollin gewählt, ein Ereigniß, welches von den Conservativen
und vor Allem von den Bonapartisten ganz in der Art ausgebeutet wurde,
wie im Mai des vorigen Jahres die Wahl Baradot's.

Zu einer großartigen imperialistischen Demonstration gestaltete sich die
Volljährigkeitsfeier des jungen Prinzen in Chislehurst. Dem Eindruck der¬
selben thaten die Maßregeln, welche die Regierung ergriff, um alle Beamte
von der Huldigungsreise zurückzuhalten, durchaus keinen Abbruch, eben so
wenig, wie der offene Bruch des Prinzen Napoleon mit dem Chislehurster
Hofe: der Prinz war bei allen Parteien zu sehr in Mißcredit gerathen, als
daß der kaiserlichen Partei aus seinem Abfall irgend ein Nachtheil hätte er¬
wachsen können.

Mit ungetheilter Befriedigung konnte Mac Mahon am Schluß der
Session auf den ersten Abschnitt seines Septennats keineswegs zurückblicken.
Seine Beziehungen zu den Legitimisten waren entschieden feindselig. Mit dem
Clerus stand die Regierung auf sehr gespanntem Fuße, seit sie sich, um Recla-
mationen von Seiten der auswärtigen Diplomatie vorzubeugen, genöthigt ge¬
sehen hatte, einigen Bischöfen, welche sich in ihren Hirtenbriefen die unsin¬
nigsten Ausfälle gegen Deutschland und Italien erlaubt und dadurch der zu¬
rückhaltender und vorsichtigen Politik des Herzogs von Decazes die größten
Hindernisse in den Weg gelegt hatten, zu einer besonnenen Haltung zu mahnen,
und das Hauptorgan der Ultramontanen, den "Univers", auf zwei Monate
zu suspendiren. Die Orleanisten waren eigennützige, und, soweit es sich darum
handelte, dem Septennat im Lande Anhänger zu werben, viel mehr schädliche
als nützliche Bundesgenossen. Die Republikaner waren wohl bereit, sich Mac
Mahon anzuschließen, aber um einen Preis den dieser zu zahlen weder Willens
noch im Stande war. Auch die Bonapartisten stellten Bedingungen, die Mac
Mahon wenigstens nicht ausdrücklich annehmen konnte. Der erste Versuch,
die gesammte Majorität zu einer Septennatspartei zu verschmelzen, war als
völlig mißlungen zu betrachten. Allerdings war die Regierung entschlossen,
sich dadurch von weitern Versuchen nicht abschrecken zu lassen; aber die Aus¬
sichten auf Erfolg waren äußerst gering.

Die eine Thatsache stand jedoch fest, daß, wie unsicher auch Mac Mahon's
Parlamentarische Stellung war, er doch die wirkliche Macht in Händen hatte,
und daß in demselben Maße, wie dies Allen offenbar wurde, die Macht der
Nationalversammlung abnahm. Hier liegen offenbar die Keime eines künftigen
Confliktes. Mit Sorge sah man daher von allen Seiten der nächsten Session
entgegen. Positive Ergebnisse erwartete Niemand von derselben: man war


zum großen Verdruß der Orleanisten, die immer mehr den Muth verloren,
bei den Wahlen ihre Farben zu bekennen. An demselben Tage wurde in
Vaucluse Ledru-Rollin gewählt, ein Ereigniß, welches von den Conservativen
und vor Allem von den Bonapartisten ganz in der Art ausgebeutet wurde,
wie im Mai des vorigen Jahres die Wahl Baradot's.

Zu einer großartigen imperialistischen Demonstration gestaltete sich die
Volljährigkeitsfeier des jungen Prinzen in Chislehurst. Dem Eindruck der¬
selben thaten die Maßregeln, welche die Regierung ergriff, um alle Beamte
von der Huldigungsreise zurückzuhalten, durchaus keinen Abbruch, eben so
wenig, wie der offene Bruch des Prinzen Napoleon mit dem Chislehurster
Hofe: der Prinz war bei allen Parteien zu sehr in Mißcredit gerathen, als
daß der kaiserlichen Partei aus seinem Abfall irgend ein Nachtheil hätte er¬
wachsen können.

Mit ungetheilter Befriedigung konnte Mac Mahon am Schluß der
Session auf den ersten Abschnitt seines Septennats keineswegs zurückblicken.
Seine Beziehungen zu den Legitimisten waren entschieden feindselig. Mit dem
Clerus stand die Regierung auf sehr gespanntem Fuße, seit sie sich, um Recla-
mationen von Seiten der auswärtigen Diplomatie vorzubeugen, genöthigt ge¬
sehen hatte, einigen Bischöfen, welche sich in ihren Hirtenbriefen die unsin¬
nigsten Ausfälle gegen Deutschland und Italien erlaubt und dadurch der zu¬
rückhaltender und vorsichtigen Politik des Herzogs von Decazes die größten
Hindernisse in den Weg gelegt hatten, zu einer besonnenen Haltung zu mahnen,
und das Hauptorgan der Ultramontanen, den „Univers", auf zwei Monate
zu suspendiren. Die Orleanisten waren eigennützige, und, soweit es sich darum
handelte, dem Septennat im Lande Anhänger zu werben, viel mehr schädliche
als nützliche Bundesgenossen. Die Republikaner waren wohl bereit, sich Mac
Mahon anzuschließen, aber um einen Preis den dieser zu zahlen weder Willens
noch im Stande war. Auch die Bonapartisten stellten Bedingungen, die Mac
Mahon wenigstens nicht ausdrücklich annehmen konnte. Der erste Versuch,
die gesammte Majorität zu einer Septennatspartei zu verschmelzen, war als
völlig mißlungen zu betrachten. Allerdings war die Regierung entschlossen,
sich dadurch von weitern Versuchen nicht abschrecken zu lassen; aber die Aus¬
sichten auf Erfolg waren äußerst gering.

Die eine Thatsache stand jedoch fest, daß, wie unsicher auch Mac Mahon's
Parlamentarische Stellung war, er doch die wirkliche Macht in Händen hatte,
und daß in demselben Maße, wie dies Allen offenbar wurde, die Macht der
Nationalversammlung abnahm. Hier liegen offenbar die Keime eines künftigen
Confliktes. Mit Sorge sah man daher von allen Seiten der nächsten Session
entgegen. Positive Ergebnisse erwartete Niemand von derselben: man war


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[0417] zum großen Verdruß der Orleanisten, die immer mehr den Muth verloren, bei den Wahlen ihre Farben zu bekennen. An demselben Tage wurde in Vaucluse Ledru-Rollin gewählt, ein Ereigniß, welches von den Conservativen und vor Allem von den Bonapartisten ganz in der Art ausgebeutet wurde, wie im Mai des vorigen Jahres die Wahl Baradot's. Zu einer großartigen imperialistischen Demonstration gestaltete sich die Volljährigkeitsfeier des jungen Prinzen in Chislehurst. Dem Eindruck der¬ selben thaten die Maßregeln, welche die Regierung ergriff, um alle Beamte von der Huldigungsreise zurückzuhalten, durchaus keinen Abbruch, eben so wenig, wie der offene Bruch des Prinzen Napoleon mit dem Chislehurster Hofe: der Prinz war bei allen Parteien zu sehr in Mißcredit gerathen, als daß der kaiserlichen Partei aus seinem Abfall irgend ein Nachtheil hätte er¬ wachsen können. Mit ungetheilter Befriedigung konnte Mac Mahon am Schluß der Session auf den ersten Abschnitt seines Septennats keineswegs zurückblicken. Seine Beziehungen zu den Legitimisten waren entschieden feindselig. Mit dem Clerus stand die Regierung auf sehr gespanntem Fuße, seit sie sich, um Recla- mationen von Seiten der auswärtigen Diplomatie vorzubeugen, genöthigt ge¬ sehen hatte, einigen Bischöfen, welche sich in ihren Hirtenbriefen die unsin¬ nigsten Ausfälle gegen Deutschland und Italien erlaubt und dadurch der zu¬ rückhaltender und vorsichtigen Politik des Herzogs von Decazes die größten Hindernisse in den Weg gelegt hatten, zu einer besonnenen Haltung zu mahnen, und das Hauptorgan der Ultramontanen, den „Univers", auf zwei Monate zu suspendiren. Die Orleanisten waren eigennützige, und, soweit es sich darum handelte, dem Septennat im Lande Anhänger zu werben, viel mehr schädliche als nützliche Bundesgenossen. Die Republikaner waren wohl bereit, sich Mac Mahon anzuschließen, aber um einen Preis den dieser zu zahlen weder Willens noch im Stande war. Auch die Bonapartisten stellten Bedingungen, die Mac Mahon wenigstens nicht ausdrücklich annehmen konnte. Der erste Versuch, die gesammte Majorität zu einer Septennatspartei zu verschmelzen, war als völlig mißlungen zu betrachten. Allerdings war die Regierung entschlossen, sich dadurch von weitern Versuchen nicht abschrecken zu lassen; aber die Aus¬ sichten auf Erfolg waren äußerst gering. Die eine Thatsache stand jedoch fest, daß, wie unsicher auch Mac Mahon's Parlamentarische Stellung war, er doch die wirkliche Macht in Händen hatte, und daß in demselben Maße, wie dies Allen offenbar wurde, die Macht der Nationalversammlung abnahm. Hier liegen offenbar die Keime eines künftigen Confliktes. Mit Sorge sah man daher von allen Seiten der nächsten Session entgegen. Positive Ergebnisse erwartete Niemand von derselben: man war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/417>, abgerufen am 28.12.2024.