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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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treffenden Thatsachen und Vorfälle feststellen und untersuchen zu lassen, um
den Prinzen dann des Rechtes der Nachfolge für verlustig zu erraren. Es
kam nicht dazu; ein Spruch wurde nicht erlassen. Carlos erlag seinem na¬
türlichen Schicksal. Er erkrankte im Gefängniß und starb, wie man sagte,
am 24. Juli 1568.

Ueber die Art seines Todes wurden Muthmaßungen und Gerüchte sofort
in Umlauf gesetzt. Zwischen ihnen eine Entscheidung zu treffen, wird ein
gewissenhafter. Historiker, wie ich früher schon ausgeführt habe, Bedenken
haben müssen: wir wissen von dem Prinzen seit dem 18. Januar 1568 ab¬
solut gar nichts mehr als das, was uns die offiziellen Vertreter der Regie¬
rung erzählen; es fehlt geradezu an der Möglichkeit ihre Angaben zu con-
troliren. Allerdings nimmt Schmidt von dieser, auch von ihm erkannten Be¬
schaffenheit unseres Quellenmateriales neuen Anlaß zu Angriffen gegen die
spanische Regierung; er hält an dem Verdachte, ja an der Wahrscheinlichkeit
einer Mordthat fest. Ich muß dies Verfahren für absolut unzulässig erklä¬
ren aus den schon angeführten Gründen. Ob Carlos' Tod ein natürlicher
oder ob man der Natur in irgend welcher Weise nachgeholfen, darüber ist
nichts zu wissen und zu sagen. Die Vermuthung eines Verbrechens hier leicht¬
fertig aussprechen, das hieße selbst ein Verbrechen begehen. Nichtsdestoweniger
darf das gesagt werden, daß König Philipp niemals eine Freilassung oder
Herstellung des Sohnes beabsichtigt hat und daß sür den Untergang des
Prinzen die volle Verantwortlichkeit somit auf den Vater fällt; er selbst
hat geglaubt zu der Beseitigung des unfähigen Sohnes nicht allein berechtigt,
sondern auch verpflichtet zu sein.

Die Minister des Königs erhielten gleich nach der Gefangennahme des
Prinzen den Auftrag, den fremden Gesandten in Madrid die nöthigen Auf¬
klärungen zu geben. Diese Aussagen stimmen unter sich überein; sie stehen im
Einklang mit allen früheren Erklärungen von spanischer Seite; sie stellen den
Sachverhalt dar und führen zu dem Urtheile hin, wie wir sie aus Dietrich-
stein's Berichten kennen gelernt haben: sie motiviren die Katastrophe mit der
Beschaffenheit des Prinzen, dessen Zulassung zur Nachfolge auf dem Throne
nach langen Beobachtungen und vielen Experimenten sich als unmöglich er¬
geben haben soll.

Philipp selbst richtete über den Vorfall Schreiben an den Papst, an seine
Tante, die Königinwittwe von Portugal, an seine Schwester und seinen
Schwager in Wien. In allen betont er sehr scharf den Gedanken, daß die
Maßregel eingegeben sei von der Rücksicht auf das Wohl seines Volkes und
der heiligen Kirche; er liebt es dabei sich auf frühere Mittheilungen über den
Sohn zu beziehen, welche dies Ende schon hätten vorausahnen lassen. Seinen
vertrauten Minister, den in den Niederlanden abwesenden Herzog von Alba, ver-


treffenden Thatsachen und Vorfälle feststellen und untersuchen zu lassen, um
den Prinzen dann des Rechtes der Nachfolge für verlustig zu erraren. Es
kam nicht dazu; ein Spruch wurde nicht erlassen. Carlos erlag seinem na¬
türlichen Schicksal. Er erkrankte im Gefängniß und starb, wie man sagte,
am 24. Juli 1568.

Ueber die Art seines Todes wurden Muthmaßungen und Gerüchte sofort
in Umlauf gesetzt. Zwischen ihnen eine Entscheidung zu treffen, wird ein
gewissenhafter. Historiker, wie ich früher schon ausgeführt habe, Bedenken
haben müssen: wir wissen von dem Prinzen seit dem 18. Januar 1568 ab¬
solut gar nichts mehr als das, was uns die offiziellen Vertreter der Regie¬
rung erzählen; es fehlt geradezu an der Möglichkeit ihre Angaben zu con-
troliren. Allerdings nimmt Schmidt von dieser, auch von ihm erkannten Be¬
schaffenheit unseres Quellenmateriales neuen Anlaß zu Angriffen gegen die
spanische Regierung; er hält an dem Verdachte, ja an der Wahrscheinlichkeit
einer Mordthat fest. Ich muß dies Verfahren für absolut unzulässig erklä¬
ren aus den schon angeführten Gründen. Ob Carlos' Tod ein natürlicher
oder ob man der Natur in irgend welcher Weise nachgeholfen, darüber ist
nichts zu wissen und zu sagen. Die Vermuthung eines Verbrechens hier leicht¬
fertig aussprechen, das hieße selbst ein Verbrechen begehen. Nichtsdestoweniger
darf das gesagt werden, daß König Philipp niemals eine Freilassung oder
Herstellung des Sohnes beabsichtigt hat und daß sür den Untergang des
Prinzen die volle Verantwortlichkeit somit auf den Vater fällt; er selbst
hat geglaubt zu der Beseitigung des unfähigen Sohnes nicht allein berechtigt,
sondern auch verpflichtet zu sein.

Die Minister des Königs erhielten gleich nach der Gefangennahme des
Prinzen den Auftrag, den fremden Gesandten in Madrid die nöthigen Auf¬
klärungen zu geben. Diese Aussagen stimmen unter sich überein; sie stehen im
Einklang mit allen früheren Erklärungen von spanischer Seite; sie stellen den
Sachverhalt dar und führen zu dem Urtheile hin, wie wir sie aus Dietrich-
stein's Berichten kennen gelernt haben: sie motiviren die Katastrophe mit der
Beschaffenheit des Prinzen, dessen Zulassung zur Nachfolge auf dem Throne
nach langen Beobachtungen und vielen Experimenten sich als unmöglich er¬
geben haben soll.

Philipp selbst richtete über den Vorfall Schreiben an den Papst, an seine
Tante, die Königinwittwe von Portugal, an seine Schwester und seinen
Schwager in Wien. In allen betont er sehr scharf den Gedanken, daß die
Maßregel eingegeben sei von der Rücksicht auf das Wohl seines Volkes und
der heiligen Kirche; er liebt es dabei sich auf frühere Mittheilungen über den
Sohn zu beziehen, welche dies Ende schon hätten vorausahnen lassen. Seinen
vertrauten Minister, den in den Niederlanden abwesenden Herzog von Alba, ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/296>, abgerufen am 28.12.2024.