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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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[Beginn Spaltensatz]
"So haben sie Meldorp eingenommen
Und auch die Kirchen zu ihrem Frommen
(Nutzen),
Da haben sie die Hände zu brauchen
gewußt.
Was in Kasten und Kisten war, hat
heraus gemußt."
[Spaltenumbruch]
"Zur Stunde ward der Thurm mit
einem Zeichen gezieret,
Einem Kreuze, mit Gold und Perlen
ausstaffiret, *)
Gleich jenem, zu dem Kaiser Constantin
einst flehte,
Daß Gott ihm desto besser Beistand thäte."
[Ende Spaltensatz]

Bis Ende der Woche blieb der König in Meldorp stehen, da sein Bruder
und andere zur größten Vorsicht mahnten. Der Weiterweg führte über
Hemmingstedt nördlich auf Heide und Lunden durch die tiefe Marsch und
war ohne landkundigen Führer nicht zu beschreiten, da die Gräben in Folge
des anhaltenden Regens übergetreten waren. Der Verräther, der sich vom
König bereit finden ließ, scheint jener Carsten Holm gewesen zu sein, von
dem das nachfolgende Lied erzählt:


[Beginn Spaltensatz]
Carsten Holm der kam dazu:
"Mein lieber Herr Hans, wohin geht's nu?"
"Mein lieber Carsten, wartet eine Weile,
Ich will euch geben das Schloß zu Tiete."^)
"Denn würden sie meiner hier gewahr,
Mein Leben hinge an einem Haar."
"Seid morgen früh dort unsre Gäste,
Ich will euch geben das allerbeste."
"Und stecket das ganze Dorf nur an,
Die Bauern liegen stark daran."
[Spaltenumbruch]
"Mein lieber Carsten, ich lob euer Wort
Ich meine, es gehet nun bald fort."
"Mein lieber Herr Hans, ich kann's nicht
nehmen,
Muß mich der Bauernart beauemen."
"Aber auf der Heide nicht weit von hier,
Da wohnet Peters Hans mit mir."
"Ich will euch schenken Meth und Wein,
Dann ziehen wir nach Lunden hinein."
"Und stecket an das halbe Land,
Das übrige geht euch Wohl zur Hand."
[Ende Spaltensatz]

Das andere Lied meldet nur die Aussendung des Kundschafters und
seine Gefangennahme durch die Ditmarsen, die von ihm des Königs Absichten
erfuhren:


[Beginn Spaltensatz]
"Des Sonnabends ward ein Mann
ausgesandt,
Der war im Lande wohlbekannt,
Zu erspähen den Weg nach Hemmingstedt,
Und wo es weiter nach Heide geht."
[Spaltenumbruch]
"Derselbige Mann der ward gefangen,
Sie wollten beides, ihn morden und hangen,
Griffen ihn bei den Haaren, beim Hals
und Kinne:
"Sag' uns, was hat der König im Sinne?"
So wahr ihr mir hier mein Leben wollt
fristen."
[Ende Spaltensatz]
,,O lieben Freunde laßt mich nur leben,
Ach will's euch offen zu erkennen geben,
soll euch allzumal frommen und nützen,



") Gemeine ist der Danebrog.
") Die Tielenburg an der Eider.
Gvenzborcn IV. 1874,27
[Beginn Spaltensatz]
„So haben sie Meldorp eingenommen
Und auch die Kirchen zu ihrem Frommen
(Nutzen),
Da haben sie die Hände zu brauchen
gewußt.
Was in Kasten und Kisten war, hat
heraus gemußt."
[Spaltenumbruch]
„Zur Stunde ward der Thurm mit
einem Zeichen gezieret,
Einem Kreuze, mit Gold und Perlen
ausstaffiret, *)
Gleich jenem, zu dem Kaiser Constantin
einst flehte,
Daß Gott ihm desto besser Beistand thäte."
[Ende Spaltensatz]

Bis Ende der Woche blieb der König in Meldorp stehen, da sein Bruder
und andere zur größten Vorsicht mahnten. Der Weiterweg führte über
Hemmingstedt nördlich auf Heide und Lunden durch die tiefe Marsch und
war ohne landkundigen Führer nicht zu beschreiten, da die Gräben in Folge
des anhaltenden Regens übergetreten waren. Der Verräther, der sich vom
König bereit finden ließ, scheint jener Carsten Holm gewesen zu sein, von
dem das nachfolgende Lied erzählt:


[Beginn Spaltensatz]
Carsten Holm der kam dazu:
„Mein lieber Herr Hans, wohin geht's nu?"
„Mein lieber Carsten, wartet eine Weile,
Ich will euch geben das Schloß zu Tiete."^)
„Denn würden sie meiner hier gewahr,
Mein Leben hinge an einem Haar."
„Seid morgen früh dort unsre Gäste,
Ich will euch geben das allerbeste."
„Und stecket das ganze Dorf nur an,
Die Bauern liegen stark daran."
[Spaltenumbruch]
„Mein lieber Carsten, ich lob euer Wort
Ich meine, es gehet nun bald fort."
„Mein lieber Herr Hans, ich kann's nicht
nehmen,
Muß mich der Bauernart beauemen."
„Aber auf der Heide nicht weit von hier,
Da wohnet Peters Hans mit mir."
„Ich will euch schenken Meth und Wein,
Dann ziehen wir nach Lunden hinein."
„Und stecket an das halbe Land,
Das übrige geht euch Wohl zur Hand."
[Ende Spaltensatz]

Das andere Lied meldet nur die Aussendung des Kundschafters und
seine Gefangennahme durch die Ditmarsen, die von ihm des Königs Absichten
erfuhren:


[Beginn Spaltensatz]
„Des Sonnabends ward ein Mann
ausgesandt,
Der war im Lande wohlbekannt,
Zu erspähen den Weg nach Hemmingstedt,
Und wo es weiter nach Heide geht."
[Spaltenumbruch]
„Derselbige Mann der ward gefangen,
Sie wollten beides, ihn morden und hangen,
Griffen ihn bei den Haaren, beim Hals
und Kinne:
„Sag' uns, was hat der König im Sinne?"
So wahr ihr mir hier mein Leben wollt
fristen."
[Ende Spaltensatz]
,,O lieben Freunde laßt mich nur leben,
Ach will's euch offen zu erkennen geben,
soll euch allzumal frommen und nützen,



") Gemeine ist der Danebrog.
") Die Tielenburg an der Eider.
Gvenzborcn IV. 1874,27
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[0213] „So haben sie Meldorp eingenommen Und auch die Kirchen zu ihrem Frommen (Nutzen), Da haben sie die Hände zu brauchen gewußt. Was in Kasten und Kisten war, hat heraus gemußt." „Zur Stunde ward der Thurm mit einem Zeichen gezieret, Einem Kreuze, mit Gold und Perlen ausstaffiret, *) Gleich jenem, zu dem Kaiser Constantin einst flehte, Daß Gott ihm desto besser Beistand thäte." Bis Ende der Woche blieb der König in Meldorp stehen, da sein Bruder und andere zur größten Vorsicht mahnten. Der Weiterweg führte über Hemmingstedt nördlich auf Heide und Lunden durch die tiefe Marsch und war ohne landkundigen Führer nicht zu beschreiten, da die Gräben in Folge des anhaltenden Regens übergetreten waren. Der Verräther, der sich vom König bereit finden ließ, scheint jener Carsten Holm gewesen zu sein, von dem das nachfolgende Lied erzählt: Carsten Holm der kam dazu: „Mein lieber Herr Hans, wohin geht's nu?" „Mein lieber Carsten, wartet eine Weile, Ich will euch geben das Schloß zu Tiete."^) „Denn würden sie meiner hier gewahr, Mein Leben hinge an einem Haar." „Seid morgen früh dort unsre Gäste, Ich will euch geben das allerbeste." „Und stecket das ganze Dorf nur an, Die Bauern liegen stark daran." „Mein lieber Carsten, ich lob euer Wort Ich meine, es gehet nun bald fort." „Mein lieber Herr Hans, ich kann's nicht nehmen, Muß mich der Bauernart beauemen." „Aber auf der Heide nicht weit von hier, Da wohnet Peters Hans mit mir." „Ich will euch schenken Meth und Wein, Dann ziehen wir nach Lunden hinein." „Und stecket an das halbe Land, Das übrige geht euch Wohl zur Hand." Das andere Lied meldet nur die Aussendung des Kundschafters und seine Gefangennahme durch die Ditmarsen, die von ihm des Königs Absichten erfuhren: „Des Sonnabends ward ein Mann ausgesandt, Der war im Lande wohlbekannt, Zu erspähen den Weg nach Hemmingstedt, Und wo es weiter nach Heide geht." „Derselbige Mann der ward gefangen, Sie wollten beides, ihn morden und hangen, Griffen ihn bei den Haaren, beim Hals und Kinne: „Sag' uns, was hat der König im Sinne?" So wahr ihr mir hier mein Leben wollt fristen." ,,O lieben Freunde laßt mich nur leben, Ach will's euch offen zu erkennen geben, soll euch allzumal frommen und nützen, ") Gemeine ist der Danebrog. ") Die Tielenburg an der Eider. Gvenzborcn IV. 1874,27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/213>, abgerufen am 27.07.2024.