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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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einem durch und durch -- deutschen Lande, wo die Regierung, die Kammer,
die Post-, Telegraphen-, Steuer- und andere Verwaltungen, nebst allen un¬
seren Fransquillons, das Französische radbrechen, so gut, oder besser, so schlecht
es gehen will. Was sind denn das für deutsche Eisenbahnbeamte, meint die
"Jude'pendance", die da nicht einmal das Französische sprechen , es nicht
einmal lernen wollen, und wäre es auch nur den -- französischen Telegraphen¬
formularen zu lieb. Gerade als ob bei uns der Telegraph, der während des
letzten Krieges mit allen französischen Telegraphen und Zeitungen um die
Wette französisch gelogen, und fast das Kreuz der Ehrenlegion dafür erhalten
hätte, nun auch noch Deutsch lernen sollte, den Beamten unserer deutschen
Eisenbahnen zu Liebe.

Und dann denkt das schlaue "Wort", Z. xart soi, während der schönen,
vielen Zeit, wo die Kleinen in den Schulen das Französische -- nicht lernen,
lernen sie doch wenigstens auch nichts anders. Und das ist schon ein großer
Gewinn, wenn auch nur ein negativer -- für das Volk nämlich. Alle Welt
Weiß, daß bei unserm gegenwärtigen Regime, wie es in unsern Volks¬
schulen herrscht, gar nicht die Rede von der Erlernung zweier fremden
Sprachen (denn auch das "Preußische" ist für uns Luxemburger heute eine
fremde Sprache) sein kann. Dafür ist die vorgeschriebene Schulzeit zu kurz,
der Katechismus des Herrn Laurent zu dick und zu theologisch, sind die
Spieltage, Feiertage, Vakanzen und Ferien zu zahlreich. So gar viel wird
auch in der Schule nicht gewonnen. Ein Glück noch, daß die kleinen Rangen
ihr gutes, biderbes luxemburger Deutsch während der Schulzeit nicht ver¬
lernen. Wie sie es sonst machen sollten, um sich unter sich und unter den
Leuten zu verständigen, ist eine Frage, die wir uns nicht zu beantworten ge¬
trauen. Denn von Deutsch und Französisch verstehen die armen Würmlein
^aum mehr, wenn sie aus der Schule austreten, als bei ihrem Eintritt in
dieselbe. Und doch sagt Herr luäi, - inaZistki- Philipp, ein treuer Anhänger
des "Luxemburger Wort" und ein fast ebenso tüchtiger Schulmeister, die Er¬
lernung der französischen Sprache in den Primärschulen könne nur der Er¬
lernung der deutschen Sprache Vorschub leisten. Wir sind mit dem gewiegten
Pädagogen gänzlich einverstanden, d. h., wo die beiden Sprachen wirklich
Und gründlich gelehrt werden, was indessen bei uns zu Lande, unsers Wissens,
nirgends geschieht, nicht einmal in der Schule des braven Mannes selbst. --

Doch das ist ja auch Nebensache. Nicht um durch die eine Sprache die
Rudere zu erlernen, kommen die beiden in das Schulprogramm, sondern
vielmehr, damit die eine die andere verdränge, ertödte. Der Schulmeister soll
"ach allen Seiten die Hände gebunden haben, hier durch den dicken Katechis¬
mus, den er nach § V. Art. 61 unsers wohllöblichen Schulgesetzes, auf
begehren des Pastors, und unter seiner Leitung, zu lehren hat;


einem durch und durch — deutschen Lande, wo die Regierung, die Kammer,
die Post-, Telegraphen-, Steuer- und andere Verwaltungen, nebst allen un¬
seren Fransquillons, das Französische radbrechen, so gut, oder besser, so schlecht
es gehen will. Was sind denn das für deutsche Eisenbahnbeamte, meint die
„Jude'pendance", die da nicht einmal das Französische sprechen , es nicht
einmal lernen wollen, und wäre es auch nur den — französischen Telegraphen¬
formularen zu lieb. Gerade als ob bei uns der Telegraph, der während des
letzten Krieges mit allen französischen Telegraphen und Zeitungen um die
Wette französisch gelogen, und fast das Kreuz der Ehrenlegion dafür erhalten
hätte, nun auch noch Deutsch lernen sollte, den Beamten unserer deutschen
Eisenbahnen zu Liebe.

Und dann denkt das schlaue „Wort", Z. xart soi, während der schönen,
vielen Zeit, wo die Kleinen in den Schulen das Französische — nicht lernen,
lernen sie doch wenigstens auch nichts anders. Und das ist schon ein großer
Gewinn, wenn auch nur ein negativer — für das Volk nämlich. Alle Welt
Weiß, daß bei unserm gegenwärtigen Regime, wie es in unsern Volks¬
schulen herrscht, gar nicht die Rede von der Erlernung zweier fremden
Sprachen (denn auch das „Preußische" ist für uns Luxemburger heute eine
fremde Sprache) sein kann. Dafür ist die vorgeschriebene Schulzeit zu kurz,
der Katechismus des Herrn Laurent zu dick und zu theologisch, sind die
Spieltage, Feiertage, Vakanzen und Ferien zu zahlreich. So gar viel wird
auch in der Schule nicht gewonnen. Ein Glück noch, daß die kleinen Rangen
ihr gutes, biderbes luxemburger Deutsch während der Schulzeit nicht ver¬
lernen. Wie sie es sonst machen sollten, um sich unter sich und unter den
Leuten zu verständigen, ist eine Frage, die wir uns nicht zu beantworten ge¬
trauen. Denn von Deutsch und Französisch verstehen die armen Würmlein
^aum mehr, wenn sie aus der Schule austreten, als bei ihrem Eintritt in
dieselbe. Und doch sagt Herr luäi, - inaZistki- Philipp, ein treuer Anhänger
des „Luxemburger Wort" und ein fast ebenso tüchtiger Schulmeister, die Er¬
lernung der französischen Sprache in den Primärschulen könne nur der Er¬
lernung der deutschen Sprache Vorschub leisten. Wir sind mit dem gewiegten
Pädagogen gänzlich einverstanden, d. h., wo die beiden Sprachen wirklich
Und gründlich gelehrt werden, was indessen bei uns zu Lande, unsers Wissens,
nirgends geschieht, nicht einmal in der Schule des braven Mannes selbst. —

Doch das ist ja auch Nebensache. Nicht um durch die eine Sprache die
Rudere zu erlernen, kommen die beiden in das Schulprogramm, sondern
vielmehr, damit die eine die andere verdränge, ertödte. Der Schulmeister soll
"ach allen Seiten die Hände gebunden haben, hier durch den dicken Katechis¬
mus, den er nach § V. Art. 61 unsers wohllöblichen Schulgesetzes, auf
begehren des Pastors, und unter seiner Leitung, zu lehren hat;


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[0283] einem durch und durch — deutschen Lande, wo die Regierung, die Kammer, die Post-, Telegraphen-, Steuer- und andere Verwaltungen, nebst allen un¬ seren Fransquillons, das Französische radbrechen, so gut, oder besser, so schlecht es gehen will. Was sind denn das für deutsche Eisenbahnbeamte, meint die „Jude'pendance", die da nicht einmal das Französische sprechen , es nicht einmal lernen wollen, und wäre es auch nur den — französischen Telegraphen¬ formularen zu lieb. Gerade als ob bei uns der Telegraph, der während des letzten Krieges mit allen französischen Telegraphen und Zeitungen um die Wette französisch gelogen, und fast das Kreuz der Ehrenlegion dafür erhalten hätte, nun auch noch Deutsch lernen sollte, den Beamten unserer deutschen Eisenbahnen zu Liebe. Und dann denkt das schlaue „Wort", Z. xart soi, während der schönen, vielen Zeit, wo die Kleinen in den Schulen das Französische — nicht lernen, lernen sie doch wenigstens auch nichts anders. Und das ist schon ein großer Gewinn, wenn auch nur ein negativer — für das Volk nämlich. Alle Welt Weiß, daß bei unserm gegenwärtigen Regime, wie es in unsern Volks¬ schulen herrscht, gar nicht die Rede von der Erlernung zweier fremden Sprachen (denn auch das „Preußische" ist für uns Luxemburger heute eine fremde Sprache) sein kann. Dafür ist die vorgeschriebene Schulzeit zu kurz, der Katechismus des Herrn Laurent zu dick und zu theologisch, sind die Spieltage, Feiertage, Vakanzen und Ferien zu zahlreich. So gar viel wird auch in der Schule nicht gewonnen. Ein Glück noch, daß die kleinen Rangen ihr gutes, biderbes luxemburger Deutsch während der Schulzeit nicht ver¬ lernen. Wie sie es sonst machen sollten, um sich unter sich und unter den Leuten zu verständigen, ist eine Frage, die wir uns nicht zu beantworten ge¬ trauen. Denn von Deutsch und Französisch verstehen die armen Würmlein ^aum mehr, wenn sie aus der Schule austreten, als bei ihrem Eintritt in dieselbe. Und doch sagt Herr luäi, - inaZistki- Philipp, ein treuer Anhänger des „Luxemburger Wort" und ein fast ebenso tüchtiger Schulmeister, die Er¬ lernung der französischen Sprache in den Primärschulen könne nur der Er¬ lernung der deutschen Sprache Vorschub leisten. Wir sind mit dem gewiegten Pädagogen gänzlich einverstanden, d. h., wo die beiden Sprachen wirklich Und gründlich gelehrt werden, was indessen bei uns zu Lande, unsers Wissens, nirgends geschieht, nicht einmal in der Schule des braven Mannes selbst. — Doch das ist ja auch Nebensache. Nicht um durch die eine Sprache die Rudere zu erlernen, kommen die beiden in das Schulprogramm, sondern vielmehr, damit die eine die andere verdränge, ertödte. Der Schulmeister soll "ach allen Seiten die Hände gebunden haben, hier durch den dicken Katechis¬ mus, den er nach § V. Art. 61 unsers wohllöblichen Schulgesetzes, auf begehren des Pastors, und unter seiner Leitung, zu lehren hat;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/283>, abgerufen am 27.07.2024.