Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.ihm, malerische Volkstracht hat sich noch in diesen erhalten. Wir waren aus Ich sah noch lang hinaus in die Nacht. Der Mond war hinter eine In früher Stunde stand ich oben auf der luftigen Warte. Durch thau¬ ihm, malerische Volkstracht hat sich noch in diesen erhalten. Wir waren aus Ich sah noch lang hinaus in die Nacht. Der Mond war hinter eine In früher Stunde stand ich oben auf der luftigen Warte. Durch thau¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132450"/> <p xml:id="ID_719" prev="#ID_718"> ihm, malerische Volkstracht hat sich noch in diesen erhalten. Wir waren aus<lb/> Würtemberg heraus, in den hohenzollerischen Landen, auf dem Bahnhof von<lb/> Hechingen. Der Gasthof „zur Linde" liegt gerade am entgegengesetzten Ende<lb/> der ehemaligen Hauptstadt der hohenzollerischen Lande. Wir hatten sie ganz<lb/> zu durchgehen, bergauf, bergab, wie ihre Straßen laufen. Gut, daß der Mond<lb/> voll und klar am Himmel stand. Mit dem Fürsten scheint die Beleuchtung<lb/> der Residenz ausgegangen zu sein. Aber so fanden wir unsern Weg und im<lb/> Mondenlicht sah sich manch altes vornehmes Haus vielleicht doppelt stattlich<lb/> an, rauschten die schönen Brunnen, an denen die Mädchen plaudernd standen,<lb/> und lag auf einmal ein hoher, spitzer Berg dicht vor unsern Augen und auf<lb/> ihm eine herrlich hehre Burg : der H ohenzollern, die Kaiserburg des neuen<lb/> Reichs.</p><lb/> <p xml:id="ID_720"> Ich sah noch lang hinaus in die Nacht. Der Mond war hinter eine<lb/> Wolke getreten, Lichter schienen aus den Burgfenstern hernieder. Auf dem<lb/> neuen Kaiserberge war also Leben, anders als auf dem einsamen, verlassenen<lb/> Hohenstaufen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_721" next="#ID_722"> In früher Stunde stand ich oben auf der luftigen Warte. Durch thau¬<lb/> frische Wiesen, durch herrlichen Buchenwald war ich emporgestiegen. Das<lb/> Reichsbanner flatterte über mir im Morgenwind. In der letzten Pracht des<lb/> Jahres, im vollen Herbstschmuck, lag das Land ringsumher erschlossen. Das<lb/> Stammland der Hohenstaufen liegt huldigend dem Schloß der Hohenzollern<lb/> zu Füßen. Der Bergkranz der Alb umschlingt die Eine Hälfte des Bildes,<lb/> die andere findet im Schwarzwald ihre fernen Grenzen. „Vom Fels zum<lb/> Meere", das ist der Eingangsspruch über dem Thor der Feste. Wer den<lb/> Grundstein zu ihr gelegt? Die Geschichte kennt den Namen nicht; die Burg<lb/> stand schon als der erste urkundlich beglaubigte „Gras von Zollern" Thassilo,<lb/> um das Jahr 800 aus der vorhergehenden Sagendämmerung in das helle<lb/> Licht der Geschichte tritt. Ob er's hätte tragen können, wenn aus dem<lb/> Dunkel des nachbarlichen Eichenheimes eine Velleda getreten wäre und ihm<lb/> mit Prophetenwort die künftige Geschichte seines Hauses, dessen Siegesgang<lb/> „vom Fels zum Meere" verkündigt hätte? Aber ein Stück vom spätern<lb/> Zollernthum lag schon in den Leuten. Thassilo's Sohn Thanko hieß schon<lb/> für den kleinen Kreis seiner Zeit, was der, der nun dem Zollernschild das<lb/> Kaiserwappen angefügt, für die Welt geworden: „ein Schiedsrichter über<lb/> Krieg und Frieden". Des Thanko's Urenkel, Friedrich I. von Zollern, so^<lb/> um 980 das Stammschloß der Ahnen erneuert und erweitert haben. Sein<lb/> Enkel Friedrich III., um 1111 Kaiser Heinrich's obersterund geheimster Rath,<lb/> war ein allgemein beliebter Mann seiner Zeit. Sein Sohn Rudolf II. ent¬<lb/> schied als muthiger Anhänger der Ghibellinen, die blutige Schlacht auf der<lb/> Wohred (Wöhrd) bei Tübingen (NK4). Von der Zeit an theilte sich der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0228]
ihm, malerische Volkstracht hat sich noch in diesen erhalten. Wir waren aus
Würtemberg heraus, in den hohenzollerischen Landen, auf dem Bahnhof von
Hechingen. Der Gasthof „zur Linde" liegt gerade am entgegengesetzten Ende
der ehemaligen Hauptstadt der hohenzollerischen Lande. Wir hatten sie ganz
zu durchgehen, bergauf, bergab, wie ihre Straßen laufen. Gut, daß der Mond
voll und klar am Himmel stand. Mit dem Fürsten scheint die Beleuchtung
der Residenz ausgegangen zu sein. Aber so fanden wir unsern Weg und im
Mondenlicht sah sich manch altes vornehmes Haus vielleicht doppelt stattlich
an, rauschten die schönen Brunnen, an denen die Mädchen plaudernd standen,
und lag auf einmal ein hoher, spitzer Berg dicht vor unsern Augen und auf
ihm eine herrlich hehre Burg : der H ohenzollern, die Kaiserburg des neuen
Reichs.
Ich sah noch lang hinaus in die Nacht. Der Mond war hinter eine
Wolke getreten, Lichter schienen aus den Burgfenstern hernieder. Auf dem
neuen Kaiserberge war also Leben, anders als auf dem einsamen, verlassenen
Hohenstaufen. —
In früher Stunde stand ich oben auf der luftigen Warte. Durch thau¬
frische Wiesen, durch herrlichen Buchenwald war ich emporgestiegen. Das
Reichsbanner flatterte über mir im Morgenwind. In der letzten Pracht des
Jahres, im vollen Herbstschmuck, lag das Land ringsumher erschlossen. Das
Stammland der Hohenstaufen liegt huldigend dem Schloß der Hohenzollern
zu Füßen. Der Bergkranz der Alb umschlingt die Eine Hälfte des Bildes,
die andere findet im Schwarzwald ihre fernen Grenzen. „Vom Fels zum
Meere", das ist der Eingangsspruch über dem Thor der Feste. Wer den
Grundstein zu ihr gelegt? Die Geschichte kennt den Namen nicht; die Burg
stand schon als der erste urkundlich beglaubigte „Gras von Zollern" Thassilo,
um das Jahr 800 aus der vorhergehenden Sagendämmerung in das helle
Licht der Geschichte tritt. Ob er's hätte tragen können, wenn aus dem
Dunkel des nachbarlichen Eichenheimes eine Velleda getreten wäre und ihm
mit Prophetenwort die künftige Geschichte seines Hauses, dessen Siegesgang
„vom Fels zum Meere" verkündigt hätte? Aber ein Stück vom spätern
Zollernthum lag schon in den Leuten. Thassilo's Sohn Thanko hieß schon
für den kleinen Kreis seiner Zeit, was der, der nun dem Zollernschild das
Kaiserwappen angefügt, für die Welt geworden: „ein Schiedsrichter über
Krieg und Frieden". Des Thanko's Urenkel, Friedrich I. von Zollern, so^
um 980 das Stammschloß der Ahnen erneuert und erweitert haben. Sein
Enkel Friedrich III., um 1111 Kaiser Heinrich's obersterund geheimster Rath,
war ein allgemein beliebter Mann seiner Zeit. Sein Sohn Rudolf II. ent¬
schied als muthiger Anhänger der Ghibellinen, die blutige Schlacht auf der
Wohred (Wöhrd) bei Tübingen (NK4). Von der Zeit an theilte sich der
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