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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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des Bischofs Karl und der katholischen Domherrn erließ Rudolf unter dem
2. Aug. 1602 an Christian v. Holstein eine nochmalige Aufforderung, seinen
Anordnungen unverzüglich Folge zu leisten. Da der Herzog jedoch sich hier¬
zu keineswegs bereit erklärte, so schien das Kriegsungewitter abermals drohend
Heraufziehen zu wollen. Johann Georg war also dadurch, daß sein nothge¬
drungen mit dem Magistrate geschlossener Abfindungsverrrag immer neue Ver¬
wicklungen nach sich zog, sowie endlich durch das etwas ungestüme Vorgehen
seiner Anhänger in die mißlichste Lage versetzt. Stets bemüht, den Geist der
Versöhnung walten zu lassen, und Katholiken wie Protestanten gleich gerecht
zu werden, sah er sich, noch aus dem vorigen Kriege mit Schulden belastet
und durch den Vertrag mit der Stadt Straßburg, die ihn auch jetzt im
Stich ließ, pekuniär lahm gelegt, nunmehr völlig außer Stande, den Kampf
von Neuem aufzunehmen, zumal der sonst schwankende Kaiser, in Folge steten
Drängens der Gegenpartei, mehr denn je geneigt schien, für die katholischen
Interessen nachdrücklich einzutreten. Die Stellung Johann Georg's war wegen
mangelnder Unterstützung unhaltbar geworden.

Da auch der Cardinal von Lothringen und Halb-Bischof von Straßburg
nicht geneigt war, seine Sache dem zweifelhaften Kriegsglück anzuvertrauen,
so kam durch Vermittelung des Herzogs von Würtemberg, der im Austrage
des Kaisers handelte, am 22. November 1604 der Vertrag von Hagenau zu
Stande, welcher einen fünfzehnjährigen Waffenstillstand unter folgenden Be¬
dingungen festsetzte: Johann Georg leistet Verzicht auf alle Rechte, welche ihm
durch die Postulirung oder anderswie auf das Bisthum Straßburg erwachsen
sind; er überliefert zur weiteren Vermittlung an den Herzog von Würtemberg
den bischöflichen Palast der Stadt Straßburg und alle Schlösser, Städte,
Dörfer und Güter, welche dem Kapitel innerhalb und außerhalb der Stadt
gehören; und erhält die Zusage, daß er betreffs der Verwaltung des Bisthums
niemals zur Rechenschaft gezogen noch beunruhigt werden darf; die acht Fürsten,
Grafen und Herrn der Augsburgischen Konfession bleiben im Besitz des Bru-
derhoss und der innerhalb der Stadt gelegenen Stiftshäuser und genießen
fünfzehn Jahre lang die Hälfte des Dorfes Lampertheim, sowie aller Renten
Und Revenüen des Kapitels innerhalb des Gebietes der Stadt Straßburg.")

Ferner wurden die Abmachungen Johann Georg's mit dem Magistrate,
den Zollkeller betreffend, aufrecht erhalten; der Senat seinerseits aber leistete
auf das Bündniß, welches zwischen Johann Georg von Brandenburg, den
Herrn der Augsburgischen Konfession und der Stadt Straßburg bestanden
hatte, Verzicht und erkannte Karl als einzigen Bischof an.

Natürlich nahm Johann Georg darauf Bedacht, sich für die materiellen



") Archiv. Argent.

des Bischofs Karl und der katholischen Domherrn erließ Rudolf unter dem
2. Aug. 1602 an Christian v. Holstein eine nochmalige Aufforderung, seinen
Anordnungen unverzüglich Folge zu leisten. Da der Herzog jedoch sich hier¬
zu keineswegs bereit erklärte, so schien das Kriegsungewitter abermals drohend
Heraufziehen zu wollen. Johann Georg war also dadurch, daß sein nothge¬
drungen mit dem Magistrate geschlossener Abfindungsverrrag immer neue Ver¬
wicklungen nach sich zog, sowie endlich durch das etwas ungestüme Vorgehen
seiner Anhänger in die mißlichste Lage versetzt. Stets bemüht, den Geist der
Versöhnung walten zu lassen, und Katholiken wie Protestanten gleich gerecht
zu werden, sah er sich, noch aus dem vorigen Kriege mit Schulden belastet
und durch den Vertrag mit der Stadt Straßburg, die ihn auch jetzt im
Stich ließ, pekuniär lahm gelegt, nunmehr völlig außer Stande, den Kampf
von Neuem aufzunehmen, zumal der sonst schwankende Kaiser, in Folge steten
Drängens der Gegenpartei, mehr denn je geneigt schien, für die katholischen
Interessen nachdrücklich einzutreten. Die Stellung Johann Georg's war wegen
mangelnder Unterstützung unhaltbar geworden.

Da auch der Cardinal von Lothringen und Halb-Bischof von Straßburg
nicht geneigt war, seine Sache dem zweifelhaften Kriegsglück anzuvertrauen,
so kam durch Vermittelung des Herzogs von Würtemberg, der im Austrage
des Kaisers handelte, am 22. November 1604 der Vertrag von Hagenau zu
Stande, welcher einen fünfzehnjährigen Waffenstillstand unter folgenden Be¬
dingungen festsetzte: Johann Georg leistet Verzicht auf alle Rechte, welche ihm
durch die Postulirung oder anderswie auf das Bisthum Straßburg erwachsen
sind; er überliefert zur weiteren Vermittlung an den Herzog von Würtemberg
den bischöflichen Palast der Stadt Straßburg und alle Schlösser, Städte,
Dörfer und Güter, welche dem Kapitel innerhalb und außerhalb der Stadt
gehören; und erhält die Zusage, daß er betreffs der Verwaltung des Bisthums
niemals zur Rechenschaft gezogen noch beunruhigt werden darf; die acht Fürsten,
Grafen und Herrn der Augsburgischen Konfession bleiben im Besitz des Bru-
derhoss und der innerhalb der Stadt gelegenen Stiftshäuser und genießen
fünfzehn Jahre lang die Hälfte des Dorfes Lampertheim, sowie aller Renten
Und Revenüen des Kapitels innerhalb des Gebietes der Stadt Straßburg.»)

Ferner wurden die Abmachungen Johann Georg's mit dem Magistrate,
den Zollkeller betreffend, aufrecht erhalten; der Senat seinerseits aber leistete
auf das Bündniß, welches zwischen Johann Georg von Brandenburg, den
Herrn der Augsburgischen Konfession und der Stadt Straßburg bestanden
hatte, Verzicht und erkannte Karl als einzigen Bischof an.

Natürlich nahm Johann Georg darauf Bedacht, sich für die materiellen



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[0027] des Bischofs Karl und der katholischen Domherrn erließ Rudolf unter dem 2. Aug. 1602 an Christian v. Holstein eine nochmalige Aufforderung, seinen Anordnungen unverzüglich Folge zu leisten. Da der Herzog jedoch sich hier¬ zu keineswegs bereit erklärte, so schien das Kriegsungewitter abermals drohend Heraufziehen zu wollen. Johann Georg war also dadurch, daß sein nothge¬ drungen mit dem Magistrate geschlossener Abfindungsverrrag immer neue Ver¬ wicklungen nach sich zog, sowie endlich durch das etwas ungestüme Vorgehen seiner Anhänger in die mißlichste Lage versetzt. Stets bemüht, den Geist der Versöhnung walten zu lassen, und Katholiken wie Protestanten gleich gerecht zu werden, sah er sich, noch aus dem vorigen Kriege mit Schulden belastet und durch den Vertrag mit der Stadt Straßburg, die ihn auch jetzt im Stich ließ, pekuniär lahm gelegt, nunmehr völlig außer Stande, den Kampf von Neuem aufzunehmen, zumal der sonst schwankende Kaiser, in Folge steten Drängens der Gegenpartei, mehr denn je geneigt schien, für die katholischen Interessen nachdrücklich einzutreten. Die Stellung Johann Georg's war wegen mangelnder Unterstützung unhaltbar geworden. Da auch der Cardinal von Lothringen und Halb-Bischof von Straßburg nicht geneigt war, seine Sache dem zweifelhaften Kriegsglück anzuvertrauen, so kam durch Vermittelung des Herzogs von Würtemberg, der im Austrage des Kaisers handelte, am 22. November 1604 der Vertrag von Hagenau zu Stande, welcher einen fünfzehnjährigen Waffenstillstand unter folgenden Be¬ dingungen festsetzte: Johann Georg leistet Verzicht auf alle Rechte, welche ihm durch die Postulirung oder anderswie auf das Bisthum Straßburg erwachsen sind; er überliefert zur weiteren Vermittlung an den Herzog von Würtemberg den bischöflichen Palast der Stadt Straßburg und alle Schlösser, Städte, Dörfer und Güter, welche dem Kapitel innerhalb und außerhalb der Stadt gehören; und erhält die Zusage, daß er betreffs der Verwaltung des Bisthums niemals zur Rechenschaft gezogen noch beunruhigt werden darf; die acht Fürsten, Grafen und Herrn der Augsburgischen Konfession bleiben im Besitz des Bru- derhoss und der innerhalb der Stadt gelegenen Stiftshäuser und genießen fünfzehn Jahre lang die Hälfte des Dorfes Lampertheim, sowie aller Renten Und Revenüen des Kapitels innerhalb des Gebietes der Stadt Straßburg.») Ferner wurden die Abmachungen Johann Georg's mit dem Magistrate, den Zollkeller betreffend, aufrecht erhalten; der Senat seinerseits aber leistete auf das Bündniß, welches zwischen Johann Georg von Brandenburg, den Herrn der Augsburgischen Konfession und der Stadt Straßburg bestanden hatte, Verzicht und erkannte Karl als einzigen Bischof an. Natürlich nahm Johann Georg darauf Bedacht, sich für die materiellen ") Archiv. Argent.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/27>, abgerufen am 27.07.2024.