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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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auch teilweise für die des Protestantismus im südwestlichen Deutschland
verhängnißvoll werden mußten.

Die materiellen Interessen, die so oft im menschlichen Leben die geistigen
niederhalten, sollten auch hier entscheidend wirken. Die Stadt nämlich drängte
da eine definitive Lösung der bischöflichen Streitigkeiten vorläufig nicht in
Aussicht stand, Johann Georg zur vertragsmäßigen Rückerstattung der ihm
gemachten Vorschüsse und der anderweitigen Geldopfer, die man, um ihn in
seiner Würde aufrecht zu erhalten, gebracht hatte. Ohne daß der Bischof
die Rechtmäßigkett der Forderungen des Magistrats zu bestreiten suchte, bat
er nur darauf Rücksicht zu nehmen, daß er zur Zeit außer Stande sei, seinen
Verpflichtungen nachzukommen, da ihm seit der Theilung der Güter des Ka¬
pitels und der Stadt nicht einmal die Hälfte der bischöflichen Revenüen
verblieben sei und er außerdem starke Anleihen habe machen müssen für
Nepräsentationskosten seiner Bevollmächtigten. Auf wiederholtes Andringen
des Magistrats jedoch, der unter allen Umständen die materiellen Interessen
der Stadt zu wahren beflissen war, sah sich Johann Georg genöthigt, unter
dem 7. Oktober 1397 einen Vertrag einzugehen, nach welchem er unter Anderm
eine Art Douane, Zollkeller genannt, verschiedene Besitzungen in Mariheim,
Nonnenweyer u. s. w. und den Zehnten von Jllkirch der Stadt überließ,
mit dem Vorbehalt jedoch, daß er für sich und seine Nachfolger alle Lehns¬
güter sowie alle Lehnspflichten reservirte, welche seine Vasallen, rücksichtlich
jener Douane, ihm zu leisten gehalten wären.*) Diese Uebereinkunft, welche
ohne Zuziehung der katholischen Domherrn getroffen war, versetzte dieselben
in die höchste Aufregung und sie nahmen aus diesen Umständen sowie aus
einigen anderen Vorkommnissen Veranlassung, an Rudolf wiederholte Be¬
schwerden einzureichen, in Folge deren endlich am 3. Febr. 1600 ein kaiserlicher
Erlaß erschien, der sich weniger gegen Johann Georg, mit welchem der un¬
entschiedene Rudolf nicht brechen wollte, rüstete; sondern vielmehr, um den
Katholiken einige Genugthuung zu verschaffen, forderte, daß die Grafen
Hermann v. Kotaf, Ernst v. Mansfeld und Gebhardt v. Truchseß den
Bruderhoff und andere Pfründen der Domherrn, insbesondere aber die Dörfer
Gaispolsheim und Lampertheim, deren sie sich bemächtigt hatten, wieder her¬
ausgeben sollten. Die drei Grafen unterwarfen sich, aber der Herzog Franz
v. Lauenburg und nach ihm der Herzog Christian v. Holstein, welcher mit
Unterstützung der protestantischen Domherrn die Würde des Präsidenten des
Kapitels für sich in Anspruch nahm, leistete dem kaiserlichen Befehle ent¬
schiedenen Widerstand, indem er Lampertheim, welches der Kathedrale von
Straßburg zur Hälfte gehörte, besetzen ließ. In Folge einer neuen Klage



") Archiv. Argent. Vertrag von 1507.

auch teilweise für die des Protestantismus im südwestlichen Deutschland
verhängnißvoll werden mußten.

Die materiellen Interessen, die so oft im menschlichen Leben die geistigen
niederhalten, sollten auch hier entscheidend wirken. Die Stadt nämlich drängte
da eine definitive Lösung der bischöflichen Streitigkeiten vorläufig nicht in
Aussicht stand, Johann Georg zur vertragsmäßigen Rückerstattung der ihm
gemachten Vorschüsse und der anderweitigen Geldopfer, die man, um ihn in
seiner Würde aufrecht zu erhalten, gebracht hatte. Ohne daß der Bischof
die Rechtmäßigkett der Forderungen des Magistrats zu bestreiten suchte, bat
er nur darauf Rücksicht zu nehmen, daß er zur Zeit außer Stande sei, seinen
Verpflichtungen nachzukommen, da ihm seit der Theilung der Güter des Ka¬
pitels und der Stadt nicht einmal die Hälfte der bischöflichen Revenüen
verblieben sei und er außerdem starke Anleihen habe machen müssen für
Nepräsentationskosten seiner Bevollmächtigten. Auf wiederholtes Andringen
des Magistrats jedoch, der unter allen Umständen die materiellen Interessen
der Stadt zu wahren beflissen war, sah sich Johann Georg genöthigt, unter
dem 7. Oktober 1397 einen Vertrag einzugehen, nach welchem er unter Anderm
eine Art Douane, Zollkeller genannt, verschiedene Besitzungen in Mariheim,
Nonnenweyer u. s. w. und den Zehnten von Jllkirch der Stadt überließ,
mit dem Vorbehalt jedoch, daß er für sich und seine Nachfolger alle Lehns¬
güter sowie alle Lehnspflichten reservirte, welche seine Vasallen, rücksichtlich
jener Douane, ihm zu leisten gehalten wären.*) Diese Uebereinkunft, welche
ohne Zuziehung der katholischen Domherrn getroffen war, versetzte dieselben
in die höchste Aufregung und sie nahmen aus diesen Umständen sowie aus
einigen anderen Vorkommnissen Veranlassung, an Rudolf wiederholte Be¬
schwerden einzureichen, in Folge deren endlich am 3. Febr. 1600 ein kaiserlicher
Erlaß erschien, der sich weniger gegen Johann Georg, mit welchem der un¬
entschiedene Rudolf nicht brechen wollte, rüstete; sondern vielmehr, um den
Katholiken einige Genugthuung zu verschaffen, forderte, daß die Grafen
Hermann v. Kotaf, Ernst v. Mansfeld und Gebhardt v. Truchseß den
Bruderhoff und andere Pfründen der Domherrn, insbesondere aber die Dörfer
Gaispolsheim und Lampertheim, deren sie sich bemächtigt hatten, wieder her¬
ausgeben sollten. Die drei Grafen unterwarfen sich, aber der Herzog Franz
v. Lauenburg und nach ihm der Herzog Christian v. Holstein, welcher mit
Unterstützung der protestantischen Domherrn die Würde des Präsidenten des
Kapitels für sich in Anspruch nahm, leistete dem kaiserlichen Befehle ent¬
schiedenen Widerstand, indem er Lampertheim, welches der Kathedrale von
Straßburg zur Hälfte gehörte, besetzen ließ. In Folge einer neuen Klage



") Archiv. Argent. Vertrag von 1507.
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[0026] auch teilweise für die des Protestantismus im südwestlichen Deutschland verhängnißvoll werden mußten. Die materiellen Interessen, die so oft im menschlichen Leben die geistigen niederhalten, sollten auch hier entscheidend wirken. Die Stadt nämlich drängte da eine definitive Lösung der bischöflichen Streitigkeiten vorläufig nicht in Aussicht stand, Johann Georg zur vertragsmäßigen Rückerstattung der ihm gemachten Vorschüsse und der anderweitigen Geldopfer, die man, um ihn in seiner Würde aufrecht zu erhalten, gebracht hatte. Ohne daß der Bischof die Rechtmäßigkett der Forderungen des Magistrats zu bestreiten suchte, bat er nur darauf Rücksicht zu nehmen, daß er zur Zeit außer Stande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, da ihm seit der Theilung der Güter des Ka¬ pitels und der Stadt nicht einmal die Hälfte der bischöflichen Revenüen verblieben sei und er außerdem starke Anleihen habe machen müssen für Nepräsentationskosten seiner Bevollmächtigten. Auf wiederholtes Andringen des Magistrats jedoch, der unter allen Umständen die materiellen Interessen der Stadt zu wahren beflissen war, sah sich Johann Georg genöthigt, unter dem 7. Oktober 1397 einen Vertrag einzugehen, nach welchem er unter Anderm eine Art Douane, Zollkeller genannt, verschiedene Besitzungen in Mariheim, Nonnenweyer u. s. w. und den Zehnten von Jllkirch der Stadt überließ, mit dem Vorbehalt jedoch, daß er für sich und seine Nachfolger alle Lehns¬ güter sowie alle Lehnspflichten reservirte, welche seine Vasallen, rücksichtlich jener Douane, ihm zu leisten gehalten wären.*) Diese Uebereinkunft, welche ohne Zuziehung der katholischen Domherrn getroffen war, versetzte dieselben in die höchste Aufregung und sie nahmen aus diesen Umständen sowie aus einigen anderen Vorkommnissen Veranlassung, an Rudolf wiederholte Be¬ schwerden einzureichen, in Folge deren endlich am 3. Febr. 1600 ein kaiserlicher Erlaß erschien, der sich weniger gegen Johann Georg, mit welchem der un¬ entschiedene Rudolf nicht brechen wollte, rüstete; sondern vielmehr, um den Katholiken einige Genugthuung zu verschaffen, forderte, daß die Grafen Hermann v. Kotaf, Ernst v. Mansfeld und Gebhardt v. Truchseß den Bruderhoff und andere Pfründen der Domherrn, insbesondere aber die Dörfer Gaispolsheim und Lampertheim, deren sie sich bemächtigt hatten, wieder her¬ ausgeben sollten. Die drei Grafen unterwarfen sich, aber der Herzog Franz v. Lauenburg und nach ihm der Herzog Christian v. Holstein, welcher mit Unterstützung der protestantischen Domherrn die Würde des Präsidenten des Kapitels für sich in Anspruch nahm, leistete dem kaiserlichen Befehle ent¬ schiedenen Widerstand, indem er Lampertheim, welches der Kathedrale von Straßburg zur Hälfte gehörte, besetzen ließ. In Folge einer neuen Klage ") Archiv. Argent. Vertrag von 1507.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/26>, abgerufen am 27.07.2024.