Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.unangenehmere Theil einer längeren Reise ist, das mehrstündige Eisenbahn- Alfred Blum. Briefe aus der Kaiserstadt. Diesmal also den Lindau'schen "Erfolg"! Wie gesagt, das Stück hat Einer strengen Prüfung freilich hält das Stück keinen Augenblick Stand. unangenehmere Theil einer längeren Reise ist, das mehrstündige Eisenbahn- Alfred Blum. Briefe aus der Kaiserstadt. Diesmal also den Lindau'schen „Erfolg"! Wie gesagt, das Stück hat Einer strengen Prüfung freilich hält das Stück keinen Augenblick Stand. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132609"/> <p xml:id="ID_1137" prev="#ID_1136"> unangenehmere Theil einer längeren Reise ist, das mehrstündige Eisenbahn-<lb/> fahren, oder das doch nur kurze DroWenfahren. Bei kurzen Reisen von<lb/> nur 3—4 stündiger Dauer ist sicherlich das letztere der Fall. So bin ich aus<lb/> die Eisenbahn und ihre Verbindungen mit den Straßen gekommen und über<lb/> diesen Theil des Londoner Verkehrs gedenke ich ein ander Mal zu berichten.</p><lb/> <note type="byline"> Alfred Blum.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Briefe aus der Kaiserstadt.</head><lb/> <p xml:id="ID_1138"> Diesmal also den Lindau'schen „Erfolg"! Wie gesagt, das Stück hat<lb/> in der Presse großen Lärm gemacht, vorher viel Reclame, nachher viel Ent¬<lb/> rüstung — Beides unverdienterweise. Es ist, rein objectiv beurtheilt, eins<lb/> der harmlosesten Lustspiele von der Welt. Gegenüber der mehr als zweifel¬<lb/> haften Atmosphäre, die in desselben Verfassers „Diana" herrscht, oder viel¬<lb/> mehr herrschte — denn sie gehört längst zu den Todten —, ist hier eine<lb/> erfreuliche Wendung zum Bessern zu constatiren. An vielen Stellen wird man<lb/> lebhaft an Benedix erinnert. Freilich ist auch der „Erfolg" noch weit davon<lb/> entfernt, Dasjenige zu sein, als was ihn der Dichter selbst bezeichnet: ein<lb/> Stück wahren Lebens. Die meisten der hier angeführten Situationen sind<lb/> in der Gesellschaftssphäre, in welche sie Lindau verlegt, mehr oder weniger<lb/> unmöglich. Immerhin ist die UnWahrscheinlichkeit nicht so auffallend, um<lb/> den Eindruck des Ganzen zu stören und so kann es bei den höchst bescheidenen<lb/> Anforderungen, welche das Publikum an die heutige Lustspieldichtung stellt,<lb/> nicht Wunder nehmen, wenn der Erfolg wirklich „Erfolg" gehabt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1139" next="#ID_1140"> Einer strengen Prüfung freilich hält das Stück keinen Augenblick Stand.<lb/> Die Fabel ist sehr dürftig, die Handlung im Ganzen ziemlich eintönig. Ein<lb/> Journalist, Fritz Marlow, hat ein Lustspiel, betitelt „Ein Erfolg", geschrieben;<lb/> es soll demnächst zur Aufführung gelangen. Zu gleicher Zeit wird Marlow<lb/> von seinem Freunde Klaus zum Heirathen gedrängt. Der letztere hat seine<lb/> Cousine Eva für ihn in petto. Klaus „besieht" sich dieselbe; sie macht Eindruck<lb/> auf ihn. Er verräth seinen Freunden, daß er ein Mittel habe, dem kein junges<lb/> Mädchen widerstehen könne: erst sage er der zu Gewinnenden: „Sie sind ein<lb/> ganz eigenthümliches kleines Mädchen"; dann schenke er ihr eine Rose; schlie߬<lb/> lich declamire er das Eichendorf'sche Gedicht: „Die Welt ruht still im Hafen."<lb/> Ein Intrigant, Baron Fabro, hinterbringt diese Frivolität der kleinen Eva;</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0387]
unangenehmere Theil einer längeren Reise ist, das mehrstündige Eisenbahn-
fahren, oder das doch nur kurze DroWenfahren. Bei kurzen Reisen von
nur 3—4 stündiger Dauer ist sicherlich das letztere der Fall. So bin ich aus
die Eisenbahn und ihre Verbindungen mit den Straßen gekommen und über
diesen Theil des Londoner Verkehrs gedenke ich ein ander Mal zu berichten.
Alfred Blum.
Briefe aus der Kaiserstadt.
Diesmal also den Lindau'schen „Erfolg"! Wie gesagt, das Stück hat
in der Presse großen Lärm gemacht, vorher viel Reclame, nachher viel Ent¬
rüstung — Beides unverdienterweise. Es ist, rein objectiv beurtheilt, eins
der harmlosesten Lustspiele von der Welt. Gegenüber der mehr als zweifel¬
haften Atmosphäre, die in desselben Verfassers „Diana" herrscht, oder viel¬
mehr herrschte — denn sie gehört längst zu den Todten —, ist hier eine
erfreuliche Wendung zum Bessern zu constatiren. An vielen Stellen wird man
lebhaft an Benedix erinnert. Freilich ist auch der „Erfolg" noch weit davon
entfernt, Dasjenige zu sein, als was ihn der Dichter selbst bezeichnet: ein
Stück wahren Lebens. Die meisten der hier angeführten Situationen sind
in der Gesellschaftssphäre, in welche sie Lindau verlegt, mehr oder weniger
unmöglich. Immerhin ist die UnWahrscheinlichkeit nicht so auffallend, um
den Eindruck des Ganzen zu stören und so kann es bei den höchst bescheidenen
Anforderungen, welche das Publikum an die heutige Lustspieldichtung stellt,
nicht Wunder nehmen, wenn der Erfolg wirklich „Erfolg" gehabt hat.
Einer strengen Prüfung freilich hält das Stück keinen Augenblick Stand.
Die Fabel ist sehr dürftig, die Handlung im Ganzen ziemlich eintönig. Ein
Journalist, Fritz Marlow, hat ein Lustspiel, betitelt „Ein Erfolg", geschrieben;
es soll demnächst zur Aufführung gelangen. Zu gleicher Zeit wird Marlow
von seinem Freunde Klaus zum Heirathen gedrängt. Der letztere hat seine
Cousine Eva für ihn in petto. Klaus „besieht" sich dieselbe; sie macht Eindruck
auf ihn. Er verräth seinen Freunden, daß er ein Mittel habe, dem kein junges
Mädchen widerstehen könne: erst sage er der zu Gewinnenden: „Sie sind ein
ganz eigenthümliches kleines Mädchen"; dann schenke er ihr eine Rose; schlie߬
lich declamire er das Eichendorf'sche Gedicht: „Die Welt ruht still im Hafen."
Ein Intrigant, Baron Fabro, hinterbringt diese Frivolität der kleinen Eva;
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