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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Bau begriffene Canalisation auch hierin eine Wendung zum Bessern eintreten,
indem bei Beseitigung der Rinnsteine die Straße wirklich in ihrer ganzen
Breite als solche hergestellt wird.

Freilich kosten derartige Anlagen, wie überhaupt Straßenpflaster, welches
nach Londoner Begriffen gut sein soll, sehr viel Geld und wir können uns
leider in dieser Hinsicht mit London noch lange nicht messen. Aber immerhin
könnte in dieser Hinsicht in Berlin, sowie andern deutschen Städten bedeutend
mehr geschehen, als es der Fall ist, denn die Städte haben doch von der so
außerordentlichen Zunahme von Handel, Industrie und Einwohnerzahl, wenn
dieselben auch manche Unannehmlichkeit im Gefolge haben mögen, ihre
immensen Vortheile und es ist daher nur recht und billig, wenn der Verkehr
von ihnen Gegenleistungen verlangt.

Ebenso traurig, wie mit den Straßen ist es in unsern deutschen Gro߬
städten auch mit den sich auf denselben bewegenden öffentlichen Fuhrwerken
bestellt, wenn man sie mit den hiesigen Caps, Handsomes und wie hier die
Droschken sonst noch heißen mögen, vergleicht. Man findet hier durchweg
gute Wagen, gute Pferde und freundliche Kutscher und diese 3 vorzüglichen
Dinge sind allen deutschen Städten aufs dringendste zur Nachahmung zu
empfehlen. Wenn die Droschkenbesitzer für die Preise, die jetzt in Deutschland
üblich sind, nichts Besseres liefern können, so mögen sie mehr fordern, jeden¬
falls aber müßten im Interesse des Publikums größere Schnelligkeit und
bequemere Wagen gefordert werden. Wer billig fahren will, kann sich des
Omnibus bedienen, wer schnell fahren will, kann dafür bezahlen, muß aber
dann auch die Garantie haben, daß er wirklich gut bedient wird und diese
Garantie hat man in Deutschland beinahe in keiner größeren Stadt. Wer
dazu verdammt ist, von einer Berliner Droschke II. Classe, oder z. B. auch
einer Leipziger Droschke auf schlechtem Pflaster Gebrauch machen zu müssen
und, wenn er nicht sehr frühzeitig aufbricht, dazu noch zu spät auf den
Bahnhof kommt, auf der andern Seite aber wieder Gelegenheit hat, Londoner
Droschken zu benutzen, der wird den ganzen wohlthätigen Gegensatz tief
empfinden. Es ist eigenthümlich, daß in Deutschland, wo z. B. für die
Bequemlichkeit des Publikums auf den Eisenbahnen so bedeutend mehr ge¬
schieht wie in England und das Publikum über englische Waggons ein ent¬
setzliches Geschrei erheben würde, der Sinn für schnelle und ^bequeme Fahrt
von der Wohnung nach dem Bahnhofe beinahe gänzlich fehlt. In London
sucht ein Jeder, der zur Bahn muß, den Weg dahin in möglichst kurzer Zeit
zurückzulegen; es kommt im Vergleich zum Billetpreis der Preis der Droschke
auch kaum in Betracht, besonders nicht in Deutschland bei unsern wetten
Entfernungen, und trotzdem haben wir gerade in Deutschland so über alle
Maaßen schlechte Straßensuhrwerke, daß man wirklich nicht weiß, was der


Bau begriffene Canalisation auch hierin eine Wendung zum Bessern eintreten,
indem bei Beseitigung der Rinnsteine die Straße wirklich in ihrer ganzen
Breite als solche hergestellt wird.

Freilich kosten derartige Anlagen, wie überhaupt Straßenpflaster, welches
nach Londoner Begriffen gut sein soll, sehr viel Geld und wir können uns
leider in dieser Hinsicht mit London noch lange nicht messen. Aber immerhin
könnte in dieser Hinsicht in Berlin, sowie andern deutschen Städten bedeutend
mehr geschehen, als es der Fall ist, denn die Städte haben doch von der so
außerordentlichen Zunahme von Handel, Industrie und Einwohnerzahl, wenn
dieselben auch manche Unannehmlichkeit im Gefolge haben mögen, ihre
immensen Vortheile und es ist daher nur recht und billig, wenn der Verkehr
von ihnen Gegenleistungen verlangt.

Ebenso traurig, wie mit den Straßen ist es in unsern deutschen Gro߬
städten auch mit den sich auf denselben bewegenden öffentlichen Fuhrwerken
bestellt, wenn man sie mit den hiesigen Caps, Handsomes und wie hier die
Droschken sonst noch heißen mögen, vergleicht. Man findet hier durchweg
gute Wagen, gute Pferde und freundliche Kutscher und diese 3 vorzüglichen
Dinge sind allen deutschen Städten aufs dringendste zur Nachahmung zu
empfehlen. Wenn die Droschkenbesitzer für die Preise, die jetzt in Deutschland
üblich sind, nichts Besseres liefern können, so mögen sie mehr fordern, jeden¬
falls aber müßten im Interesse des Publikums größere Schnelligkeit und
bequemere Wagen gefordert werden. Wer billig fahren will, kann sich des
Omnibus bedienen, wer schnell fahren will, kann dafür bezahlen, muß aber
dann auch die Garantie haben, daß er wirklich gut bedient wird und diese
Garantie hat man in Deutschland beinahe in keiner größeren Stadt. Wer
dazu verdammt ist, von einer Berliner Droschke II. Classe, oder z. B. auch
einer Leipziger Droschke auf schlechtem Pflaster Gebrauch machen zu müssen
und, wenn er nicht sehr frühzeitig aufbricht, dazu noch zu spät auf den
Bahnhof kommt, auf der andern Seite aber wieder Gelegenheit hat, Londoner
Droschken zu benutzen, der wird den ganzen wohlthätigen Gegensatz tief
empfinden. Es ist eigenthümlich, daß in Deutschland, wo z. B. für die
Bequemlichkeit des Publikums auf den Eisenbahnen so bedeutend mehr ge¬
schieht wie in England und das Publikum über englische Waggons ein ent¬
setzliches Geschrei erheben würde, der Sinn für schnelle und ^bequeme Fahrt
von der Wohnung nach dem Bahnhofe beinahe gänzlich fehlt. In London
sucht ein Jeder, der zur Bahn muß, den Weg dahin in möglichst kurzer Zeit
zurückzulegen; es kommt im Vergleich zum Billetpreis der Preis der Droschke
auch kaum in Betracht, besonders nicht in Deutschland bei unsern wetten
Entfernungen, und trotzdem haben wir gerade in Deutschland so über alle
Maaßen schlechte Straßensuhrwerke, daß man wirklich nicht weiß, was der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/386>, abgerufen am 28.12.2024.