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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Und wir fanden, was wir suchten. Eine Schaar junger Mädchen und Kinder
saß, Hopfen zu blatten, vor dem Hause. Der würzige Duft drang zum
offenen Fenster herein. Lang war die Rast nicht. Die Sonne war schon
tief gesunken. Aber in wahrhaft blendendem Glänze strahlte sie noch um das
alte Bergschloß H o h e um euffen, das nach einer halben Stunde vor uns
lag. Allein dies selbst noch zu betreten, dazu war es zu spät. Nachts soll
man schlummernde Burggeister nicht wecken. Und solche treiben gewiß auch
auf dem Hohenneuffen ihr Wesen, und wenn's der Geist jenes pfltchtgetreuen
Hauptmanns wäre, der, als auf der Burg noch Garnison lag, die inhalt¬
schwere Meldung machte, auf Höchstdero Festung Neuffen ist nichts Neues
vorgefallen. ., "Gottlob, wenn nur nichts Altes eingefallen ist" antwortete
der Herzog. Heut aber könnte Sein Liebden doch manches eingefallen finden,
denn, wenn auch Hohenneuffen jetzt noch das besterhaltene und stattlichste
Bergschloß ganz Würtembergs ist, so sind doch auch seine mächtigen Ge¬
wölbe und Kasematten vom Zahn der Zeit nicht unberührt geblieben. Durch
Rebengärten stiegen wir am Abend zum stillen Städtchen, das am Fuß des
Schloßberges liegt, hinab, und andern Morgens wieder zur Burg hinan.
Dann tritt Wald an deren Stelle, und zwar hochstämmiger, reichbelaubter
Wald. Er mag schon so schon und lauschig gewesen sein zu Gottfried von
Neuffen's Zeit, des ritterlichen Minnesängers, der, wie seine ganze Sippe, der
Hohenstaufen treuer Freund und Kriegsgenosse, so frühlingswarm und kinder-
sroh. bald von Anger, Blüthen. Wald und Wiese, bald von seiner Frauen
rosenrothem Mund gesungen hat. Nun haben die Waldvögelein die Musikanten¬
rolle auf Hohenneuffen übernommen, allein jetzt natürlich, wo schon manch
roth und gelbes Blatt sich in den Waldschmuck gemischt hatte, waren auch
^ verstummt.

Der Blick von Hohenneuffen gleicht dem, über d.en die andern Albberge
gebieten. Es muß ja nothwendig immer dieselbe Landschaft sein, die das
Auge überfliegt; nur daß ihm von der einen oder der andern Höhe der oder
iener Punkt mehr in den Vordergrund gerückt erscheint oder die verschieden¬
artige Beleuchtung auch verschiedene Bilder vorführt.

Wieder kamen ein paar reizlose Wegstunden, wir gingen eben wieder auf
Hochebene. Nur Hohenneuffen bot einen prächtigen Rückblick. Als ob
'hin dieses Stück Welt ringsum ganz allein gehörte, so stolz und gebietend
^g das alte Schloß da. Dann war es auch verschwunden. An einem
Waldsaum hatten uns ortskundige Leute einen schmalen Pfad mitten ins
Deiche hinein gezeigt. Er führte jäh abschüssig hinab. Allein es war der
^)te; denn er brachte uns mitten hinein ins schönste und lieblichste aller
Albthäler, ins Urachthal. neben dem selbst das Lenmnger bei Manchem den
kürzern ziehen mag. Es vereinigt fast mehr noch als dieses alle Reize der


Grenzboten IV. 1874, 28

Und wir fanden, was wir suchten. Eine Schaar junger Mädchen und Kinder
saß, Hopfen zu blatten, vor dem Hause. Der würzige Duft drang zum
offenen Fenster herein. Lang war die Rast nicht. Die Sonne war schon
tief gesunken. Aber in wahrhaft blendendem Glänze strahlte sie noch um das
alte Bergschloß H o h e um euffen, das nach einer halben Stunde vor uns
lag. Allein dies selbst noch zu betreten, dazu war es zu spät. Nachts soll
man schlummernde Burggeister nicht wecken. Und solche treiben gewiß auch
auf dem Hohenneuffen ihr Wesen, und wenn's der Geist jenes pfltchtgetreuen
Hauptmanns wäre, der, als auf der Burg noch Garnison lag, die inhalt¬
schwere Meldung machte, auf Höchstdero Festung Neuffen ist nichts Neues
vorgefallen. ., „Gottlob, wenn nur nichts Altes eingefallen ist" antwortete
der Herzog. Heut aber könnte Sein Liebden doch manches eingefallen finden,
denn, wenn auch Hohenneuffen jetzt noch das besterhaltene und stattlichste
Bergschloß ganz Würtembergs ist, so sind doch auch seine mächtigen Ge¬
wölbe und Kasematten vom Zahn der Zeit nicht unberührt geblieben. Durch
Rebengärten stiegen wir am Abend zum stillen Städtchen, das am Fuß des
Schloßberges liegt, hinab, und andern Morgens wieder zur Burg hinan.
Dann tritt Wald an deren Stelle, und zwar hochstämmiger, reichbelaubter
Wald. Er mag schon so schon und lauschig gewesen sein zu Gottfried von
Neuffen's Zeit, des ritterlichen Minnesängers, der, wie seine ganze Sippe, der
Hohenstaufen treuer Freund und Kriegsgenosse, so frühlingswarm und kinder-
sroh. bald von Anger, Blüthen. Wald und Wiese, bald von seiner Frauen
rosenrothem Mund gesungen hat. Nun haben die Waldvögelein die Musikanten¬
rolle auf Hohenneuffen übernommen, allein jetzt natürlich, wo schon manch
roth und gelbes Blatt sich in den Waldschmuck gemischt hatte, waren auch
^ verstummt.

Der Blick von Hohenneuffen gleicht dem, über d.en die andern Albberge
gebieten. Es muß ja nothwendig immer dieselbe Landschaft sein, die das
Auge überfliegt; nur daß ihm von der einen oder der andern Höhe der oder
iener Punkt mehr in den Vordergrund gerückt erscheint oder die verschieden¬
artige Beleuchtung auch verschiedene Bilder vorführt.

Wieder kamen ein paar reizlose Wegstunden, wir gingen eben wieder auf
Hochebene. Nur Hohenneuffen bot einen prächtigen Rückblick. Als ob
'hin dieses Stück Welt ringsum ganz allein gehörte, so stolz und gebietend
^g das alte Schloß da. Dann war es auch verschwunden. An einem
Waldsaum hatten uns ortskundige Leute einen schmalen Pfad mitten ins
Deiche hinein gezeigt. Er führte jäh abschüssig hinab. Allein es war der
^)te; denn er brachte uns mitten hinein ins schönste und lieblichste aller
Albthäler, ins Urachthal. neben dem selbst das Lenmnger bei Manchem den
kürzern ziehen mag. Es vereinigt fast mehr noch als dieses alle Reize der


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[0221] Und wir fanden, was wir suchten. Eine Schaar junger Mädchen und Kinder saß, Hopfen zu blatten, vor dem Hause. Der würzige Duft drang zum offenen Fenster herein. Lang war die Rast nicht. Die Sonne war schon tief gesunken. Aber in wahrhaft blendendem Glänze strahlte sie noch um das alte Bergschloß H o h e um euffen, das nach einer halben Stunde vor uns lag. Allein dies selbst noch zu betreten, dazu war es zu spät. Nachts soll man schlummernde Burggeister nicht wecken. Und solche treiben gewiß auch auf dem Hohenneuffen ihr Wesen, und wenn's der Geist jenes pfltchtgetreuen Hauptmanns wäre, der, als auf der Burg noch Garnison lag, die inhalt¬ schwere Meldung machte, auf Höchstdero Festung Neuffen ist nichts Neues vorgefallen. ., „Gottlob, wenn nur nichts Altes eingefallen ist" antwortete der Herzog. Heut aber könnte Sein Liebden doch manches eingefallen finden, denn, wenn auch Hohenneuffen jetzt noch das besterhaltene und stattlichste Bergschloß ganz Würtembergs ist, so sind doch auch seine mächtigen Ge¬ wölbe und Kasematten vom Zahn der Zeit nicht unberührt geblieben. Durch Rebengärten stiegen wir am Abend zum stillen Städtchen, das am Fuß des Schloßberges liegt, hinab, und andern Morgens wieder zur Burg hinan. Dann tritt Wald an deren Stelle, und zwar hochstämmiger, reichbelaubter Wald. Er mag schon so schon und lauschig gewesen sein zu Gottfried von Neuffen's Zeit, des ritterlichen Minnesängers, der, wie seine ganze Sippe, der Hohenstaufen treuer Freund und Kriegsgenosse, so frühlingswarm und kinder- sroh. bald von Anger, Blüthen. Wald und Wiese, bald von seiner Frauen rosenrothem Mund gesungen hat. Nun haben die Waldvögelein die Musikanten¬ rolle auf Hohenneuffen übernommen, allein jetzt natürlich, wo schon manch roth und gelbes Blatt sich in den Waldschmuck gemischt hatte, waren auch ^ verstummt. Der Blick von Hohenneuffen gleicht dem, über d.en die andern Albberge gebieten. Es muß ja nothwendig immer dieselbe Landschaft sein, die das Auge überfliegt; nur daß ihm von der einen oder der andern Höhe der oder iener Punkt mehr in den Vordergrund gerückt erscheint oder die verschieden¬ artige Beleuchtung auch verschiedene Bilder vorführt. Wieder kamen ein paar reizlose Wegstunden, wir gingen eben wieder auf Hochebene. Nur Hohenneuffen bot einen prächtigen Rückblick. Als ob 'hin dieses Stück Welt ringsum ganz allein gehörte, so stolz und gebietend ^g das alte Schloß da. Dann war es auch verschwunden. An einem Waldsaum hatten uns ortskundige Leute einen schmalen Pfad mitten ins Deiche hinein gezeigt. Er führte jäh abschüssig hinab. Allein es war der ^)te; denn er brachte uns mitten hinein ins schönste und lieblichste aller Albthäler, ins Urachthal. neben dem selbst das Lenmnger bei Manchem den kürzern ziehen mag. Es vereinigt fast mehr noch als dieses alle Reize der Grenzboten IV. 1874, 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/221>, abgerufen am 27.07.2024.