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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Wenn ich heute an diese Lehrjahre zurückdenke, so finde ich nur das Gute,
daß ich mancherlei Naturstudien machen mußte und vor Allem einen gründ¬
lichen Haß gegen die geistlose Effekthascherei des sog. Naturalismus einsog-
Heute die Rose nach rechts, morgen ein ähnliches Bouquet mit der Rose
nach links, das war das Alpha und Omega und von Styl oder vernünftiger
Beachtung des Materiales und Zweckes gar keine Rede. Ich war durch ein
kleines Stipendium an diese Anstalt gefesselt, die mir um so gründlicher ver"
leidet wurde, als mir durch die freundliche Theilnahme und Belehrung des
Herrn Professor L. Löste die Augen über die Bedeutung der Ornamentik
und über meine Lebensaufgabe nach und nach aufgingen. Immer mehr trat
ich in Opposition gegen den französirten Belgier Van der Syp, der meine
Bestrebungen zu unterdrücken suchte'und höhnisch mir 1861 noch sagte, ich
werde kein rechter Ornamentist, weil ich "zu deutsch" sei. --

Damals begann ich das Sammeln der Webeornamente von den Bildern
der Berliner Gallerie und wurde in Cöln mit dem für die kirchliche Para-
mentik so einflußreichen Canonicus Dr. Fr. Bock bekannt.

Die gesammelten Muster arbeitete ich zunächst für Tapeten und Kirchen¬
stoffe aus, wodurch ich die ersten Honorare von Gebrüder Hildebrand in
Berlin und Casaretto in Crefeld erhielt. Diese benutzte ich, um 14 Tage in
Halberstadt und Quedlinburg die alten Stoffsammlungen zu copiren.
Der Besuch des in Oesterreich renommirten Tapeten-Decorateurs Fr. Schmidt
in Berlin, veranlaßte mein Engagement nach Wien und somit schied ich von
dem mir durch freies Theater und durch Borlesungen in der Universität und
durch die Museen in der Bildung überaus förderlichen Berlin, um meine
praktische Carriere an der Donau zu beginnen. -- Welche Wahl blieb mir
auch übrig, wenn ich nicht nach Paris gehen wollte, welches ich ja in seiner
Tendenz bekämpfte? Die Fabrikanten des Zollvereins hingen von Paris ab
und waren zu vorsichtig und zu wenig organisirt, um sich auf eigene Füße
zu stellen. Wien war daher damals für mich das beste Feld, denn dort war
ein selbständiger Geschmack und eine Anzahl reicher Fabrikanten, die aus
Ehrgeiz das Bessere anstrebten. Zunächst erkannte ich in dem Decorations"
geschähe von Schmidt u. Sugg das Zusammenwirken der verschiedenen Industrie¬
zweige, um die Wohnung harmonisch zu schmücken. Da jedoch Schmidt ein"
viel zu selbstische Natur war, um mich anders als einen gewöhnlichen Zeichner
zu benutzen, so übernahm ich von 1863 bis 1865 die artistische Leitung eines
neuen Decorationsgeschäftes von R. und B. Sieburger. Hier lernte ich die
Verhältnisse kennen und benutzen, die zwischen dem Fabrikanten, Händler und
Publicum bestehen und hatte die Aufgabe überall so einzugreifen, um ein
gutes Resultat zu erzielen. -- Es waren derbe Lehrjahre, in denen ich einige
tausend Räume in Wien decorirte und täglich oft an 12 Stellen die Arbeiter


Wenn ich heute an diese Lehrjahre zurückdenke, so finde ich nur das Gute,
daß ich mancherlei Naturstudien machen mußte und vor Allem einen gründ¬
lichen Haß gegen die geistlose Effekthascherei des sog. Naturalismus einsog-
Heute die Rose nach rechts, morgen ein ähnliches Bouquet mit der Rose
nach links, das war das Alpha und Omega und von Styl oder vernünftiger
Beachtung des Materiales und Zweckes gar keine Rede. Ich war durch ein
kleines Stipendium an diese Anstalt gefesselt, die mir um so gründlicher ver»
leidet wurde, als mir durch die freundliche Theilnahme und Belehrung des
Herrn Professor L. Löste die Augen über die Bedeutung der Ornamentik
und über meine Lebensaufgabe nach und nach aufgingen. Immer mehr trat
ich in Opposition gegen den französirten Belgier Van der Syp, der meine
Bestrebungen zu unterdrücken suchte'und höhnisch mir 1861 noch sagte, ich
werde kein rechter Ornamentist, weil ich „zu deutsch" sei. —

Damals begann ich das Sammeln der Webeornamente von den Bildern
der Berliner Gallerie und wurde in Cöln mit dem für die kirchliche Para-
mentik so einflußreichen Canonicus Dr. Fr. Bock bekannt.

Die gesammelten Muster arbeitete ich zunächst für Tapeten und Kirchen¬
stoffe aus, wodurch ich die ersten Honorare von Gebrüder Hildebrand in
Berlin und Casaretto in Crefeld erhielt. Diese benutzte ich, um 14 Tage in
Halberstadt und Quedlinburg die alten Stoffsammlungen zu copiren.
Der Besuch des in Oesterreich renommirten Tapeten-Decorateurs Fr. Schmidt
in Berlin, veranlaßte mein Engagement nach Wien und somit schied ich von
dem mir durch freies Theater und durch Borlesungen in der Universität und
durch die Museen in der Bildung überaus förderlichen Berlin, um meine
praktische Carriere an der Donau zu beginnen. — Welche Wahl blieb mir
auch übrig, wenn ich nicht nach Paris gehen wollte, welches ich ja in seiner
Tendenz bekämpfte? Die Fabrikanten des Zollvereins hingen von Paris ab
und waren zu vorsichtig und zu wenig organisirt, um sich auf eigene Füße
zu stellen. Wien war daher damals für mich das beste Feld, denn dort war
ein selbständiger Geschmack und eine Anzahl reicher Fabrikanten, die aus
Ehrgeiz das Bessere anstrebten. Zunächst erkannte ich in dem Decorations"
geschähe von Schmidt u. Sugg das Zusammenwirken der verschiedenen Industrie¬
zweige, um die Wohnung harmonisch zu schmücken. Da jedoch Schmidt ein«
viel zu selbstische Natur war, um mich anders als einen gewöhnlichen Zeichner
zu benutzen, so übernahm ich von 1863 bis 1865 die artistische Leitung eines
neuen Decorationsgeschäftes von R. und B. Sieburger. Hier lernte ich die
Verhältnisse kennen und benutzen, die zwischen dem Fabrikanten, Händler und
Publicum bestehen und hatte die Aufgabe überall so einzugreifen, um ein
gutes Resultat zu erzielen. — Es waren derbe Lehrjahre, in denen ich einige
tausend Räume in Wien decorirte und täglich oft an 12 Stellen die Arbeiter


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[0262] Wenn ich heute an diese Lehrjahre zurückdenke, so finde ich nur das Gute, daß ich mancherlei Naturstudien machen mußte und vor Allem einen gründ¬ lichen Haß gegen die geistlose Effekthascherei des sog. Naturalismus einsog- Heute die Rose nach rechts, morgen ein ähnliches Bouquet mit der Rose nach links, das war das Alpha und Omega und von Styl oder vernünftiger Beachtung des Materiales und Zweckes gar keine Rede. Ich war durch ein kleines Stipendium an diese Anstalt gefesselt, die mir um so gründlicher ver» leidet wurde, als mir durch die freundliche Theilnahme und Belehrung des Herrn Professor L. Löste die Augen über die Bedeutung der Ornamentik und über meine Lebensaufgabe nach und nach aufgingen. Immer mehr trat ich in Opposition gegen den französirten Belgier Van der Syp, der meine Bestrebungen zu unterdrücken suchte'und höhnisch mir 1861 noch sagte, ich werde kein rechter Ornamentist, weil ich „zu deutsch" sei. — Damals begann ich das Sammeln der Webeornamente von den Bildern der Berliner Gallerie und wurde in Cöln mit dem für die kirchliche Para- mentik so einflußreichen Canonicus Dr. Fr. Bock bekannt. Die gesammelten Muster arbeitete ich zunächst für Tapeten und Kirchen¬ stoffe aus, wodurch ich die ersten Honorare von Gebrüder Hildebrand in Berlin und Casaretto in Crefeld erhielt. Diese benutzte ich, um 14 Tage in Halberstadt und Quedlinburg die alten Stoffsammlungen zu copiren. Der Besuch des in Oesterreich renommirten Tapeten-Decorateurs Fr. Schmidt in Berlin, veranlaßte mein Engagement nach Wien und somit schied ich von dem mir durch freies Theater und durch Borlesungen in der Universität und durch die Museen in der Bildung überaus förderlichen Berlin, um meine praktische Carriere an der Donau zu beginnen. — Welche Wahl blieb mir auch übrig, wenn ich nicht nach Paris gehen wollte, welches ich ja in seiner Tendenz bekämpfte? Die Fabrikanten des Zollvereins hingen von Paris ab und waren zu vorsichtig und zu wenig organisirt, um sich auf eigene Füße zu stellen. Wien war daher damals für mich das beste Feld, denn dort war ein selbständiger Geschmack und eine Anzahl reicher Fabrikanten, die aus Ehrgeiz das Bessere anstrebten. Zunächst erkannte ich in dem Decorations" geschähe von Schmidt u. Sugg das Zusammenwirken der verschiedenen Industrie¬ zweige, um die Wohnung harmonisch zu schmücken. Da jedoch Schmidt ein« viel zu selbstische Natur war, um mich anders als einen gewöhnlichen Zeichner zu benutzen, so übernahm ich von 1863 bis 1865 die artistische Leitung eines neuen Decorationsgeschäftes von R. und B. Sieburger. Hier lernte ich die Verhältnisse kennen und benutzen, die zwischen dem Fabrikanten, Händler und Publicum bestehen und hatte die Aufgabe überall so einzugreifen, um ein gutes Resultat zu erzielen. — Es waren derbe Lehrjahre, in denen ich einige tausend Räume in Wien decorirte und täglich oft an 12 Stellen die Arbeiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/262>, abgerufen am 28.07.2024.