Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.das Cabinet eines Kunstliebhabers, ebenfalls aus der Zeit des klassischen Daß das Gebiet der eigentlichen Genremalerei heutzutage noch immer das Cabinet eines Kunstliebhabers, ebenfalls aus der Zeit des klassischen Daß das Gebiet der eigentlichen Genremalerei heutzutage noch immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132457"/> <p xml:id="ID_740" prev="#ID_739"> das Cabinet eines Kunstliebhabers, ebenfalls aus der Zeit des klassischen<lb/> Alterthums, dar. Auf jenem ist der. Maler mit seiner Familie, auf diesem<lb/> der Eigenthümer portraitirt. Die Personen erscheinen in streng antiker Ge¬<lb/> wandung, sind aber trotzdem prächtige, lebensvolle Gestalten. Ueberhaupt,<lb/> was diesen Bildern einen ganz eigenartigen Werth verleiht, ist der Gedanke<lb/> uns das Leben der Alten in menschlicher Weise nahe zu bringen, mit einem<lb/> Worte, antike Genrebilder zu schaffen. Die Ausführung ist trefflich gelungen.<lb/> Historisches Genre mit Portraitmalern vereinigt trafen wir auch in einem<lb/> Bilde unseres A. v. Werner, nur daß es sich hier nicht um das Portrait<lb/> einer heute lebenden, sondern um das einer der betreffenden Epoche selbst an¬<lb/> gehörenden Persönlichkeit handelt. Das Bild zeigt Luther auf einem Fami¬<lb/> lienfeste. In einer Villa sitzt die kleine Tischgesellschaft beim reichen Mahle,<lb/> durch das Fenster und die offene Thür sieht man draußen einen Männerchor<lb/> Postirt, welcher ein Ständchen bringt. Weiterhin liegt die Stadt mit ihren<lb/> Thürmen, ihren Ziegeldächern und Festungsmauern. Der Reformator hält<lb/> das Weinglas in der Hand und lauscht dem Gesänge, getreu seinem Spruche:<lb/> >.Wer nicht liebt Wein. Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben<lb/> lang." Die energische Charakteristik der Figuren, das urkräftige Behagen,<lb/> welches sich in dem Ganzen ausprägt, von einem Werner'schen Bilde noch<lb/> besonders rühmen zu wollen, wäre Ueberfluß.</p><lb/> <p xml:id="ID_741" next="#ID_742"> Daß das Gebiet der eigentlichen Genremalerei heutzutage noch immer<lb/> das ergiebigste und rentabelste ist, hat auch die diesjährige Ausstellung wieder<lb/> Aezeigt. Die Zahl der hierher gehörigen Bilder und Bildchen war Legion<lb/> und es fällt sehr schwer, aus ihnen die erwähnenswertesten auszuscheiden.<lb/> Zu den hervorragendsten gehörte eine äußerst drollige und bis in den kleinsten<lb/> 3ug dem Leben abgelauschten Scene unseres geschätzten Künstlers Paul Meyer¬<lb/> heim: „In der Wildenbude." Auf der Bühne vollführen die Rothhäute<lb/> Unter schaurigen Geheul und entsetzlichen Verrenkungen ihre grotesken Künste,<lb/> Unten steht, phantastisch costümirt und mit prahlerischer Geberde, der Expli-<lb/> ^ator. Mit andächtigem Grausen betrachten die Mädchen und Weiber, mit<lb/> Wderndem Enthusiasmus die Buben die wilden Sprünge. Ein gewaltiger<lb/> Jagdhund macht Miene, sich an der Vorstellung activ zu betheiligen, wird<lb/> "ber von seinem Herrn, einem derben alten Waidmann, mit der grünen<lb/> Reife im Munde, noch rechtzeitig besänftigt. — Mit zwei trefflichen Genre-<lb/> Widern war der Düsseldorfer Künstler Karl Boecker vertreten. Das eine,<lb/> »Am Drehbrett" betitelt, zeigt einen Jahrmarkt; im Vordergrunde versuchen<lb/> ^«uernkinder mit dem bekannten Hazardspiel ihr Glück. Das Zagen und<lb/> ^ager des drehenden Knaben und die ängstliche Neugier der umstehenden<lb/> ^über und Mädchen sind prächtig getroffen. Auf dem andern Bilde, „Theure<lb/> Hotelrechnung", ist eine Bauernfamilie in ein elegantes Hotel gerathen. Wie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
das Cabinet eines Kunstliebhabers, ebenfalls aus der Zeit des klassischen
Alterthums, dar. Auf jenem ist der. Maler mit seiner Familie, auf diesem
der Eigenthümer portraitirt. Die Personen erscheinen in streng antiker Ge¬
wandung, sind aber trotzdem prächtige, lebensvolle Gestalten. Ueberhaupt,
was diesen Bildern einen ganz eigenartigen Werth verleiht, ist der Gedanke
uns das Leben der Alten in menschlicher Weise nahe zu bringen, mit einem
Worte, antike Genrebilder zu schaffen. Die Ausführung ist trefflich gelungen.
Historisches Genre mit Portraitmalern vereinigt trafen wir auch in einem
Bilde unseres A. v. Werner, nur daß es sich hier nicht um das Portrait
einer heute lebenden, sondern um das einer der betreffenden Epoche selbst an¬
gehörenden Persönlichkeit handelt. Das Bild zeigt Luther auf einem Fami¬
lienfeste. In einer Villa sitzt die kleine Tischgesellschaft beim reichen Mahle,
durch das Fenster und die offene Thür sieht man draußen einen Männerchor
Postirt, welcher ein Ständchen bringt. Weiterhin liegt die Stadt mit ihren
Thürmen, ihren Ziegeldächern und Festungsmauern. Der Reformator hält
das Weinglas in der Hand und lauscht dem Gesänge, getreu seinem Spruche:
>.Wer nicht liebt Wein. Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben
lang." Die energische Charakteristik der Figuren, das urkräftige Behagen,
welches sich in dem Ganzen ausprägt, von einem Werner'schen Bilde noch
besonders rühmen zu wollen, wäre Ueberfluß.
Daß das Gebiet der eigentlichen Genremalerei heutzutage noch immer
das ergiebigste und rentabelste ist, hat auch die diesjährige Ausstellung wieder
Aezeigt. Die Zahl der hierher gehörigen Bilder und Bildchen war Legion
und es fällt sehr schwer, aus ihnen die erwähnenswertesten auszuscheiden.
Zu den hervorragendsten gehörte eine äußerst drollige und bis in den kleinsten
3ug dem Leben abgelauschten Scene unseres geschätzten Künstlers Paul Meyer¬
heim: „In der Wildenbude." Auf der Bühne vollführen die Rothhäute
Unter schaurigen Geheul und entsetzlichen Verrenkungen ihre grotesken Künste,
Unten steht, phantastisch costümirt und mit prahlerischer Geberde, der Expli-
^ator. Mit andächtigem Grausen betrachten die Mädchen und Weiber, mit
Wderndem Enthusiasmus die Buben die wilden Sprünge. Ein gewaltiger
Jagdhund macht Miene, sich an der Vorstellung activ zu betheiligen, wird
"ber von seinem Herrn, einem derben alten Waidmann, mit der grünen
Reife im Munde, noch rechtzeitig besänftigt. — Mit zwei trefflichen Genre-
Widern war der Düsseldorfer Künstler Karl Boecker vertreten. Das eine,
»Am Drehbrett" betitelt, zeigt einen Jahrmarkt; im Vordergrunde versuchen
^«uernkinder mit dem bekannten Hazardspiel ihr Glück. Das Zagen und
^ager des drehenden Knaben und die ängstliche Neugier der umstehenden
^über und Mädchen sind prächtig getroffen. Auf dem andern Bilde, „Theure
Hotelrechnung", ist eine Bauernfamilie in ein elegantes Hotel gerathen. Wie
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