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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Versmaß er annahm, wenn auch nicht durchführte. ") Ebenso erwachte bei
den Schweizern in der Bedrängniß der Burgunderkriege das Andenken an
die Heldenthaten von 1386, wie die im Tone der Sempacherlieder gedichteten
späteren Schlachtgesänge zeigen.**) Das Lied von der Schlacht in der Süder-
hamme lautet nach der Ueberlieferung des spätern Dichters wie folgt:


[Beginn Spaltensatz]
"Als man schrieb tausend vierhundert
und vier,
Da nahm in Ditmarschen ein Herr
Quartier,
Des eisernen Heinrich's Sohn, ein Fürst
groß und reich,
Herzog Gerhart von Schleswig und Herr
von Holstein zugleich."
"Fünfzehn Ritter sind zusammen gewesen
Und vierhundert wackre Mannen auserlesen,
Ohne Bauern und Kriegeskncchte.
Ihrem Herrn wollten sie Beistand thun
nach Rechte."
"Die Holsteiner griffen männiglich zu,
Es war Pferd oder Ochse, Schwein oder Kuh,
Da ward von allem nichts vergessen;
Von Kleider alles, was da war; Ge¬
schmeide ward abgerissen."
"Der Weg war zu schmal und zu enge,
Sie kamen bald in groß Gedränge.
Niemand konnte dem andern weichen,
Der größte Haufe blieb, die Armen und
die Reichen."
"Doch da der Ritter das vernahm.
Daß sein gnädger Herr nicht nach ihm kam,
Ward er ohnemaßen bange;
Er wollt' sich lieber todtschlagen lassen,
wenn er wär' gefangen."
[Spaltenumbruch]

"Er hatt' entboten seinen guten Mannen
allen,

In Ditmarschen wollt' er mit einem Heer
einfallen:

"Wollet ihr auch nun alle bei mir bleiben?"
Da riefen sie: "Gnädger Herr, mit Gut
und mit Leiden!"

"Wie sie nun kamen ins Land gezogen,
Die Ditmarschen sind alle rasch geflohen
Aus dem Wege, wo sie sich sehen ließen;
Sie kamen alle zur Hcunme mit ihren
langen Spießen."
"Da sie wieder in die Hamme kamen,
Die Ditmarschen ihrer bald wahrnahmen,
Mit Armbrüsten und mit ihren Spießen
In großer Grimmigkeit die Vordersten
sie niederstießen."
"Herr Heinrich von Siggem, ein Ritter gut,
Der hatte zumal einen freien Muth,
Er wollte allein nicht verzagen;
Das Banner bracht' er durch, da das
Heer geschlagen."
"Er ist wieder gekommen zu dem Haufen
geritten
Und hat mit seinen zwei Söhnen bis
zum Tod gestritten.
So gehört sich's für einem edlen Mann
von Ehren,
Wie er dort hat sein Leben gelassen für
seinen Herren."
[Ende Spaltensatz]


! ") Die Strophe besteht aus 3 Kurzzeilen und einer doppelt so langen Schlußzeile, doch
ist der ursprüngliche Bau durch Ueberfüllung der Reihen vielfach verdunkelt.
Vergleiche des Verfassers Aufsatz: Die Kampfe der Schweizer gegen Burgund u. s, w-
ir Ur. 38 der "Grenzboten". 3. Quartal 1874 S. 460.

Versmaß er annahm, wenn auch nicht durchführte. ") Ebenso erwachte bei
den Schweizern in der Bedrängniß der Burgunderkriege das Andenken an
die Heldenthaten von 1386, wie die im Tone der Sempacherlieder gedichteten
späteren Schlachtgesänge zeigen.**) Das Lied von der Schlacht in der Süder-
hamme lautet nach der Ueberlieferung des spätern Dichters wie folgt:


[Beginn Spaltensatz]
„Als man schrieb tausend vierhundert
und vier,
Da nahm in Ditmarschen ein Herr
Quartier,
Des eisernen Heinrich's Sohn, ein Fürst
groß und reich,
Herzog Gerhart von Schleswig und Herr
von Holstein zugleich."
„Fünfzehn Ritter sind zusammen gewesen
Und vierhundert wackre Mannen auserlesen,
Ohne Bauern und Kriegeskncchte.
Ihrem Herrn wollten sie Beistand thun
nach Rechte."
„Die Holsteiner griffen männiglich zu,
Es war Pferd oder Ochse, Schwein oder Kuh,
Da ward von allem nichts vergessen;
Von Kleider alles, was da war; Ge¬
schmeide ward abgerissen."
„Der Weg war zu schmal und zu enge,
Sie kamen bald in groß Gedränge.
Niemand konnte dem andern weichen,
Der größte Haufe blieb, die Armen und
die Reichen."
„Doch da der Ritter das vernahm.
Daß sein gnädger Herr nicht nach ihm kam,
Ward er ohnemaßen bange;
Er wollt' sich lieber todtschlagen lassen,
wenn er wär' gefangen."
[Spaltenumbruch]

„Er hatt' entboten seinen guten Mannen
allen,

In Ditmarschen wollt' er mit einem Heer
einfallen:

„Wollet ihr auch nun alle bei mir bleiben?"
Da riefen sie: „Gnädger Herr, mit Gut
und mit Leiden!"

„Wie sie nun kamen ins Land gezogen,
Die Ditmarschen sind alle rasch geflohen
Aus dem Wege, wo sie sich sehen ließen;
Sie kamen alle zur Hcunme mit ihren
langen Spießen."
„Da sie wieder in die Hamme kamen,
Die Ditmarschen ihrer bald wahrnahmen,
Mit Armbrüsten und mit ihren Spießen
In großer Grimmigkeit die Vordersten
sie niederstießen."
„Herr Heinrich von Siggem, ein Ritter gut,
Der hatte zumal einen freien Muth,
Er wollte allein nicht verzagen;
Das Banner bracht' er durch, da das
Heer geschlagen."
„Er ist wieder gekommen zu dem Haufen
geritten
Und hat mit seinen zwei Söhnen bis
zum Tod gestritten.
So gehört sich's für einem edlen Mann
von Ehren,
Wie er dort hat sein Leben gelassen für
seinen Herren."
[Ende Spaltensatz]


! ") Die Strophe besteht aus 3 Kurzzeilen und einer doppelt so langen Schlußzeile, doch
ist der ursprüngliche Bau durch Ueberfüllung der Reihen vielfach verdunkelt.
Vergleiche des Verfassers Aufsatz: Die Kampfe der Schweizer gegen Burgund u. s, w-
ir Ur. 38 der „Grenzboten". 3. Quartal 1874 S. 460.
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[0208] Versmaß er annahm, wenn auch nicht durchführte. ") Ebenso erwachte bei den Schweizern in der Bedrängniß der Burgunderkriege das Andenken an die Heldenthaten von 1386, wie die im Tone der Sempacherlieder gedichteten späteren Schlachtgesänge zeigen.**) Das Lied von der Schlacht in der Süder- hamme lautet nach der Ueberlieferung des spätern Dichters wie folgt: „Als man schrieb tausend vierhundert und vier, Da nahm in Ditmarschen ein Herr Quartier, Des eisernen Heinrich's Sohn, ein Fürst groß und reich, Herzog Gerhart von Schleswig und Herr von Holstein zugleich." „Fünfzehn Ritter sind zusammen gewesen Und vierhundert wackre Mannen auserlesen, Ohne Bauern und Kriegeskncchte. Ihrem Herrn wollten sie Beistand thun nach Rechte." „Die Holsteiner griffen männiglich zu, Es war Pferd oder Ochse, Schwein oder Kuh, Da ward von allem nichts vergessen; Von Kleider alles, was da war; Ge¬ schmeide ward abgerissen." „Der Weg war zu schmal und zu enge, Sie kamen bald in groß Gedränge. Niemand konnte dem andern weichen, Der größte Haufe blieb, die Armen und die Reichen." „Doch da der Ritter das vernahm. Daß sein gnädger Herr nicht nach ihm kam, Ward er ohnemaßen bange; Er wollt' sich lieber todtschlagen lassen, wenn er wär' gefangen." „Er hatt' entboten seinen guten Mannen allen, In Ditmarschen wollt' er mit einem Heer einfallen: „Wollet ihr auch nun alle bei mir bleiben?" Da riefen sie: „Gnädger Herr, mit Gut und mit Leiden!" „Wie sie nun kamen ins Land gezogen, Die Ditmarschen sind alle rasch geflohen Aus dem Wege, wo sie sich sehen ließen; Sie kamen alle zur Hcunme mit ihren langen Spießen." „Da sie wieder in die Hamme kamen, Die Ditmarschen ihrer bald wahrnahmen, Mit Armbrüsten und mit ihren Spießen In großer Grimmigkeit die Vordersten sie niederstießen." „Herr Heinrich von Siggem, ein Ritter gut, Der hatte zumal einen freien Muth, Er wollte allein nicht verzagen; Das Banner bracht' er durch, da das Heer geschlagen." „Er ist wieder gekommen zu dem Haufen geritten Und hat mit seinen zwei Söhnen bis zum Tod gestritten. So gehört sich's für einem edlen Mann von Ehren, Wie er dort hat sein Leben gelassen für seinen Herren." ! ") Die Strophe besteht aus 3 Kurzzeilen und einer doppelt so langen Schlußzeile, doch ist der ursprüngliche Bau durch Ueberfüllung der Reihen vielfach verdunkelt. Vergleiche des Verfassers Aufsatz: Die Kampfe der Schweizer gegen Burgund u. s, w- ir Ur. 38 der „Grenzboten". 3. Quartal 1874 S. 460.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/208>, abgerufen am 29.12.2024.