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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Broglie das verabredete Vertrauensvotum ertheilt, der Beschluß am 8. zurück¬
genommen und am 20. erfolgte die Annahme des Mairesgesetzes.

Das war ein glänzender Erfolg für Broglie und das Septennat, aber
eine furchtbare Niederlage für die Nationalversammlung. Eine wirkliche Stütze
konnte die Regierung nicht länger in ihr suchen, aber sie gewann zugleich die
Ueberzeugung, daß sie dieselbe nicht zu fürchten brauche. Von diesem Augen¬
blicke konnte Mac Mahon einem Conflikt mit einer gewissen Zuversicht ent¬
gegensehn: er hatte den thatsächlichen Beweis geliefert, daß er stärker sei, als
die Nationalversammlung: das Votum vom 12. Januar wurde allgemein als
eine Etappe auf dem Wege zur Militärdietatur angesehn.


Georg Zelle.


Zu Mberland Uevada.
Nach Mark Twain.*)

Mark Twain's Reise von Se. Louis nach dem Silberlaut Nevada fällt
ungefähr in das Jahr 1837 oder 1838. Es gab damals noch keine Eisen¬
bahn nach dem Stillen Meere. Der Weg von Se. Louis nach Se. Joseph
Wußte an Bord eines Raddampfers den Misfourifluß aufwärts gemacht
werden und erforderte sechs Tage." Von Se. Joseph bis Carson City ging's
Wit der Ueberlandpost fahrplanmäßig in neunzehn bis zwanzig Tagen; doch
Wurde die Reise auch häufig in fünfzehn bis sechszehn gemacht. Mark Twain
^gleitete auf dieser Reise seinen älteren Bruder als Privatsecretair. Der
Bruder war zum Seeretair der Vereinigten Staaten im Territorium Nevada
^Raume worden. Mark Twain war damals -- wie aus Andeutungen in
späteren Kapiteln zu schließen ist -- noch sehr jugendlich, kaum confirmirt,
^le wir bei uns sagen würden. Um so erstaunlicher ist die wunderbar scharfe
"ud richtige Beobachtungsgabe, die außerordentliche Anlage für die Wahr¬
nehmung der heitern Seite der Dinge und Ereignisse, welche ihm damals
schon eigen war. Denn wenn auch die Niederschrift und Ausarbeitung dieser
Reiseerlebnisse nach seinen eigenen Angaben erst zehn bis zwölf Jahre später
folgte, so konnte Twain überall da, wo er nicht eingestandener Maßen
^antafirt und übertreibt -- und das ist die seltene Ausnahme --, sondern
^er wirkliche Dinge schildert, diese früher in seiner Seele aufgenommenen



^ ') Vergl. Grenzboten IV. 1874. S. 306. Amerikanische Humoristen, 2. Band. F. W.
^Unow 1874.

Broglie das verabredete Vertrauensvotum ertheilt, der Beschluß am 8. zurück¬
genommen und am 20. erfolgte die Annahme des Mairesgesetzes.

Das war ein glänzender Erfolg für Broglie und das Septennat, aber
eine furchtbare Niederlage für die Nationalversammlung. Eine wirkliche Stütze
konnte die Regierung nicht länger in ihr suchen, aber sie gewann zugleich die
Ueberzeugung, daß sie dieselbe nicht zu fürchten brauche. Von diesem Augen¬
blicke konnte Mac Mahon einem Conflikt mit einer gewissen Zuversicht ent¬
gegensehn: er hatte den thatsächlichen Beweis geliefert, daß er stärker sei, als
die Nationalversammlung: das Votum vom 12. Januar wurde allgemein als
eine Etappe auf dem Wege zur Militärdietatur angesehn.


Georg Zelle.


Zu Mberland Uevada.
Nach Mark Twain.*)

Mark Twain's Reise von Se. Louis nach dem Silberlaut Nevada fällt
ungefähr in das Jahr 1837 oder 1838. Es gab damals noch keine Eisen¬
bahn nach dem Stillen Meere. Der Weg von Se. Louis nach Se. Joseph
Wußte an Bord eines Raddampfers den Misfourifluß aufwärts gemacht
werden und erforderte sechs Tage.« Von Se. Joseph bis Carson City ging's
Wit der Ueberlandpost fahrplanmäßig in neunzehn bis zwanzig Tagen; doch
Wurde die Reise auch häufig in fünfzehn bis sechszehn gemacht. Mark Twain
^gleitete auf dieser Reise seinen älteren Bruder als Privatsecretair. Der
Bruder war zum Seeretair der Vereinigten Staaten im Territorium Nevada
^Raume worden. Mark Twain war damals — wie aus Andeutungen in
späteren Kapiteln zu schließen ist — noch sehr jugendlich, kaum confirmirt,
^le wir bei uns sagen würden. Um so erstaunlicher ist die wunderbar scharfe
"ud richtige Beobachtungsgabe, die außerordentliche Anlage für die Wahr¬
nehmung der heitern Seite der Dinge und Ereignisse, welche ihm damals
schon eigen war. Denn wenn auch die Niederschrift und Ausarbeitung dieser
Reiseerlebnisse nach seinen eigenen Angaben erst zehn bis zwölf Jahre später
folgte, so konnte Twain überall da, wo er nicht eingestandener Maßen
^antafirt und übertreibt — und das ist die seltene Ausnahme —, sondern
^er wirkliche Dinge schildert, diese früher in seiner Seele aufgenommenen



^ ') Vergl. Grenzboten IV. 1874. S. 306. Amerikanische Humoristen, 2. Band. F. W.
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[0337] Broglie das verabredete Vertrauensvotum ertheilt, der Beschluß am 8. zurück¬ genommen und am 20. erfolgte die Annahme des Mairesgesetzes. Das war ein glänzender Erfolg für Broglie und das Septennat, aber eine furchtbare Niederlage für die Nationalversammlung. Eine wirkliche Stütze konnte die Regierung nicht länger in ihr suchen, aber sie gewann zugleich die Ueberzeugung, daß sie dieselbe nicht zu fürchten brauche. Von diesem Augen¬ blicke konnte Mac Mahon einem Conflikt mit einer gewissen Zuversicht ent¬ gegensehn: er hatte den thatsächlichen Beweis geliefert, daß er stärker sei, als die Nationalversammlung: das Votum vom 12. Januar wurde allgemein als eine Etappe auf dem Wege zur Militärdietatur angesehn. Georg Zelle. Zu Mberland Uevada. Nach Mark Twain.*) Mark Twain's Reise von Se. Louis nach dem Silberlaut Nevada fällt ungefähr in das Jahr 1837 oder 1838. Es gab damals noch keine Eisen¬ bahn nach dem Stillen Meere. Der Weg von Se. Louis nach Se. Joseph Wußte an Bord eines Raddampfers den Misfourifluß aufwärts gemacht werden und erforderte sechs Tage.« Von Se. Joseph bis Carson City ging's Wit der Ueberlandpost fahrplanmäßig in neunzehn bis zwanzig Tagen; doch Wurde die Reise auch häufig in fünfzehn bis sechszehn gemacht. Mark Twain ^gleitete auf dieser Reise seinen älteren Bruder als Privatsecretair. Der Bruder war zum Seeretair der Vereinigten Staaten im Territorium Nevada ^Raume worden. Mark Twain war damals — wie aus Andeutungen in späteren Kapiteln zu schließen ist — noch sehr jugendlich, kaum confirmirt, ^le wir bei uns sagen würden. Um so erstaunlicher ist die wunderbar scharfe "ud richtige Beobachtungsgabe, die außerordentliche Anlage für die Wahr¬ nehmung der heitern Seite der Dinge und Ereignisse, welche ihm damals schon eigen war. Denn wenn auch die Niederschrift und Ausarbeitung dieser Reiseerlebnisse nach seinen eigenen Angaben erst zehn bis zwölf Jahre später folgte, so konnte Twain überall da, wo er nicht eingestandener Maßen ^antafirt und übertreibt — und das ist die seltene Ausnahme —, sondern ^er wirkliche Dinge schildert, diese früher in seiner Seele aufgenommenen ^ ') Vergl. Grenzboten IV. 1874. S. 306. Amerikanische Humoristen, 2. Band. F. W. ^Unow 1874.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/337>, abgerufen am 27.07.2024.